Menu
Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Rückwirkender Familienzuschlag

Mustertexte für die Beantragung der Nachzahlung des Familienzuschlags nach Umwandlung

Verpartnerte Beamt*innen und Richter*innen, die ihre eingetragene Lebenspartnerschaft in eine Ehe umgewandelt haben, können unter bestimmten Voraussetzungen die Nachzahlung des rückständigen Familienzuschlags beantragen. Der Antrag muss binnen drei Monaten nach der Umwandlung gestellt werden.

1. Vorbemerkungen
2. Antrag auf Nachzahlung des Familienzuschlags (Mustertext)
3. Antrag bereits gestellt (Mustertexte)
4. Weiterführende Informationen

1. Vorbemerkungen

Nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe steht Beamt*innen und Richter*innen ein Anspruch auf Nachzahlung des rückständigen Familienzuschlags zu. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass bereits nach der Verpartnerung erfolglos ein Antrag auf Nachzahlung des Familienzuschlags gestellt worden ist.

Der Anspruch auf Nachzahlung des rückständigen Familienzuschlags ergibt sich aus § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG Bund bzw. aus den entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Bundesländer. Die Vorschriften setzen voraus, dass die Nachzahlung des Familienzuschlags ab der Verpartnerung von der Besoldungsstelle rechtskräftig abgelehnt worden ist.

Wenn nach der Gleichstellung der verpartnerten Beamt*innen und Richter*innen die Nachzahlung des Familienzuschlags ab ihrer Verpartnerung nicht beantragt wurde und wenn demgemäß Ihre Besoldungsstelle die Nachzahlung nicht abgelehnt hat, ist der rückständige Familienzuschlag inzwischen verjährt. Dabei bleibt es auch nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe.

Wichtig: Falls die Besoldungsstelle die Nachzahlung des Familienzuschlags ab der Verpartnerung rechtskräftig abgelehnt hat, sollte unbedingt binnen drei Monaten nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe bei der Besoldungsstelle beantragt werden, dass der rückständige Familienzuschlag nachgezahlt wird. Die Frist beginnt mit dem Tag der Umwandlung.

Nachfolgend stellen wir Formulierungsvorschläge für einen Antrag auf Nachzahlung des Familienzuschlags zur Verfügung. Zudem gibt es Formulierungsvorschläge für den Fall, dass bereits ein Antrag auf Nachzahlung des Familienzuschlags gestellt worden ist, über den noch nicht entschieden wurde.

Sollte der Antrag abgelehnt werden, kann gegen den ablehnenden Bescheid innerhalb einer Frist Widerspruch eingelegt oder Klage erhoben werden. Dies ergibt sich jeweils aus der Rechtsbehelfsbelehrung. Erfolgt dies nicht, wird die Ablehnung rechtskräftig. Für die Begründung von Widerspruch oder Klage können wir keine Mustertexte zur Verfügung stellen, da die Begründung davon abhängt, wie die Besoldungsstelle den ablehnenden Bescheid begründet hat und was bisher vorgetragen wurde.

Für das Widerspruchsverfahren und das Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht besteht kein Anwaltszwang. Die Gegenseite vertritt sich selbst. Dadurch ist das Prozesskostenrisiko überschaubar. Wir empfehlen dennoch, sich für das Klageverfahren anwaltlich beraten zu lassen.

2. Antrag auf Nachzahlung des Familienzuschlags (Mustertext)

-----------------------

Anschrift der Besoldungsstelle

Datum

Nachzahlung des Familienzuschlags vom … bis zum …

Personalnummer …

*Datum der Verpartnerung: …

* letzter Tag des Monats, für den kein Familienzuschlag gezahlt worden ist: ...

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie haben mir nach der Gleichstellung der Lebenspartner*innen mit Ehegatten den Familienzuschlag nur ab dem # … Monat, Jahr … # nachgezahlt. Die Nachzahlung ab meiner Verpartnerung haben Sie abgelehnt,

# ... weil ich die Zahlung des Familienzuschlags nicht sofort nach meiner Verpartnerung beantragt hatte.
# ... weil Sie die Zahlung des Familienzuschlags bereits rechtskräftig abgelehnt hatten.

Inzwischen hat sich die Rechtslage dadurch geändert, dass ich am # … Datum … # meine Lebenspartnerschaft in eine Ehe habe umwandeln lassen. Eine Kopie der Eheurkunde füge ich bei.

Ich beantrage deshalb,

das Verfahren gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG Bund bzw. der entsprechenden Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes von # … Bundesland des Antragstellers … # wieder aufzugreifen, den ablehnenden Bescheid aufzuheben und die Nachzahlung des rückständigen Familienzuschlags zu bewilligen, weil sich die dem ablehnenden Bescheid zugrunde liegende Rechtslage nachträglich zu meinen Gunsten geändert hat.

1. Anspruchsgrundlage
Das ergibt sich aus Art. 3 Abs. 2 des "Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts" vom 20.07.2017 (BGBl. I S. 2787 - im Folgenden EheöffnungsG). Er bestimmt:

"Für die Rechte und Pflichten der Lebenspartner bleibt nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft weiterhin maßgebend." 

Das Gesetz zur Umsetzung des Eröffnungsgesetzes hat in § 20a Abs. 5 LPartG eine gleichlautende Bestimmung eingefügt. Sie lautet:

"Nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe ist für Rechte und Pflichten der Ehegatten der Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft maßgebend."

