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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Recht

Ratgeber: Änderung des Namens und Personenstands/ Geschlechtseintrag nach dem Transsexuellen-Gesetz (TSG)

Voraussetzungen für die Namens- und Personenstandsänderung (Stand: 2022)

Ratgeber zum aktuellen Transsexuellen-Gesetz (TSG): Wie kann ich meinen Geschlechtseintrag bzw. Personenstand ändern? Welche Gutachten muss ich vorlegen? Was ist mit geschlechtsangleichenden medizinischen Behandlungen und Operationen? Wie bezahlt die Krankenkasse?

Inhalt

  1. Vorbemerkung
  2. Historisches: Das Transsexuellen-Gesetz (TSG)
  3. Vier mögliche Geschlechts-Einträge
  4. Antrag beim Amtsgericht
  5. Zwei Gutachten von zwei Sachverständigen
  6. Kritik an der Zwangs-Begutachtung
  7. Medizinische Transition: Geschlechtsangleichende Maßnahmen und Operationen / Kosten-Übernahme durch die Krankenkasse
  8. Definition von "Transsexualismus" als Krankheit
  9. Trans* in der (Hoch-)Schule
  10. Weiterlesen

1. Vorbemerkung

Sehr viele Menschen finden, dass der Begriff „Transsexualität“ irreführend und falsch ist. Denn es geht nicht um Sexualität, sondern um Geschlecht. Daher verwenden auch wir die Begriffe "transgeschlechtlich" oder "trans*". Das TSG ist jedoch ein Eigenname. Auch in Zitaten haben wir das Wort "transsexuell" unverändert gelassen.

Für eine Änderung des rechtlichen Geschlechts müssen trans* Menschen inzwischen keine geschlechts-angleichenden medizinischen Maßnahmen mehr durchgeführt haben. Somit ist die rechtliche Änderung des Vornamens und Geschlechts-Eintrags (rechtliche Transition) grundsätzlich getrennt von der Durchführung geschlechts-angleichender medizinischer Maßnahmen (medizinische Transition) zu betrachten.

Das bedeutet, dass eine rechtliche Änderung des Vornamens und des Geschlechts-Eintrags keine Voraussetzung für medizinische Behandlungen ist. Genauso sind medizinische Behandlungen auch keine Voraussetzung für eine rechtliche Änderung des Vornamens bzw. Geschlechts-Eintrags.

Das Transsexuellen-Gesetz regelt die rechtliche Transition. Über die medizinische Transition entscheiden Ärzt*innen.

2. Historisches: Das Transsexuellen-Gesetz (TSG)

Trans* Menschen müssen nach einer geschlechts-angleichenden Operation die Möglichkeit haben, ihr rechtliches Geschlecht und ihre Vornamen im Geburtenbuch ändern zu lassen. Das hat das Bundesverfassungs-Gericht 1978 entschieden (BVerfGE 49, 286). Diese Entscheidung hat der Gesetzgeber durch das Transsexuellen-Gesetz (TSG) vom 10.09.1980 umgesetzt. 

Im TSG wurden die Bedingungen definiert, wie trans* Menschen ihren Vornamen und Geschlechts-Eintrag ändern können. Das Bundesverfassungs-Gericht hat inzwischen die meisten dieser Vorschriften für verfassungswidrig erklärt. Darunter auch die Vorschrift, dass eine Änderung des rechtlichen Geschlechts nur möglich ist, wenn sich die Antragsteller*innen zuvor einer Sterilisation und einer geschlechts-angleichenden Operation unterzogen haben (§ 8 Voraussetzungen, Abs. 1, Nr. 3 und 4) (siehe unsere LSVD-Rechtsprechungsliste).

Als LSVD fordern wir schon seit langem, dass das TSG abgeschafft wird. Es muss durch ein Selbstbestimmungs-Gesetz ersetzt werden. Eine Vornamens- und Personenstands-Änderung sollte allein auf Antrag beim Standes-Amt möglich sein; ohne Zwangs-Beratungen, Gutachten, ärztliche Atteste oder Gerichts-Verfahren. 

3. Vier mögliche Geschlechts-Einträge

Durch das "Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben" vom 18.12.2018 kennt das deutsche Personenstands-Recht inzwischen drei mögliche positive Geschlechtseinträge - "männlich", "weiblich", "divers". Außerdem kann der Geschlechtseintrag offen gelassen werden.

Die mit diesem Gesetz ebenfalls neu eingeführte "Erklärung zur Geschlechtsangabe und Vornamensführung bei Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung" (§ 45b PStG) ist ein weiteres Verfahren, mit dem "Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung" ihren Vornamen und ihren Geschlechtseintrag rechtlich ändern können (Siehe LSVD-Ratgeber zu § 45b PStG).

Der Gesetzestext definiert "Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung" nicht. Ob dieses Verfahren daher trans Menschen offensteht, bleibt sehr umstritten. Es gibt trans* Menschen, die auf diesem Weg ihren Geschlechtseintrag geändert haben.

