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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD⁺)

Stellungnahme des LSVD⁺ – Verband Queere Vielfalt, des Bundesverband Trans* und der TIN-Rechtshilfe zur Änderung der Bayrischen Meldedatenverordnung

Gemeinsame Stellungnahme zum Verordnungsentwurf des Bayrischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration vom 13.08.2024

Berlin, 17.09.2024

Als queere Bundesverbände kritisieren wir die im Entwurf für eine Verordnung zur Änderung der bayrischen Verordnung zur Übermittlung von Meldedaten vorgesehene Datenübermittlung an Polizei- und Waffenbehörden bei Änderungen des Geschlechtseintrags und der Vornamen scharf. Bislang hat das sogenannte Offenbarungsverbot in Fällen von Änderungen des Geschlechtseintrags und der Vornamen die pauschale Weitergabe der Informationen zwischen öffentlichen Stellen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen beschränkt. Mit dem Verordnungsentwurf des Bayrischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration vom 13.08.2024 soll nun eine Rechtsgrundlage iSv § 13 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1 sowie Abs. 3 und 4 SBGG geschaffen werden, die eine solche pauschale und anlasslose Datenweitergabe an das Landeskriminalamt (§ 6) und an die Waffenerlaubnisbehörde (§ 9) vorsieht.

Im Kabinettsentwurf für das Selbstbestimmungsgesetz war in § 13 Abs. 5 SBGG-E eine eben solche pauschale Datenweitergabe an eine Vielzahl von Sicherheitsbehörden vorgesehen. Nach breiter Kritik an der Vereinbarkeit der geplanten Regelung mit datenschutzrechtlichen Grundprinzipien, u. a. durch den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, wurde dieses Regelungsvorhaben aufgehoben. Dort hieß es, „die unaufgeforderte Übermittlung von Meldedaten an Sicherheitsbehörden“ sei „neu und insofern systemfremd“. Nun doch eine solche pauschale Weitergabe im Wege einer Verordnung auf Landesebene einzuführen, betrachten wir sehr kritisch.

Keine Notwendigkeit der Neuregelung

Die Informationen über die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen werden im Bundeszentralregister und in zentralen Meldedatenbeständen erfasst und können anlassbezogen abgefragt werden, § 34 BMG. Änderungen von Vornamen und Geschlechtseintrag sind schon seit vielen Jahren nach TSG oder § 45b PStG möglich und werden nicht neu durch das Selbstbestimmungsgesetz eingeführt. Zur Wahrung des im TSG verankerten Offenbarungsverbots wurden sie nicht automatisch weitergegeben. Das soll nun geändert werden. Als Grund für die Änderung der Bayrischen Meldedatenverordnung wird angegeben, dass erwartet wird, dass die Anzahl von Geschlechts- und Vornamensänderungen signifikant steigen wird. Die Änderung der Vornamen und des Geschlechtseintrags an sich wird zum „Anlass“ für die Datenweitergabe an Landeskriminalamt und Waffenbehörde. Es wird damit das falsche Narrativ verstärkt, dass das Selbstbestimmungsgesetz zum Missbrauch genutzt wird, um Strafverfolgung zu entgehen. Dabei gerät die tatsächliche Gefahrenlage aus dem Blick. Erfahrungswerte aus Ländern, die bereits einen selbstbestimmten Geschlechtseintrag eingeführt haben, geben keinen Anlass zu solchen Annahmen. Bereits die Notwendigkeit der Neuregelung ist damit nicht hinreichend dargelegt.

Grundrechtsrelevanz missachtet

In dem Entwurf findet keine Auseinandersetzung mit der Grundrechtsrelevanz des Vorhabens und dem verfassungsrechtlich gebotenen Grundsatz der Datenminimierung, der auch in der DSGVO konkretisiert ist, statt. Die Informationen über die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen stellen besonders sensible, höchstpersönliche Daten dar, die nur in Ausnahmefällen offenbart werden dürfen. Die automatische Datenweitergabe kehrt diesen Grundsatz um. Sie ist auch nicht mit der Datenweitergabe nach Heirat zu vergleichen, da es sich um einen besonders diskriminierungssensiblen Bereich handelt. Nur ein wirksames Offenbarungsverbot wahrt die geschlechtliche Selbstbestimmung einer Person. Es ist wie bereits aufgezeigt nicht hinreichend begründet, dass die bisherigen Möglichkeiten zur Nachverfolgung einer Person nicht ausreichen. Die Speicherung dieser Daten beim Bundeszentralregister und in den zentralen Meldedatenbeständen und eine anlassbezogene Abfrage stellen mildere Mittel dar. Die geplante Regelung ist damit nicht erforderlich.

Abschreckung

Die automatisierte Datenübermittlung kann eine abschreckende Wirkung auf Menschen ausüben, die ihren Personenstand nach SBGG ändern wollen. Wir nehmen diesbezüglich eine sehr große Verunsicherung und Angst in den Communities wahr. Die automatisierte Information der genannten Behörden vermittelt den Eindruck eines Generalverdachts gegenüber Personen, die das Verfahren nach dem Selbstbestimmungsgesetz durchlaufen. Dass die höchstsensible Information über die Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen pauschal offenbart und gespeichert werden, erscheint auch vor dem Hintergrund der Berichterstattung über rechtsextreme Netzwerke in der Polizei und anderen Sicherheitsbehörden aus den letzten Jahren besonders bedenklich. Die einzige Möglichkeit, die Datenweitergabe zu verhindert, ist, Vornamen und Geschlechtseintrag nicht zu ändern. Eine Grundrechtsposition – das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung – zugunsten einer anderen – dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung – aufgeben zu müssen, stellt eine unverhältnismäßige Belastung dar.

Die Verhältnismäßigkeit der geplanten Regelung ist damit nicht gegeben. Wir fordern daher, von ihrer Einführung abzusehen.

Gemeinsamen Stellungnahme des LSVD⁺ – Verband Queere Vielfalt, des Bundesverband Trans* und der TIN-Rechtshilfe im pdf-Format.