Art. 3 Abs. 2 Eheöffnungsgesetz wird in der Gesetzesbegründung wie folgt erläutert (BT-Drs. 18/6665 v. 11.11.2015, S.10):

"Nach der Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe haben die Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner die gleichen Rechte und Pflichten, als ob sie am Tag der Begründung der Lebenspartnerschaft geheiratet hätten. Damit wird die bestehende Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartnerinnen und Lebenspartner mit Ehegatten (…) rückwirkend beseitigt. Dies bedeutet, dass bestimmte sozial- und steuerrechtliche Entscheidungen neu getroffen werden müssen" (Hervorhebung nicht im Original) 

Der Gesetzgeber wollte also durch das Eheöffnungsgesetz die letzten Unterschiede zwischen Ehegatten und Lebenspartner*innen rückwirkend beseitigen. Zu diesem Zweck sollten bestimmte sozial- und steuerrechtliche Entscheidungen neu getroffen werden. Die rückwirkende Änderung von rechtkräftigen Verwaltungsakten ist im Einkommensteuerrecht in § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO und im Verwaltungsrecht in § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG Bund bzw. der entsprechenden Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes von # … Bundesland des Antragstellers … # vorgesehen.

Das Finanzgericht Hamburg hat die Rückwirkung des Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG für den Bereich des Steuerrechts durch Urteil vom 31.07.2018, Az. 1 K 92/18 bestätigt. Die Leitsätze des Urteils lauten:

  1. Ehegatten, die ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umgewandelt haben, können die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer auch für bereits bestandskräftig einzelveranlagte Jahre verlangen.
  2. Die Umwandlung einer Lebenspartnerschaft nach § 20a LPartG in eine Ehe ist ein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
  3. Die Rückwirkung ergibt sich aus Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG.
  4. "Bestandskraft" ist kein in dem Sinne tragendes Prinzip des Rechts, dass eine Änderung bestandskräftiger Bescheide infolge einer Gesetzesänderung immer nur mit ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung erfolgen kann.
  5. Bei rückwirkenden Änderungen aufgrund außersteuerrechtlicher Gesetze bedarf es grundsätzlich keiner weiteren gesetzlichen Anordnung der Durchbrechung der Bestandskraft (im Anschluss an BFH XI R 98/97 und BFH X R 5/88).

2. Reaktion der Steuerverwaltung auf das Urteil
Diese Rückwirkung passte der Steuerverwaltung nicht. Sie befürchtete hohe Rückforderungen und behauptete deshalb, eine rückwirkende Aufhebung schon bestandskräftiger Bescheide sei vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen. Das Hamburger Finanzamt musste deshalb gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg Revision einlegen. Das Revisionsverfahren trägt beim Bundesfinanzhof das Aktenzeichen III R 57/18.

Das Bundesfinanzministerium hat sogar versucht, seine Auffassung in den Entwurf des "Gesetzes zur Umsetzung des Eheöffnungsgesetzes" unterzubringen, siehe BT-Drs. 19/4670 v. 01.10.2018. Allerdings sollte dort Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG nicht ausdrücklich eingeschränkt werden. Darauf haben sich die beiden Fachministerien, das Bundesfinanzministerium und das Bundesjustizministerium, offenbar nicht einigen können. Sie haben stattdessen in den Gesetzentwurf einen höchst merkwürdigen Vorschlag aufgenommen:

In dem Entwurf wird Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG als § 20a Abs. 5 LPartG noch einmal wiederholt. Die beiden Vorschriften unterscheiden sich zwar im Wortlaut geringfügig, besagen aber inhaltlich dasselbe. Aber die Begründungen der beiden Vorschriften unterscheiden sich diametral.

Während in der Begründung von Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG gesagt wird, dass durch die Vorschrift die Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartner*innen mit Ehegatten rückwirkend beseitigt werde – deshalb müssten bestimmte sozial- und steuerrechtliche Entscheidungen neu getroffen werden – wird in der Begründung des Gesetzentwurfs zu dem inhaltlich gleichlautenden § 20a Abs. 5 LPartGE behauptet, dass die Vorschrift keine Rückwirkung habe. Die Bestandskraft von Bescheiden oder die Verjährung werde durch das Eheöffungsgesetz nicht durchbrochen.

Diese Begründung war so schon in dem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums enthalten. Das Finanzgericht Hamburg hat sie unter Randnote 26 seines Urteils vom 31.07.2018 als "nicht zutreffend" bezeichnet.

Die Betroffenen und ihre Verbände haben mit Briefen und Gesprächen immer wieder versucht, das Bundesfinanz- und das Bundesjustizministerium umzustimmen, und darauf hingewiesen, dass sie empört seien, dass ausgerechnet zwei SPD-geführte Ministerien die Gleichstellung wieder so torpedieren wie früher die CDU/CSU.

Das hatte schließlich Erfolg. Die Koalition hat eingelenkt und in das "Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften" vom 11.12.2018 (BGBl. I S. 2338) folgende Regelung aufgenommen (siehe Art. 13 des Gesetzes):  

Artikel 97 § 9 Absatz 5 EGAO
 (5) Wurde eine Lebenspartnerschaft bis zum 31. Dezember 2019 gemäß § 20a des Lebenspartnerschaftsgesetzes in eine Ehe umgewandelt, sind § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Satz 2 sowie § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden, soweit die Ehegatten bis zum 31. Dezember 2020 den Erlass, die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zur nachträglichen Berücksichtigung an eine Ehe anknüpfender und bislang nicht berücksichtigter Rechtsfolgen beantragt haben.