Zuletzt hat der Bundes-Gerichtshof (BGH) im April 2020 aber entschieden, dass nur intergeschlechtliche Menschen das Verfahren nach § 45b PStG offen steht. Der BGH hat so trans* Menschen auf das Verfahren nach dem TSG verwiesen. Am 15.05.2020 wurde eine entsprechende Verfassungs-Beschwerde gegen dieses Beschluss des BGH eingereicht. Wir unterstützen diese Beschwerde.

Der BGH hat in seinem Beschluss allerdings klargestellt, dass über das TSG auch die Streichung des Geschlechtseintrags bzw. eine Änderung zu "divers" möglich ist: 

"Das Transsexuellengesetz geht zwar von einem binärem Geschlechtssystem aus, wie sich schon dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 TSG (ebenso etwa § 1 Nr. 1 TSG) entnehmen lässt, der von "dem anderen Geschlecht" spricht. Die Vorschrift ist jedoch analog auf Fälle anwendbar, in denen sich biologisch weibliche - wie die hier antragstellende Person - oder männliche Personen keinem dieser beiden Geschlechter zugehörig fühlen." (BGH XII ZB 383/19).

4. Antrag beim Amtsgericht

Wenn trans* Menschen ihre Vornamen und/oder ihr rechtliches Geschlecht ändern lassen wollen, genügt ein Antrag beim zuständigen Amtsgericht. Das ist das Amtsgericht (siehe § 2 TSG), das seinen Sitz am Ort des Landgerichts hat. Sein Bezirk umfasst insoweit den Bezirk des Landgerichts.

Wenn an dem Ort mehrere Amtsgerichte bestehen, muss das betreffende Bundesland regeln, welches Amtsgericht zuständig ist.

Örtlich zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk die Antragsteller*innen ihren Wohnsitz haben. Falls ein solcher im Geltungsbereich dieses Gesetzes fehlt, gibt der gewöhnliche Aufenthalt den Ausschlag. Maßgebend ist der Zeitpunkt, in dem der Antrag eingereicht wird.

Sind die Antragsteller*innen deutsche Staatsangehörige und haben sie im Geltungsbereich dieses Gesetzes weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt, so ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin zuständig. Es kann die Sache aus wichtigen Gründen an ein anderes Gericht abgeben. Die Abgabeverfügung ist für dieses Gericht bindend.

Den Antrag können auch Ausländer*innen stellen (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 TSG), wenn sie

  • als Staatenlose oder heimatloser Ausländer*innen ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben,
  • als Asyl-Berechtigte oder ausländische Geflüchtete ihren Wohnsitz im Inland haben oder
  • als Ausländer*innen, dessen Heimatrecht keine diesem Gesetz vergleichbare Regelung kennt, ein unbefristetes Aufenthalts-Recht oder eine verlängerbare Aufenthalts-Erlaubnis besitzen und sich dauerhaft rechtmäßig im Inland aufhalten.

5. Gutachten von zwei Sachverständigen

§ 4 Abs. 3 TSG bestimmt, dass das Gericht vor einer Entscheidung die zwei Gutachten von zwei Sachverständigen einholen muss. Diese Sachverständigen müssen "aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer beruflichen Erfahrung mit den besonderen Problemen des Transsexualismus ausreichend vertraut" sein. Die Sachverständigen müssen auch dazu Stellung nehmen, "ob sich nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft das Zugehörigkeitsempfinden des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ändern wird".

Dabei gibt es regional Unterschiede, ob den Antragsteller*innen durch das Amtsgericht Sachverständige zugewiesen bekommen oder sie selbst diese benennen können. Zudem gibt es Fälle, in denen die Antragsteller*innen erklären mussten, dass zu den benannten Sachverständigen vorher kein Patient*innen-Verhältnis bestand.

Es ist üblich, dass die Gutachter*innen ein vom Geschlechts-Eintrag abweichendes Geschlechts-Empfinden bzw. eine abweichende Geschlechts-Identität nur bestätigen, wenn die Antragstellenden schon über einen langen Zeitraum hinweg so gelebt haben, wie das ihrer Geschlechts-Identität entspricht (sogenannter Alltagstest).

6. Kritik an der Zwangs-Begutachtung

Die Berliner Humboldt Universität hat 2017 im Auftrag des Bundes-Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ein Gutachten zum "Regelungs- und Reformbedarf für transgeschlechtliche Menschen" erstellt. Dort wird zu den zwei erforderlichen Gutachten ausgeführt (Seite 11/12):

"Die Ergebnisse der hier durchgeführten sowie anderer Erhebungen zeichneten ein Bild der Begutachtungsverfahren, das in vielen Fällen von unverhältnismäßigem Zeit- und Kostenaufwand sowie von entwürdigenden und diskriminierenden Erfahrungen geprägt ist und somit die antragstellenden Personen in ihren Grundrechten verletzt.

