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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD⁺)

"Wir müssen dringend reden"

Rede von Pressesprecher*in Kerstin Thost vor dem Konrad-Adenauer-Haus am Berliner Winter-CSD

Heute stehen hier 10.000 LSBTIQ* Schulter an Schulter. Unsere Forderungen sind klar und rechtsstaatliche Prinzipien auf unserer Seite. Unsere Rechte sind Menschenrechte. Und Menschenrechte sind der Kern der Demokratie.

CDU/ CSU, wir müssen dringend reden. Ihr Schulterschluss mit der AfD vorletzte Woche war inakzeptabel. Dieser Wahlkampf darf nicht länger auf dem Rücken von Geflüchteten sowie trans* und nicht-binären Menschen ausgetragen werden.

Wie könnt ihr es wagen, uns nicht-binäre Menschen durch Verbote geschlechtersensibler Sprache noch unsichtbarer machen zu wollen? Geschlechtersensible Sprache führt zu Sichtbarkeit und stellt die Weichen für gesellschaftliche Teilhabe; Frauen, auch die in der Union, wissen, was es bedeutet hat, lange bestenfalls mitgemeint zu werden. Wir sehen jede Person selbst in der Verantwortung, respektvoll und wertschätzend miteinander und übereinander zu sprechen. Sprachzwänge jedoch schränken die Meinungsfreiheit ein. Wie können Sie behaupten, gegen angebliche Sprechverbote zu sein, und dann selbst welche einführen wollen? Dass es mehr als zwei Geschlechter gibt, ist wissenschaftliche, verfassungsrechtliche und soziale Realität. Es gab uns immer, und es wird uns immer geben.

Wie können Sie es wagen, das Selbstbestimmungsgesetz rückabwickeln zu wollen, kaum dass die ersten Personen es nutzen konnten? Das Selbstbestimmungsgesetz ist ein menschenrechtlicher Fortschritt, der jahrzehntelange Bevormundung beendet. Statt es abzuschaffen, muss das SBGG gezielt dort verbessert werden, wo noch Diskriminierungen bestehen. Mit der Forderung nach der Abschaffung des SBGG steht das CDU/CSU-Wahlprogramm in einer Reihe mit BSW und AfD. Das ist kein „Politikwechsel“, sondern realitätsfern und reaktionär.

Die Rechte von trans* und migrantisierten Personen wieder einzuschränken zu wollen, schützt nicht vor einem Erstarken von Rechtsaußen. Menschenrechte sind unveräußerlich und unteilbar – wer einmal anfängt, sie auszuhöhlen, bringt uns alle in Gefahr. Wenn wir in die Geschichte oder aktuell in andere Länder schauen, dann sehen wir, dass als nächstes auch die Gleichstellung von Frauen und homosexuellen Personen, die sich jetzt noch in Sicherheit wähnen, auf dem Spiel stehen wird.

Die Debatten um angebliche "woke" Sprachverbote und um beschworene Gefahr durch trans* Personen ist politisch gezielt aufgebauscht. Sie lenkt als Teil eines inszenierten Kulturkampfes gegen Menschenrechte von konkreten Missständen ab – und von Maßnahmen, die wirklich etwas verändern könnten. Liebe Politik, wir müssen unter anderem Hasskriminalität gegen LSBTIQ* konsequent begegnen und unsere Community- und Beratungsstrukturen für die Zukunft absichern. CDU/ CSU, mit dem Widerstand gegen die Anpassung von Artikel 3 unseres Grundgesetzes stehen Sie auf der falschen Seite!

Populistische Kampagnen versuchen, marginalisierte Menschen für gesellschaftliche Spaltung verantwortlich zu machen, während gleichzeitig ihre Rechte beschnitten werden. Hört auf, Öl in dieses Feuer zu gießen. Die gewaltvollen Worte in diesem Diskurs führen zu handfester Gewalt gegen queere Menschen. CDU/ CSU, noch gibt es einen Weg zurück. Noch können Sie den Weg, den Sie gerade beschreiten, wechseln. Sie können die Angebote zum Dialog mit der queeren Community annehmen. Redet mit uns, nicht über uns!

Heute stehen hier 10.000 LSBTIQ* Schulter an Schulter. Wir geben uns gegenseitig Hoffnung in diesen bedrohlichen Zeiten, machen uns stärker, sichtbarer und geben uns den Mut, solidarisch füreinander einzustehen. Für alle Teile der Community. Unsere Forderungen sind klar und rechtsstaatliche Prinzipien auf unserer Seite. Unsere Rechte sind Menschenrechte. Und Menschenrechte sind der Kern der Demokratie.

Politische Verantwortung bedeutet, alle Menschen im Blick zu haben und nicht die Rechte einiger für die Privilegien anderer zu opfern. Es geht nicht um Nischenthemen oder angebliche Befindlichkeiten einer Minderheit, sondern um Grundrechte, Menschenwürde und Respekt. Lasst uns am 23.2. gemeinsam über das Schicksal unserer Demokratie entscheiden.

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Mehr Informationen zur Aktion: Wähl Liebe.