Das Gesetz ist am 15.12.2018 in Kraft getreten.

3. Begründung der Neuregelung
Die neue Regelung ist erst während der Beratung des Gesetzes im Finanzausschuss in das Gesetz eingefügt worden. Der Finanzausschuss hat sie in seiner "Beschlussempfehlung und Bericht" wie folgt begründet (BT-Drs. 19/5595 v. 07.11.2018, S. 88):

"Steuerrechtlich ist umstritten, ob diese Umwandlung der Lebenspartnerschaft ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Abgabenordnung (AO) darstellt oder nicht. Nach Auffassung der Bundesregierung stellt die Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe kein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung dar, weil die Steuergesetze zur Gleichstellung der Lebenspartnerinnen und Lebenspartner mit Ehegatten bereits entsprechend den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) angepasst wurden. (…) Durch die Entscheidungen des BVerfG sowie die im Anschluss vorgenommenen gesetzlichen Änderungen wurde erstmals eine neue Rechtslage geschaffen, die zu einer geänderten rechtlichen Beurteilung eines unveränderten Sachverhalts führte. Eine Ungleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern wurde bereits damals beseitigt, durch das Eheöffnungsgesetz konnte sich damit keine geänderte und außerdem auch noch rückwirkende Rechtslage ergeben. 

Im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit soll in Artikel 97 § 9 des Einführungsgesetz zur Abgabenordnung (EGAO) ausnahmsweise ausdrücklich gesetzlich bestimmt werden, dass § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Satz 2 sowie § 233a Absatz 2a AO entsprechend anzuwenden sind, wenn die Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe bis zum 31. Dezember 2019 erfolgt ist und die Ehegatten bis zum 31. Dezember 2020 gemeinsam den Erlass, die Aufhebung oder Änderung eines - konkret zu bezeichnenden - Steuerbescheids zwecks nachträglicher Berücksichtigung an eine Ehe anknüpfender, bislang aber noch nicht berücksichtigter Rechtsfolgen beantragt haben. Mit der Regelung soll es dem betroffenen Personenkreis innerhalb einer gesetzlich bestimmten Frist ermöglicht werden, die Anpassung von Steuerbescheiden ungeachtet zwischenzeitlich eingetretener Bestandskraft und Festsetzungsverjährung herbeizuführen. Die im Gesetz bestimmten Fristen sind ausreichend bemessen; sie haben zum Ziel, dass nach ihrem Ablauf Rechtsfrieden eintritt. Dies ist nicht zuletzt deshalb geboten, weil die Finanzbehörden die Steuerakten nach Ablauf einer angemessenen Aufbewahrungsfrist vernichten und die Anpassung der früheren Steuerbescheide damit faktisch häufig nicht mehr sachgerecht möglich ist."

Die Formulierung "im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit" soll wohl deutlich machen, warum sich die Koalition entschlossen hat, trotz der angeblich mangelnden Rückwirkung von Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG die Rückwirkung für bestandskräftige Steuerbescheide zu bestätigen. Das überzeugt nicht. Dafür hätte es genügt, dass die Steuerverwaltung den Ausgang des Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof abwartet.

Die Begründung trifft gleichwohl zu. Denn die Befristung des Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG für den Bereich des Steuerrechts dient tatsächlich der "Rechtsklarheit und Rechtssicherheit". Ohne diese Befristung hätten die Lebenspartner*innen die Umwandlung ihrer Lebenspartnerschaft in eine Ehe beliebig lang hinausschieben können. Danach hätten sie noch vier Jahre Zeit für den Antrag auf Aufhebung der bestandskräftigen Bescheide gehabt (§ 175 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). In der Begründung wird mit Recht darauf hingewiesen, dass diese uferlose Möglichkeit, abgeschlossene Vorgänge wieder aufzugreifen, nicht mit der Tatsache zu vereinbaren ist, dass "die Finanzbehörden die Steuerakten nach Ablauf einer angemessenen Aufbewahrungsfrist vernichten und die Anpassung der früheren Steuerbescheide damit faktisch häufig nicht mehr sachgerecht möglich ist".

Der Gesetzgeber hat somit die Neuregelung Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG für den Bereich des Steuerrechts aus Gründen der "Rechtsklarheit und Rechtssicherheit" befristet. Damit hat er aber zugleich die Rückwirkung der Regelung für bestandskräftige Bescheide im Übrigen bestätigt.

4. Folgerungen
Die Klarstellung durch den Gesetzgeber, dass die Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in einer Ehe aufgrund von Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 AO ist, hat zugleich die Auffassung bestätigt, dass die Umwandlung auch als Änderung der Rechtslage zugunsten der Ehegatten i.S.v. Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG Bund bzw. der entsprechenden Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes von # … Bundesland des Antragstellers… # angesehen werden muss. Eine nachträgliche Befristung des Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG war für den Bereich des Verwaltungsrechts nicht erforderlich, weil sie sich schon aus § 51 Abs. 3 VwVfG ergibt. Sie wäre im Übrigen durch den Bundesgesetzgeber nur für das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes möglich gewesen.

So sieht das auch das Bundesministerium des Innern für Bau und Heimat. Es hat entschieden, dass Ansprüche nach dem Bundesbesoldungsgesetz aufgrund des Eröffnungsgesetzes nunmehr zu erfüllen sind. Die Mitteilung des Bundesverwaltungsamts vom 13.02.2019 an einen Betroffenen, aus der das hervorgeht, füge ich bei.