Das Begutachtungsverfahren wurde von den befragten Amtsgerichten als der die individuell variierende Verfahrensdauer (durchschnittlich 9,3 Monate bei einer Spanne von 5 bis 20 Monaten) maßgeblich beeinflussende Faktor benannt. Die Vorgabe von nicht nur einem, sondern sogar zwei Gutachten ist in der deutschen Rechtsordnung einzigartig und wird als nicht nachvollziehbar und Zeichen dafür gesehen, dass „das Kontrollbedürfnis […] bei Formulierung dieses Gesetzes sehr groß gewesen sein müsse.

Die Begutachtung wird häufig als entwürdigend empfunden. Erwachsene berichten, dass intime Details aus der Kindheit und der sexuellen Vergangenheit abgefragt werden. Nach heute geltenden diagnostischen Kriterien sind aber weder die psychosexuelle Entwicklung in der Kindheit noch die sexuelle Orientierung ausschlaggebend für die Frage, ob aktuell eine transgeschlechtliche Identität besteht. Kleidung, die nicht den Geschlechterstereotypen der zu begutachtenden Geschlechtsidentität entspricht, wird nach den Berichten von transgeschlechtlichen Personen häufig kommentiert, Hobbys und Alltagsgestaltung auf ihre Übereinstimmung mit Geschlechterstereotypen geprüft. Über einen Gutachter wird berichtet, er fordere zum Ausziehen des Pullovers auf und werfe einem Bälle zu, um die Stimmigkeit der Auszieh- und Auffang-Motorik zu beurteilen. Nicht selten müssen körperliche Untersuchungen mit erniedrigendem Charakter geduldet werden.

Dabei sehen sich die meisten Begutachteten diesen Situationen schutzlos ausgeliefert, da es in höchstem Maße unwahrscheinlich ist, dass das Gericht die beantragte Vornamens-/ Personenstandsänderung vornehmen wird, wenn die Gutachtenden nicht von der Transgeschlechtlichkeit überzeugt sind. Dieser 'Gate-Keeping-Effekt' kann dazu führen, dass antragstellende Personen während der Begutachtung aus Angst, die Begutachtenden nicht zu überzeugen, viel mehr intime Details erzählen, als sie eigentlich müssten. Dies verstärkt die Gefühle der Abhängigkeit und der Erniedrigung. (…)

Vonseiten der Begutachtenden selbst wird inzwischen verstärkt vertreten, die Begutachtungspflicht abzuschaffen. Die Begutachtung ergebe nur in unter 1% der Fälle eine Verneinung der nach § 4 TSG zu beantwortenden Frage nach einer höchstwahrscheinlich dauerhaft vorliegenden, seit drei Jahren bestehenden transsexuellen Prägung. Die Geschlechtsidentität eines Menschen könne ohnehin nicht fremdbegutachtet werden, die Begutachtung könne insofern nur wiedergeben, was der Mensch über sich selbst berichtet. Die seit Inkrafttreten des TSG erhobenen Verfahrenszahlen bestätigen dies. Die Rate der abgelehnten Anträge liegt seit Inkrafttreten des TSG bei unter 5%, Tendenz abnehmend.

Den niedrigen Ablehnungszahlen stehen die vorliegend erhobenen gemittelten Gesamtkosten von durchschnittlich 1.868 Euro pro TSG-Verfahren gegenüber, die entweder die antragstellenden Personen selbst zu tragen haben oder, im Falle von Verfahrenskostenhilfe ohne Ratenzahlung, die Justizkasse.“

(Hervorhebung nicht im Original)

Die in diesem Gutachten benannten Zahlen bezüglich der Ablehnung von Anträgen auf Personenstands-Änderungen beziehen sich auf unterschiedliche Zeiträume.

Die genannten 5% der abgelehnten Anträge beziehen sich auf den gesamten Zeitraum von 1978 bis 2014. Bis zum Jahr 2000 und insbesondere bis 1990 gab es höhere Ablehnungs-Quoten zwischen 3%-7%. Die jüngste Zahl bezieht sich auf den Zeitraum 2000-2014. Von den insgesamt 670 erfassten Anträge wurden weniger als 1% abgelehnt. (S. 210f.)

Trans* Menschen und ihre Verbände einschließlich des LSVD fordern deshalb schon seit langem eine Überarbeitung bzw. die Abschaffung des Transsexuellen-Gesetzes durch ein Selbstbestimmungs-Gesetz. Sie fordern eine Antrags-Lösung: Für die Änderung der Vornamen und/oder des rechtlichen Geschlechts soll ein Antrag beim Standesamt genügen.

7. Medizinische Transition: Geschlechts-angleichende Maßnahmen und Operationen

Für eine Änderung des rechtlichen Geschlechts müssen trans* Menschen ist seit 2011 keine geschlechts-angleichenden medizinischen Maßnahmen mehr durchgeführt haben.

Davor mussten sich alle trans* Menschen einem ihre äußeren Geschlechts-Organe verändernden operativen Eingriff unterzogen haben, durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungs-Bild des anderen Geschlechts erreicht worden ist und der sie dauernd fortpflanzungs-unfähig gemacht hat (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 und 4 TSG alter Fassung). Unabhängig davon, ob sie das wollten oder nicht, mussten sich trans* Personen operieren und sterilisieren lassen, wenn sie eine Änderung des Geschlechts-Eintrags anstrebten. Erst 2011 hat das Bundesverfassungs-Gericht diesen OP- und Sterilisations-Zwang für unvereinbar mit dem Grundgesetz bewertet.

Gleichwohl sind geschlechts-angleichende medizinische Maßnahmen für viele trans* Personen zwingende Voraussetzung für ihr Wohlbefinden und ihre mentale Gesundheit.

Aber es ist für trans* Menschen oftmals schwierig, gute Ärzt*innen zu finden. Außerdem gibt es immer wieder jahrelange Streitigkeiten mit der Krankenkasse über die Kosten-übernahme von geschlechts-angleichenden Maßnahmen und Operationen.

7.1 Gute Diagnostik, Beratung und Behandlung

Ob geschlechts-angleichende Maßnahmen durchgeführt werden, entscheiden allein Ärzt*innen durch eine sorgfältige und umfassende Diagnostik. Ob der Vorname bzw. Geschlechtseintrag geändert wurde oder geändert werden soll, ist für die Diagnose nicht ausschlaggebend.

2019 hat die Arbeits-Gemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fach-Gesellschaften (AWMF) die Leitlinie zu „Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Gesundheit: S3- Leitlinie zur Diagnostik, Beratung und Behandlung (S3-LL 2018) veröffentlicht. Als „standards of care“ soll sie Ärzt*innen eine Hilfestellung bei der Diagnostik und Durchführung von medizinischen geschlechts-angleichenden Maßnahmen sein.

An der Leitlinie hat auch der Bundesverband Trans* (BVT*) mitgearbeitet. Der BVT* hat dazu auch den Leitfaden Trans* Gesundheit in der Art einer Patient*innen-Leitlinie zur Leitlinie S3 herausgegeben.

Die Empfehlungen der Leitlinie beziehen sich an die medizinische Versorgung von binären wie non-binären trans* Menschen gleichermaßen. Die Leitlinie stellt auch klar, dass „Varianten der körperlichen Geschlechtsentwicklung (…) kein Ausschlusskriterium für eine Geschlechtsinkongruenz und/oder Geschlechtsdysphorie [sind]. Bei Varianten der körperlichen Geschlechtsentwicklung soll ergänzend die S2k-Leitlinie zu diesem Thema berücksichtigt werden (AWMF-Register Nr. 174/001).“ (S. 31)

Betont werden die Wichtigkeit und Notwendigkeit psycho-therapeutischer Begleitung und Alltags-Erfahrungen. Aber: Psycho-Therapie sollte „keinesfalls als Voraussetzung für körpermodifizierende Behandlungen gesehen werden“ (S.45).

Der sogenannte Alltagstest ist danach ebenfalls keine Voraussetzung für körper-verändernde Behandlungen wie Hormon-Behandlungen oder geschlechts-angleichende Operationen. Er kann aber „aufschlussreich“ sein für Entscheidungen für oder gegen transitions-unterstützende Behandlungen sowie für die Wahl der geeigneten Zeitpunkte. (S. 47).

Wir raten dazu, sich sowohl die Leitlinie der AWMF sowie den Leitfaden Trans* Gesundheit vom BVT* gründlich durchzulesen.

7.2 Kostenübernahme durch die Krankenkasse

Trans* Personen müssen regelmäßig mehrere Jahre warten, bis die Kostenübernahme für geschlechtsangleichende Operationen genehmigt wird. In vielen Fällen müssen trans* Personen nach wie vor kräftezehrende und kostspielige Rechtsstreitigkeiten mit den Krankenkassen führen, um die Kosten für geschlechtsangleichende Maßnahmen nicht selbst zu bezahlen.

Das Bundes-Sozialgericht hat 1987 entschieden (siehe unsere Rechtsprechungsliste), dass die gesetzliche Krankenversicherung eine geschlechts-angleichende Operation bezahlen muss, wenn eine trans* Person unter einem schweren Leidensdruck und unter extrem hoher Selbstmord-Gefahr steht und die geschlechtsangleichende Operation das einzige Mittel ist, um eine Linderung herbeizuführen. 

Dieselben Grundätze gelten für

  • Operationen zur Brustvergrößerung, (allerdings übernehmen die Kassen nach antrag und Begutachtung nur bis zu einer Körchengröße A. Ab Körbchengröße B ist keine Zahlung mehr vorgesehen)
  • Operationen zur Glättung allzu männlich wirkender Gesichtszüge, 
  • für die Barthaarentfernung durch Laserepilation oder durch Nadelepilation bei Versagen der Laserepilation (Die Kassen zahlen nur, wenn die Epilation von Ärzt*innen durchgeführt werden, nicht aber in Kosmetikstudios. Allerdings gibt es kaum Ärzt*innen, die die Barthaarentfernung anbieten. Ärzt*innen setzen zudem in der Regel auf Laserepilation, daher wird auch die teuere Nadelepilation selten bis nie von den Kassen bezahlt. Die Anerkennung weiterer Berufsgruppen wie Kosmetiker*innen müsste vom Gesetzgeber geregelt werden)
  • den Penoidaufbau (Phallo-Plastik), 
  • die stimmangleichende Behandlung einschließlich einer Stimmbandoperation und 
  • die Korrektur des Adamsapfels.