5. Keine Verjährung
Mein Anspruch auf Nachzahlung des Familienzuschlags nach Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe ist nicht verjährt. Denn der Anspruch ist erst durch den Erlass des Eheöffnungsgesetzes und die Umwandlung meiner Lebenspartnerschaft in eine Ehe entstanden.

Sie können die Nachzahlung auch nicht mit der Begründung ablehnen, ich hätte den Anspruch nicht zeitnah geltend gemacht. 

Der vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Gesichtspunkt der "zeitnahen Geltendmachung" von Besoldungsansprüchen ist kein allgemeines, das wechselseitige Verhältnis zwischen Dienstherrn und Beamten gewissermaßen überwölbendes, für jegliche Fallgestaltungen geltendes Prinzip, sondern eine Ermächtigung an den Gesetzgeber. Er ist zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Gleichstellung von Beamten, die verfassungswidrig zu niedrig besoldet worden sind, davon abhängig zu machen, dass sie ihre Ansprüche zeitnah geltend gemacht haben.

Dementsprechend haben die Bundesländer Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg, Hessen, NRW, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Schleswig-Holstein ihre verpartnerten Beamten nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 2012 ohne jede Einschränkung beim Familienzuschlag rückwirkend mit Ehegatten gleichgestellt.

Die umfassende Gleichstellungsklausel des Art. 3 Abs. 2 des Eheöffnungsgesetzes erhält ebenfalls keine entsprechende Einschränkung. Im Gegenteil, in der Begründung der Regelung wird ausdrücklich gesagt, dass die fortbestehende Ungleichbehandlung von Lebenspartnern rückwirkend beseitigt werden soll und dass deshalb bestimmte Entscheidungen neu getroffen werden müssten. Deshalb können Sie die Zahlung des rückständigen Familienzuschlags nicht mit der Begründung verweigern, dass ich den Anspruch nicht zeitnah geltend gemacht habe.

Ich bitte, mir deshalb den rückständigen Familienzuschlag, wie beantragt, nachzuzahlen.

Mit freundlichen Grüßen

Anlage:

-----------------------

3. Antrag bereits gestellt (Mustertexte)

Wenn der Antrag auf Nachzahlung des rückständigen Familienzuschlags ab Verpartnerung bereits gestellt ist, kann zusätzlich folgendes Schreiben an die Besoldungsstelle geschickt werden. Nachfolgend sind zwei unterschiedliche Mustertexte, die jeweils den Fall abdecken, ob das Besoldungsamt bereits auf die Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg vom 31.07.2018 hingewiesen wurde (Mustertext 1) oder nicht (Mustertext 2).

Mustertext 1: Besoldungsstelle wurde bereits auf die Entscheidung des Finanzgerichts hingewiesen

Dieser Mustertext ist für den Fall, dass das Besoldungsamt bereits auf die Entscheidung des Finanzgerichts Hamburg vom 31.07.2018 hingewiesen wurde und darum gebeten wurde, die Sache bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs über die Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg ruhen zu lassen:

-----------------------

Anschrift der Besoldungsstelle

Datum

Mein Antrag vom … auf Nachzahlung des Familienzuschlags

Personalnummer ….

Ihr/Mein Schreiben vom …

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bitte Sie, nunmehr über meinen Antrag auf Nachzahlung des rückständigen Familienzuschlags zu entscheiden.

Der Bundesfinanzhof wird nicht mehr über die Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 31.07.2018 entscheiden, weil der Gesetzgeber durch eine Änderung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung die Auffassung des Finanzgerichts Hamburg bestätigt hat, dass die Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist.

Diese Gesetzesänderung hat folgende Vorgeschichte:

Der Steuerverwaltung passte die sich aus Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG ergebende Rückwirkung nicht. Sie befürchtete hohe Rückforderungen und behauptete deshalb, eine rückwirkende Aufhebung schon bestandskräftiger Bescheide sei vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen.

Das Bundesfinanzministerium hat sogar versucht, seine Auffassung in den Entwurf des "Gesetzes zur Umsetzung des Eheöffnungsgesetzes" unterzubringen, siehe BT-Drs. 19/4670 v. 01.10.2018. Allerdings sollte dort Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG nicht ausdrücklich eingeschränkt werden. Darauf haben sich die beiden Fachministerien, das Bundesfinanzministerium und das Bundesjustizministerium, offenbar nicht einigen können. Sie haben stattdessen in den Gesetzentwurf einen höchst merkwürdigen Vorschlag aufgenommen:

In dem Entwurf wird Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG als § 20a Abs. 5 LPartG noch einmal wiederholt. Die beiden Vorschriften unterscheiden sich zwar im Wortlaut geringfügig, besagen aber inhaltlich dasselbe. Aber die Begründungen der beiden Vorschriften unterscheiden sich diametral.

Während in der Begründung von Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG gesagt wird, dass durch die Vorschrift die Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartner*innen mit Ehegatten rückwirkend beseitigt werde – deshalb müssten bestimmte sozial- und steuerrechtliche Entscheidungen neu getroffen werden – wird in der Begründung des Gesetzentwurfs zu dem inhaltlich gleichlautenden § 20a Abs. 5 LPartGE behauptet, dass die Vorschrift keine Rückwirkung habe. Die Bestandskraft von Bescheiden oder die Verjährung werde durch das Eheöffungsgesetz nicht durchbrochen.

Diese Begründung war so schon in dem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums enthalten. Das Finanzgericht Hamburg hat sie unter Randnote 26 seines Urteils vom 31.07.2018 als "nicht zutreffend" bezeichnet.

Die Betroffenen und ihre Verbände haben mit Briefen und Gesprächen immer wieder versucht, das Bundesfinanz- und das Bundesjustizministerium umzustimmen, und darauf hingewiesen, dass sie empört seien, dass ausgerechnet zwei SPD-geführte Ministerien die Gleichstellung wieder so torpedieren wie früher die CDU/CSU.

Das hatte schließlich Erfolg. Die Koalition hat eingelenkt und in das "Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften" vom 11.12.2018 (BGBl. I S. 2338) folgende Regelung aufgenommen (siehe Art. 13 des Gesetzes):  

Artikel 97 § 9 Absatz 5 EGAO
(5) Wurde eine Lebenspartnerschaft bis zum 31. Dezember 2019 gemäß § 20a des Lebenspartnerschaftsgesetzes in eine Ehe umgewandelt, sind § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Satz 2 sowie § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden, soweit die Ehegatten bis zum 31. Dezember 2020 den Erlass, die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zur nachträglichen Berücksichtigung an eine Ehe anknüpfender und bislang nicht berücksichtigter Rechtsfolgen beantragt haben."

Das Gesetz ist am 15.12.2018 in Kraft getreten.

Die neue Regelung ist erst während der Beratung des Gesetzes im Finanzausschuss in das Gesetz eingefügt worden. Der Finanzausschuss hat sie in seiner "Beschlussempfehlung und Bericht" wie folgt begründet (BT-Drs. 19/5595 v. 07.11.2018, S. 88):

"Steuerrechtlich ist umstritten, ob diese Umwandlung der Lebenspartnerschaft ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Abgabenordnung (AO) darstellt oder nicht. Nach Auffassung der Bundesregierung stellt die Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe kein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung dar, weil die Steuergesetze zur Gleichstellung der Lebenspartnerinnen und Lebenspartner mit Ehegatten bereits entsprechend den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) angepasst wurden. (…) Durch die Entscheidungen des BVerfG sowie die im Anschluss vorgenommenen gesetzlichen Änderungen wurde erstmals eine neue Rechtslage geschaffen, die zu einer geänderten rechtlichen Beurteilung eines unveränderten Sachverhalts führte. Eine Ungleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern wurde bereits damals beseitigt, durch das Eheöffnungsgesetz konnte sich damit keine geänderte und außerdem auch noch rückwirkende Rechtslage ergeben. 

Im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit soll in Artikel 97 § 9 des Einführungsgesetz zur Abgabenordnung (EGAO) ausnahmsweise ausdrücklich gesetzlich bestimmt werden, dass § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Satz 2 sowie § 233a Absatz 2a AO entsprechend anzuwenden sind, wenn die Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe bis zum 31. Dezember 2019 erfolgt ist und die Ehegatten bis zum 31. Dezember 2020 gemeinsam den Erlass, die Aufhebung oder Änderung eines - konkret zu bezeichnenden - Steuerbescheids zwecks nachträglicher Berücksichtigung an eine Ehe anknüpfender, bislang aber noch nicht berücksichtigter Rechtsfolgen beantragt haben. Mit der Regelung soll es dem betroffenen Personenkreis innerhalb einer gesetzlich bestimmten Frist ermöglicht werden, die Anpassung von Steuerbescheiden ungeachtet zwischenzeitlich eingetretener Bestandskraft und Festsetzungsverjährung herbeizuführen. Die im Gesetz bestimmten Fristen sind ausreichend bemessen; sie haben zum Ziel, dass nach ihrem Ablauf Rechtsfrieden eintritt. Dies ist nicht zuletzt deshalb geboten, weil die Finanzbehörden die Steuerakten nach Ablauf einer angemessenen Aufbewahrungsfrist vernichten und die Anpassung der früheren Steuerbescheide damit faktisch häufig nicht mehr sachgerecht möglich ist."

Die Formulierung "im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit" soll wohl deutlich machen, warum sich die Koalition entschlossen hat, trotz der angeblich mangelnden Rückwirkung von Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG die Rückwirkung für bestandskräftige Steuerbescheide zu bestätigen. Das überzeugt nicht. Dafür hätte es genügt, dass die Steuerverwaltung den Ausgang des Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof abwartet.

Die Begründung trifft gleichwohl zu. Denn die Befristung des Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG für den Bereich des Steuerrechts dient tatsächlich der "Rechtsklarheit und Rechtssicherheit". Ohne diese Befristung hätten die Lebenspartner*innen die Umwandlung ihrer Lebenspartnerschaft in eine Ehe beliebig lang hinausschieben können. Danach hätten sie noch vier Jahre Zeit für den Antrag auf Aufhebung der bestandskräftigen Bescheide gehabt (§ 175 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). In der Begründung wird mit Recht darauf hingewiesen, dass diese uferlose Möglichkeit, abgeschlossene Vorgänge wieder aufzugreifen, nicht mit der Tatsache zu vereinbaren ist, dass "die Finanzbehörden die Steuerakten nach Ablauf einer angemessenen Aufbewahrungsfrist vernichten und die Anpassung der früheren Steuerbescheide damit faktisch häufig nicht mehr sachgerecht möglich ist".