Siehe zu diesen Operationen die in unserer Rechtsprechungsliste zusammengestellten einschlägigen Urteile des Bundessozialgerichts, der Landessozialgerichte und der Sozialgerichte.

Als Voraussetzung gilt demnach die Diagnose von "Transsexualismus" nach Diagnoseschlüssel F64.0 des ICD-10-GM sowie eines hohen "Leidensdrucks", der sich psychotherapeutisch nicht auflösen lässt.

Ist der Leidensdruck allerdings so hoch, dass Suizidalität besteht, werden Anträge von den Krankenkassen abgelehnt, mit der Begründung, dass Betroffene zunächst stationär stabilisiert werden sollen. Gleichzeitig erhalten aber auch Betroffene, die infolgedessen stationär stabilisiert wurden, ebenfalls eine Ablehnung entsprechender Leistungen und sind so gezwungen, den Rechtsweg zu gehen.

Eigentlich benötigt die Krankenkasse zur Bewilligung mit dem Antrag zur Kosten-Übernahme nur den ausführlichen Nachweis über die Diagnose mit einem ärztlichem Kurz-Gutachten.

Die gesetzlichen Krankenkassen müssen über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang entscheiden.

Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Können die Krankenkasse diese Fristen nicht einhalten, müssen sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mitteilen. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. (§ 13 Abs. 3a SGB V)

In der Regel rufen Krankenkassen den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) in dem entsprechenden Bundesland an, um über den Antrag auf Kostenübernahme zu entscheiden.

Der Medizinische Dienst der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkasse (MDS-GVK) hat eine Begutachtungsanleitung veröffentlicht, der für die Krankenkassen und den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) als Orientierung bei der Bewilligung von beantragten medizinischen Leistungen dienen soll. Diese Anleitung bindet die MDKs in den Bundesländern, gleichwohl nutzen sie Handlungsspielräume unterschiedlich.

In der MDS-Anleitung ist festgelegt, wann und unter welchen Voraussetzungen Kosten übernommen und welche Nachweise dafür eingereicht werden. Dadurch wird der Zugang zu den medizinischen Leistungen geregelt. Der Rahmen, wann eine Kostenübernahme bewilligt wurde, ist durch die MDS-Richtlinie sehr eng gesteckt und wird den tatsächlichen Behandlungsbedarfen von trans* Personen oftmals nicht gerecht.

Bereits 2009 hat der MDK seiner Richtlinie „Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualität“ klargestellt, dass Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen unabhängig davon erbracht werden, ob eine Vornamensänderung nach dem TSG erfolgte (S. 12). Das TSG hat „keinerlei direkten Bezug zur psychischen und somatischen Behandlung Transsexueller mit Ausnahme der in § 8 TSG formulierten Voraussetzungen für die Personenstandsänderung (dauerhafte Fortpflanzungsunfähigkeit und ein die äußeren Geschlechtsmerkmale verändernder operativer Eingriff, durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden ist". (S. 11) Wie weiter oben erläutert, ist § 8 TSG nach einem Urteil des Bundes-Verfassungsgerichts von 2011 ungültig und nicht mehr anzuwenden.

2020 hat der MDS eine neue „Begutachtungsanleitung „Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualismus (ICD-10, F.64.0)“ veröffentlicht, die bis heute gilt.

In der Praxis gibt es jedoch Vermischungen, etwa wenn die Gutachten aus dem TSG-Verfahren herangezogen werden, um die Bewilligung medizinischer Maßnahmen zu prüfen. Es besteht aber ausdrücklich keine Pflicht, solche Gutachten und Atteste beim MDK vorzulegen. Auf Seite 9 heißt es dazu:

„Die im Rahmen des TSG-Verfahrens erstellten psychiatrischen bzw. psychologischen Gutachten zur Vornamens- und Personenstandsänderung nehmen auftragsgemäß keine Stellung zur medizinischen Indikation geschlechtsangleichender Maßnahmen, wenngleich deren Inhalte zu psychosozialer Anamnese und Diagnosefeststellung für die sozialmedizinische Begutachtung hilfreich sein können.“

Ausführlich wird ab S. 30ff aufgeführt, welche Befunde, Nachweise und Berichte dem MDK vorzulegen sind. Auch hier heißt es, dass die im Zuge der Vornamens- und Personenstands-Änderung erstellten Gerichts-Gutachten nicht zwingend vorzulegen sind.