Der Gesetzgeber hat somit die Neuregelung Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG für den Bereich des Steuerrechts aus Gründen der "Rechtsklarheit und Rechtssicherheit" befristet. Damit hat er aber zugleich die Rückwirkung der Regelung für bestandskräftige Bescheide im Übrigen bestätigt.

Die Klarstellung durch den Gesetzgeber, dass die Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in einer Ehe aufgrund von Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 AO ist, hat zugleich die Auffassung bestätigt, dass die Umwandlung auch als Änderung der Rechtslage zugunsten der Ehegatten i.S.v. Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG Bund bzw. der entsprechenden Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes von # … Bundesland des Antragstellers … # angesehen werden muss. Eine nachträgliche Befristung des Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG war für den Bereich des Verwaltungsrechts nicht erforderlich, weil sie sich schon aus § 51 Abs. 3 VwVfG ergibt. Sie wäre im Übrigen durch den Bundesgesetzgeber nur für das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes möglich gewesen.

So sieht das auch das Bundesministerium des Innern für Bau und Heimat. Es hat entschieden, dass Ansprüche nach dem Bundesbesoldungsgesetz aufgrund des Eröffnungsgesetzes nunmehr zu erfüllen sind. Die Mitteilung des Bundesverwaltungsamts vom 13.02.2019 an einen Betroffenen, aus der das hervorgeht, füge ich bei.

Mein Anspruch auf Nachzahlung des Familienzuschlags nach Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe ist nicht verjährt. Denn der Anspruch ist erst durch den Erlass des Eheöffnungsgesetzes und die Umwandlung meiner Lebenspartnerschaft in eine Ehe entstanden.

Sie können die Nachzahlung auch nicht mit der Begründung ablehnen, ich hätte den Anspruch nicht zeitnah geltend gemacht. 

Der vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Gesichtspunkt der "zeitnahen Geltendmachung" von Besoldungsansprüchen ist kein allgemeines, das wechselseitige Verhältnis zwischen Dienstherrn und Beamten gewissermaßen überwölbendes, für jegliche Fallgestaltungen geltendes Prinzip, sondern eine Ermächtigung an den Gesetzgeber. Er ist zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Gleichstellung von Beamten, die verfassungswidrig zu niedrig besoldet worden sind, davon abhängig zu machen, dass sie ihre Ansprüche zeitnah geltend gemacht haben.

Dementsprechend haben die Bundesländer Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg, Hessen, NRW, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Schleswig-Holstein ihre verpartnerten Beamten nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 2012 ohne jede Einschränkung beim Familienzuschlag rückwirkend mit Ehegatten gleichgestellt.

Die umfassende Gleichstellungsklausel des Art. 3 Abs. 2 des Eheöffnungsgesetzes erhält ebenfalls keine entsprechende Einschränkung. Im Gegenteil, in der Begründung der Regelung wird ausdrücklich gesagt, dass die fortbestehende Ungleichbehandlung von Lebenspartnern rückwirkend beseitigt werden soll und dass deshalb bestimmte Entscheidungen neu getroffen werden müssten. Deshalb können Sie die Zahlung des rückständigen Familienzuschlags nicht mit der Begründung verweigern, dass ich den Anspruch nicht zeitnah geltend gemacht habe.

Ich bitte, mir deshalb den rückständigen Familienzuschlag, wie beantragt, nachzuzahlen.

Mit freundlichen Grüßen

Anlage:

-----------------------

Mustertext 2: Besoldungsstelle wurde bislang noch nicht auf das Urteil des Finanzgerichts hingewiesen

Wenn das Besoldungsamt bisher noch nicht auf das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 31.07.2018 hingewiesen wurde, kann ein Schreiben wie folgt an das Besoldungsamt gerichtet werden:

-----------------------

Anschrift der Besoldungsstelle

Datum

Mein Antrag vom … auf Nachzahlung des Familienzuschlags

Personalnummer ….

Ihr/Mein Schreiben vom …

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bitte Sie, nunmehr über meinen Antrag auf Nachzahlung des rückständigen Familienzuschlags zu entscheiden.

Das Finanzgericht Hamburg hat die Rückwirkung des Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG für den Bereich des Steuerrechts durch Urteil vom 31.07.2018, Az. 1 K 92/18 bestätigt. Die Leitsätze des Urteils lauten:

  1. Ehegatten, die ihre Lebenspartnerschaft in eine Ehe umgewandelt haben, können die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer auch für bereits bestandskräftig einzelveranlagte Jahre verlangen.
  2. Die Umwandlung einer Lebenspartnerschaft nach § 20a LPartG in eine Ehe ist ein rückwirkendes Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
  3. Die Rückwirkung ergibt sich aus Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG.
  4. "Bestandskraft" ist kein in dem Sinne tragendes Prinzip des Rechts, dass eine Änderung bestandskräftiger Bescheide infolge einer Gesetzesänderung immer nur mit ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung erfolgen kann.
  5. Bei rückwirkenden Änderungen aufgrund außersteuerrechtlicher Gesetze bedarf es grundsätzlich keiner weiteren gesetzlichen Anordnung der Durchbrechung der Bestandskraft (im Anschluss an BFH XI R 98/97 und BFH X R 5/88).

Der Gesetzgeber hat inzwischen durch eine Änderung des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung die Auffassung des Finanzgerichts Hamburg bestätigt, dass die Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist.

Diese Gesetzesänderung hat folgende Vorgeschichte:

Die sich aus Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG ergebende Rückwirkung passte der Steuerverwaltung nicht. Sie befürchtete hohe Rückforderungen und behauptete deshalb, eine rückwirkende Aufhebung schon bestandskräftiger Bescheide sei vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen.

Das Bundesfinanzministerium hat sogar versucht, seine Auffassung in den Entwurf des "Gesetzes zur Umsetzung des Eheöffnungsgesetzes" unterzubringen, siehe BT-Drs. 19/4670 v. 01.10.2018. Allerdings sollte dort Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG nicht ausdrücklich eingeschränkt werden. Darauf haben sich die beiden Fachministerien, das Bundesfinanzministerium und das Bundesjustizministerium, offenbar nicht einigen können. Sie haben stattdessen in den Gesetzentwurf einen höchst merkwürdigen Vorschlag aufgenommen:

In dem Entwurf wird Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG als § 20a Abs. 5 LPartG noch einmal wiederholt. Die beiden Vorschriften unterscheiden sich zwar im Wortlaut geringfügig, besagen aber inhaltlich dasselbe. Aber die Begründungen der beiden Vorschriften unterscheiden sich diametral.

Während in der Begründung von Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG gesagt wird, dass durch die Vorschrift die Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartner*innen mit Ehegatten rückwirkend beseitigt werde – deshalb müssten bestimmte sozial- und steuerrechtliche Entscheidungen neu getroffen werden – wird in der Begründung des Gesetzentwurfs zu dem inhaltlich gleichlautenden § 20a Abs. 5 LPartGE behauptet, dass die Vorschrift keine Rückwirkung habe. Die Bestandskraft von Bescheiden oder die Verjährung werde durch das Eheöffungsgesetz nicht durchbrochen.

Diese Begründung war so schon in dem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums enthalten. Das Finanzgericht Hamburg hat sie unter Randnote 26 seines Urteils vom 31.07.2018 als "nicht zutreffend" bezeichnet.

Die Betroffenen und ihre Verbände haben mit Briefen und Gesprächen immer wieder versucht, das Bundesfinanz- und das Bundesjustizministerium umzustimmen, und darauf hingewiesen, dass sie empört seien, dass ausgerechnet zwei SPD-geführte Ministerien die Gleichstellung wieder so torpedieren wie früher die CDU/CSU.

Das hatte schließlich Erfolg. Die Koalition hat eingelenkt und in das "Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften" vom 11.12.2018 (BGBl. I S. 2338) folgende Regelung aufgenommen (siehe Art. 13 des Gesetzes):  

Artikel 97 § 9 Absatz 5 EGAO
(5) Wurde eine Lebenspartnerschaft bis zum 31. Dezember 2019 gemäß § 20a des Lebenspartnerschaftsgesetzes in eine Ehe umgewandelt, sind § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Satz 2 sowie § 233a Absatz 2a der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden, soweit die Ehegatten bis zum 31. Dezember 2020 den Erlass, die Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zur nachträglichen Berücksichtigung an eine Ehe anknüpfender und bislang nicht berücksichtigter Rechtsfolgen beantragt haben."

Das Gesetz ist am 15.12.2018 in Kraft getreten.

Die neue Regelung ist erst während der Beratung des Gesetzes im Finanzausschuss in das Gesetz eingefügt worden. Der Finanzausschuss hat sie in seiner "Beschlussempfehlung und Bericht" wie folgt begründet (BT-Drs. 19/5595 v. 07.11.2018, S. 88):

"Steuerrechtlich ist umstritten, ob diese Umwandlung der Lebenspartnerschaft ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Abgabenordnung (AO) darstellt oder nicht. Nach Auffassung der Bundesregierung stellt die Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in eine Ehe kein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung dar, weil die Steuergesetze zur Gleichstellung der Lebenspartnerinnen und Lebenspartner mit Ehegatten bereits entsprechend den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) angepasst wurden. (…) Durch die Entscheidungen des BVerfG sowie die im Anschluss vorgenommenen gesetzlichen Änderungen wurde erstmals eine neue Rechtslage geschaffen, die zu einer geänderten rechtlichen Beurteilung eines unveränderten Sachverhalts führte. Eine Ungleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern wurde bereits damals beseitigt, durch das Eheöffnungsgesetz konnte sich damit keine geänderte und außerdem auch noch rückwirkende Rechtslage ergeben. 

Im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit soll in Artikel 97 § 9 des Einführungsgesetz zur Abgabenordnung (EGAO) ausnahmsweise ausdrücklich gesetzlich bestimmt werden, dass § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Satz 2 sowie § 233a Absatz 2a AO entsprechend anzuwenden sind, wenn die Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe bis zum 31. Dezember 2019 erfolgt ist und die Ehegatten bis zum 31. Dezember 2020 gemeinsam den Erlass, die Aufhebung oder Änderung eines - konkret zu bezeichnenden - Steuerbescheids zwecks nachträglicher Berücksichtigung an eine Ehe anknüpfender, bislang aber noch nicht berücksichtigter Rechtsfolgen beantragt haben. Mit der Regelung soll es dem betroffenen Personenkreis innerhalb einer gesetzlich bestimmten Frist ermöglicht werden, die Anpassung von Steuerbescheiden ungeachtet zwischenzeitlich eingetretener Bestandskraft und Festsetzungsverjährung herbeizuführen. Die im Gesetz bestimmten Fristen sind ausreichend bemessen; sie haben zum Ziel, dass nach ihrem Ablauf Rechtsfrieden eintritt. Dies ist nicht zuletzt deshalb geboten, weil die Finanzbehörden die Steuerakten nach Ablauf einer angemessenen Aufbewahrungsfrist vernichten und die Anpassung der früheren Steuerbescheide damit faktisch häufig nicht mehr sachgerecht möglich ist."