Obligate Unterlagen zur Begutachtung sind danach (s. Kapitel 2.5):

  • Ausführlicher psychiatrisch/psychotherapeutischer Befund- und Verlaufsbericht mit Angaben zu
    • Anamnese,
    • Diagnose und differentialdiagnostische Überlegungen,
    • begleitenden psychischen Störungen,
    • krankheitswertigem Leidensdruck,
    • Behandlung des Leidensdruckes,
    • Behandlung der Komorbiditäten (falls vorhanden),
    • Begleitung der Alltagserfahrungen,
  • Befundberichte zu somatischen Untersuchungsergebnissen (z.B. gynäkologisch, andrologisch, urologisch, endokrinologisch),
  • Psychiatrisch/psychotherapeutische Indikationsstellung zur medizinischen Notwendigkeit der beantragten geschlechtsangleichenden Maßnahme,
  • Somatisch-ärztliche Indikationsstellung durch die/den die beantragte geschlechtsangleichende Maßnahme durchführende Ärztin/Arzt inkl. Nachweis der Aufklärung,
  • Leistungsauszug der Krankenkasse der letzten fünf Jahre.

In letzter Zeit erreichen uns Anfragen von Personen, die ihren Vornamen und/oder Geschlechtseintrag nicht nach dem TSG, sondern nach § 45b PStG geändert haben. Dieser Weg über die Standesämter war bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22. April 2020 (BGH XII ZB 383/19) möglich. Seitdem wird die Änderung des Personenstandes durch Antrag beim Standesamt nach § 45b PStG ausdrücklich auf inter* Personen mit dem ärztlich nachgewiesenen Fehlen einer eindeutig weiblichen oder männlichen körperlichen Geschlechtszuordnung beschränkt.

Da für die Kostenübernahme von geschlechtsangleichenden Maßnahmen, wie oben dargelegt, die Gutachten aus dem TSG-Verfahren nicht zwingend erforderlich sind, darf eine nach § 45b PStG erfolgte Änderung des Vornamens und Geschlechtseintrag keine Auswirkungen auf die Entscheidung durch den MDK haben.

Ein wesentlich größeres Problem ist hingegen, dass nicht-binäre Geschlechtsidentitäten nach der Begutachtungsanleitung des MDS nicht als „Transsexualismus i.S. dieser BGA.“ (S. 14) gilt. Das heißt nicht-binäre trans* Menschen können sich nicht auf diese Begutachtungs-Anleitung berufen. Gegenwärtig gibt es keine Grundlage für die MDK, über Anträge von nicht-binären Menschen zu entscheiden.

Wenn also dem MDK im Kostenübernahmeverfahren ein Gutachten vorgelegt würde, in welchem die Person als nicht-binär bezeichnet wird, würde es Probleme mit der Bewilligung nach dieser Begutachtungsanleitung geben. Denn auf nicht-binäre Personen soll die Anleitung nicht anwendbar sein, und diese können sich darauf auch nicht berufen.

Wir können daher nicht ausschließen, dass ein Personenstand „divers“ als ein Indiz gegen die Diagnose „Transsexualität“ gewertet werden kann. Dieses Problem ergibt sich aber nur bedingt aus § 45b PStG. Denn eine Änderung in den dritten Geschlechtseintrag "Divers" ist laut der aktuellen BGH-Rechtsprechung inzwischen auch nach dem TSG möglich.

Unklar ist außerdem, was mit der Begutachtungs-Anleitung passiert, wenn ab 01.01.2022 der ICD-11 in Kraft tritt, da dieser die Diagnose "Transsexualismus" nicht mehr enthält. Dann kann es nur noch Diagnosen nach HA60 Geschlechtsinkongruenz geben. Die geltende Begutachtungs-Grundlage des MDS ist dann hinfällig.

Wichtig ist, dass die Begutachtungs-Anleitung des MDS eine Vorgabe ist, die in den MDK der jeweiligen Bundesländer unterschiedlich ausgelegt werden kann. In Berlin etwa spielt der Personenstand für die Bewilligung medizinischer Maßnahmen bislang keine Rolle.

Wir raten daher dazu, sich mit Fragen zur medizinischen Transition, Bewilligung der Kosten-Übernahmen und Details zur Antragstellung an regionale trans Beratungsstellen vor Ort zu wenden, z.B. die regionalen Mitglieds-Organisationen des Bundesverband Trans bzw. der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti). Dort gibt es Erfahrungen spezifisch für das jeweilige Bundesland.

8. Definition von "Transsexualismus" als Krankheit

§ 295 SGB V bestimmt, dass die Ärzt*innen bei der Abrechnung ihrer Leistungen mit den gesetzlichen Krankenkassen ihre Diagnose nach der amtlichen deutschen Fassung der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-10-GM in der Version 2019, GM steht für Germania) verschlüsseln müssen. Dort wird "Transsexualismus" unter dem Oberbegriff "Störungen der Geschlechtsidentität" unter dem Diagnoseschlüssel "F 64.0" aufgeführt. 

Trans* Menschen und ihre Verbände einschließlich des LSVD haben sich über lange Zeit hinweg gegen die Auffassung gewehrt, dass "Transsexualismus" eine "krankhafte" Störung der Geschlechts-Identität sei. Das Bundes-Gesundheits-Ministerium hatte damals auf Anfrage des LSVD erklärt, dass die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten von geschlechts-angleichenden Behandlungen und Eingriffen nicht mehr zu übernehmen brauche. Denn dann sei "Transsexualismus" als Krankheit aus dem ICD gestrichen.