Die Formulierung "im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit" soll wohl deutlich machen, warum sich die Koalition entschlossen hat, trotz der angeblich mangelnden Rückwirkung von Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG die Rückwirkung für bestandskräftige Steuerbescheide zu bestätigen. Das überzeugt nicht. Dafür hätte es genügt, dass die Steuerverwaltung den Ausgang des Revisionsverfahren vor dem Bundesfinanzhof abwartet.

Die Begründung trifft gleichwohl zu. Denn die Befristung des Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG für den Bereich des Steuerrechts dient tatsächlich der "Rechtsklarheit und Rechtssicherheit". Ohne diese Befristung hätten die Lebenspartner*innen die Umwandlung ihrer Lebenspartnerschaft in eine Ehe beliebig lang hinausschieben können. Danach hätten sie noch vier Jahre Zeit für den Antrag auf Aufhebung der bestandskräftigen Bescheide gehabt (§ 175 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). In der Begründung wird mit Recht darauf hingewiesen, dass diese uferlose Möglichkeit, abgeschlossene Vorgänge wieder aufzugreifen, nicht mit der Tatsache zu vereinbaren ist, dass "die Finanzbehörden die Steuerakten nach Ablauf einer angemessenen Aufbewahrungsfrist vernichten und die Anpassung der früheren Steuerbescheide damit faktisch häufig nicht mehr sachgerecht möglich ist".

Der Gesetzgeber hat somit die Neuregelung Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG für den Bereich des Steuerrechts aus Gründen der "Rechtsklarheit und Rechtssicherheit" befristet. Damit hat er aber zugleich die Rückwirkung der Regelung für bestandskräftige Bescheide im Übrigen bestätigt.

Die Klarstellung durch den Gesetzgeber, dass die Umwandlung einer Lebenspartnerschaft in einer Ehe aufgrund von Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 AO ist, hat zugleich die Auffassung bestätigt, dass die Umwandlung auch als Änderung der Rechtslage zugunsten der Ehegatten i.S.v. Art. 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG Bund bzw. der entsprechenden Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes von # … Bundesland des Antragstellers … # angesehen werden muss. Eine nachträgliche Befristung des Art. 3 Abs. 2 EheöffnungsG war für den Bereich des Verwaltungsrechts nicht erforderlich, weil sie sich schon aus § 51 Abs. 3 VwVfG ergibt. Sie wäre im Übrigen durch den Bundesgesetzgeber nur für das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes möglich gewesen.

So sieht das auch das Bundesministerium des Innern für Bau und Heimat. Es hat entschieden, dass Ansprüche nach dem Bundesbesoldungsgesetz aufgrund des Eröffnungsgesetzes nunmehr zu erfüllen sind. Die Mitteilung des Bundesverwaltungsamts vom 13.02.2019 an einen Betroffenen, aus der das hervorgeht, füge ich bei.

Mein Anspruch auf Nachzahlung des Familienzuschlags nach Umwandlung der Lebenspartnerschaft in eine Ehe ist nicht verjährt. Denn der Anspruch ist erst durch den Erlass des Eheöffnungsgesetzes und die Umwandlung meiner Lebenspartnerschaft in eine Ehe entstanden.

Sie können die Nachzahlung auch nicht mit der Begründung ablehnen, ich hätte den Anspruch nicht zeitnah geltend gemacht. 

Der vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Gesichtspunkt der "zeitnahen Geltendmachung" von Besoldungsansprüchen ist kein allgemeines, das wechselseitige Verhältnis zwischen Dienstherrn und Beamten gewissermaßen überwölbendes, für jegliche Fallgestaltungen geltendes Prinzip, sondern eine Ermächtigung an den Gesetzgeber. Er ist zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, die Gleichstellung von Beamten, die verfassungswidrig zu niedrig besoldet worden sind, davon abhängig zu machen, dass sie ihre Ansprüche zeitnah geltend gemacht haben.

Dementsprechend haben die Bundesländer Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg, Hessen, NRW, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Schleswig-Holstein ihre verpartnerten Beamten nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 2012 ohne jede Einschränkung beim Familienzuschlag rückwirkend mit Ehegatten gleichgestellt.

Die umfassende Gleichstellungsklausel des Art. 3 Abs. 2 des Eheöffnungsgesetzes erhält ebenfalls keine entsprechende Einschränkung. Im Gegenteil, in der Begründung der Regelung wird ausdrücklich gesagt, dass die fortbestehende Ungleichbehandlung von Lebenspartnern rückwirkend beseitigt werden soll und dass deshalb bestimmte Entscheidungen neu getroffen werden müssten. Deshalb können Sie die Zahlung des rückständigen Familienzuschlags nicht mit der Begründung verweigern, dass ich den Anspruch nicht zeitnah geltend gemacht habe.

Ich bitte, mir deshalb den rückständigen Familienzuschlag, wie beantragt, nachzuzahlen.

Mit freundlichen Grüßen

Anlage:

-----------------------

Stand der Bearbeitung: 30.12.2020

4. Weiterführende Informationen