Das Problem ist inzwischen wie folgt gelöst worden: Die Welt-Gesundheits-Organisation hat im Juni 2018 den neuen ICD-11 bekanntgegeben und den Mitglied-Staaten auf der Die Weltgesundheits-Versammlung hat den ICD-11 im Mai 2019 angenommen. Er soll am 01.01.2022 in Kraft treten.

Im ICD-11 wird Transsexualismus nicht mehr als Geschlechts-Identitäts-Störung zu den Persönlichkeits- und Verhaltens-Störungen gerechnet. In einem neuen Abschnitt "Conditions related to sexual health" gibt es stattdessen die Bezeichnung "gender incongruence" ("geschlechtliche Nicht-Übereinstimmung"). Gender incongruence wird wertfrei als Zustand bezeichnet, der medizinisch von Belang ist. Damit soll die empfundene Zugehörigkeit zum anderen Geschlecht entpathologisiert werden. Gleichzeitig wird so auch ein Zustand beschrieben, der eine medizinische Behandlung rechtfertigen kann.

Unklar ist jedoch, was mit der Begutachtungs-Anleitung passiert, wenn ab 01.01.2022 der ICD-11 in Kraft tritt, da dieser die Diagnose "Transsexualismus" nicht mehr enthält. Dann kann es nur noch Diagnosen nach HA60 Geschlechts-Inkongruenz geben. Die geltende Begutachtungs-Grundlage des Medizinische Dienst der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkasse (MDS-GVK) ist dann hinfällig.

Siehe zu dem Problem auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Günen: "Auswirkungen der ICD 11 der Weltgesundheitsorganisation auf das Transsexuellenrecht in Deutschland" - BT-Drs. 19/4128 v. 03.09.2018.

9.  Trans* in der (Hoch-) Schule

Viele (Hoch-)Schulen sind unsicher im Umgang mit trans* Kindern und Studierenden, insbesondere, ob sie den selbstgewählten Namen vor einer gerichtlichen Änderung anerkennen dürfen.

Aus rechtlicher Sicht spricht jedoch nichts dagegen, dass (Hoch-) Schulen auch vor oder ohne eine gerichtliche Namens-Änderung bzw. Personenstands-Änderung den selbstgewählten Namen bzw. Personenstand verwenden. Eine Rechtspflicht hierzu besteht allerdings nicht.

Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf einer rechtlichen Einschätzung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und einem Rechtsgutachten der Rechtsanwältin Maria Sabine Augstein.

9.1 Kleidung in der Schule

Die Schul-Leitung kann einem Kind nicht untersagen, sich entsprechend seinem Zugehörigkeits-Empfinden zu kleiden. Für ein solches Verbot gibt es keine Rechts-Grundlage. Diese wäre jedoch zwingend erforderlich, denn ein solches Verbot greift in die grundrechtlich gesicherte Handlungs-Freiheit des Kindes (Art. 2 Abs. 1 GG) ein.

Die Schulgesetze und Verordnungen der Länder enthalten keine Rechts-Grundlage für eine solche Regelung. Da es an einer übergeordneten gesetzlichen Grundlage fehlt, ist auch ein Verbot in der Hausordnung der Schule unwirksam.

9.2 Verwendung des selbstgewählten Namens in (hoch-)schulinternen Angelegenheiten

Es gibt keine Rechts-Vorschriften, die es einer (Hoch-)Schule untersagen, den selbstgewählten Namen von Schüler*innen vor einer gerichtlichen Namens-Änderung zu verwenden.

Trans* Personen sind grundsätzlich befugt, auch vor oder ohne gerichtliche Namens-Änderung mündlich und schriftlich unter dem selbstgewählten Namen aufzutreten und sich mit diesem anreden zu lassen. Eine allgemeine rechtliche Verpflichtung zur Nennung des amtlichen Namens gibt es nicht.

Der amtliche Name muss vielmehr nur in bestimmten, gesetzlich festgelegten Ausnahme-Fällen angegeben werden (zum Beispiel Zeug*innen vor Gericht, § 153 ff. StGB, Angaben gegenüber Behörden in bestimmten Fällen (insbesondere gegenüber der Polizei), § 111 Abs. 1 OWiG, Führung eines Bankkontos, § 154 AO). Im (Hoch-)Schulalltag und in (hoch-)schul-internen Angelegenheiten gibt es keine entsprechende gesetzlich vorgesehene Pflicht zur Führung des amtlichen Namens.

Der selbst gewählte Namevon Schüler*innen kann deshalb von der (Hoch-)Schule ohne rechtliche Bedenken auch schon vor einer gerichtlichen Namens-Änderung verwendet werden. Das betrifft die Führung von (Hoch-)Schulunterlagen, die Immatrikulation oder etwa die Anrede in E-Mails oder in Vorlesungen bzw. im Unterricht.

Den (Hoch-)Schulen steht es frei, in ihren internen Richtlinien Vorschriften für die Ansprache von (Hoch-)Schüler*innen entsprechend ihrer Geschlechts-Identität zu erlassen.

Es spricht daher aus unserer Sicht auch nichts dagegen, den selbst gewählten Namen bereits bei der Anmeldung / Immatrikulation bzw. Einschulung anzugeben. Dann können die internen Unterlagen der (Hoch-)Schule von Anfang an in diesem Namen geführt werden. Diese Ausführungen gelten ebenso für die Geschlechts-Zugehörigkeit.

7.3 Ausstellen von Bescheinigungen (Zeugnissen) mit dem selbstgewählten Namen

(Hoch-)Schulbescheinigungen, wie Zeugnisse oder (Hoch-)Schulausweise, können grundsätzlich auch ohne gerichtliche Namens-Änderung auf den selbstgewählten Namen ausgestellt werden. Ob diese Bescheinigungen von Dritten im Rechtsverkehr anerkannt werden, ist eine andere Frage. Aus rechtlicher Sicht spricht nichts dagegen.

A. Rechtliche Zulässigkeit

Einige (Hoch-)Schulen verweigern das Ausstellen von Bescheinigungen mit dem selbstgewählten Namen wegen strafrechtlicher Bedenken. Sie behaupten oder befürchten oft, es könne sich um eine Urkunden-Fälschung handeln.

Das stimmt aber nicht: Aus strafrechtlicher Sicht ist sowohl das Ausstellen von Bescheinigungen mit dem selbstgewählten Namen unproblematisch, auch ohne gerichtliche Namens-Änderung.

Es handelt es sich weder um Urkunden-Fälschung noch um Falsch-Beurkundung im Amt oder Betrug.

  • Eine Urkunden-Fälschung (§ 267 StGB) liegt nicht vor. Eine Urkunden-Fälschung ist gegeben, wenn eine Urkunde über den oder die Aussteller*in der Urkunde täuscht: Wenn also die Urkunde von jemand anderem stammt, als sie erkennen lässt. Urkunden-Fälschung wäre also zum Beispiel, wenn eine Schülerin ein Zeugnis mit ihrem selbstgewählten Namen anfertigt oder ihren Namen in einem von der Schule ausgestellten Zeugnis oder Schulausweis verändert. Keine Urkunden-Fälschung ist es, wenn die Schule Bescheinigungen mit dem selbstgewählten Namen der Schülerin ausstellt oder alte Bescheinigungen ändert oder erneut ausstellt. Die Bescheinigungen werden trotzdem durch die Schule ausgestellt, wie eindeutig aus ihnen hervorgeht. Es liegt deshalb keine Täuschung über die Ausstellerin und damit keine Urkundenfälschung vor.
  • Eine Falsch-Beurkundung im Amt (§ 348 StGB) liegt auch nicht vor. Diese setzt voraus, dass ein Amtsträger eine rechtlich erhebliche Tatsache falsch beurkundet. Die Falschbeurkundung muss sich zudem gerade auf die Tatsache beziehen, für die sie Beweis erbringen soll. (Hoch-)Schulbescheinigungen wie Zeugnisse und Schulausweise dienen aber nicht dem Beweis, dass der angegebene Name und die angegebene Geschlechts-Zugehörigkeit des Inhabers der Bescheinigung auch die amtlich geführten sind. Vielmehr dienen sie dem Nachweis der erbrachten Leistungen bzw. dem Nachweis der Immatrikulation / Schulzugehörigkeit. Insofern liegt keine Falsch-Beurkundung im Amt vor.
  • Ein Betrug (§ 263 StGB) kommt von vornherein nicht in Betracht. Ein Betrug setzt die Absicht voraus, sich oder Dritten einen rechtswidrigen Vermögens-Vorteil zu verschaffen. Der oder die Schüler*in verschafft sich aber keine Vermögens-Vorteile durch die Verwendung des selbstgewählten Namens. Geht es zum Beispiel um einen Schüler- oder Studierenden-Rabatt, so steht dieser den (Hoch-) Schüler*innen unabhängig davon zu, welchen Namen sie führen.

Darüber hinaus kann es im Einzelnen von landesrechtlichen Vorgaben abhängen, ob die (Hoch-)Schule Bescheinigungen vor bzw. ohne gerichtliche Namensänderung mit dem selbstgewählten Namen ausstellen darf.

Diese Ausführungen gelten ebenso für die Geschlechtszugehörigkeit.

B. Anerkennung durch Dritte

Aus rechtlicher Sicht bestehen grundsätzlich keine Bedenken gegen die Anerkennung von Bescheinigungen, die auf den selbstgewählten Namen einer trans* Person ausgestellt sind. Wichtig ist, dass der oder die Inhaber*in der Bescheinigung zweifelsfrei identifiziert werden kann.

Um die Identifizierung zu erleichtern, ist es empfehlenswert, auf der Bescheinigung oder in einem zusätzlichen Dokument zusätzliche Personenstands-Daten anzugeben, zum Beispiel Geburtsdaten, Familienstand, Staatsangehörigkeit, Nummer des Personalausweises oder eines anderen Legitimationspapiers.

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