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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD⁺)

Stellungnahme des LSVD⁺ – Verband Queere Vielfalt

Zum Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern „Verordnung zur Umsetzung des Gesetzes über Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag im Meldewesen“

Das Bundesministerium des Innern und für Heimat hat einen Entwurf einer Änderungsverordnung im Meldewesen zur Änderung der Ersten und Zweiten Bundesmeldedatenübermittlungsverordnung, der Bundesmeldedatenabrufverordnung und der Bundesmeldedatendigitalisierungsverordnung vorgelegt, zu dem wir im Folgenden Stellung nehmen. 

Inhalt: Der Entwurf sieht eine Änderung des Meldewesens vor, mit der drei neue Datenblätter für den bis zu einer Änderung nach SBGG eingetragenen Geschlechtseintrag (0702), für das Datum der Änderung (0703) sowie die zuständige Behörde und das Aktenzeichen (0704) in den Datensatz für das Meldewesen aufgenommen sowie die Übermittlung der früheren Vornamen (Datenblätter 0304 und 0305) ausgeweitet werden sollen. Außerdem wird die Übermittlung dieser Daten von den Meldebehörden an die Rentenversicherung und das Bundeszentralamt für Steuern ermöglicht.  Anlass der Änderungen ist das Inkrafttreten des Selbstbestimmungsgesetzes (SBGG; S. 1). 

Ausweichlich der Gesetzesbegründung soll qualitativer Nutzen der Änderung sein, dass Personen, die ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen geändert haben, in verschiedenen amtlichen Registern und amtlichen Informationssystemen weiterhin identifiziert werden können und ihre Identität nachvollziehbar ist (S.1). Zudem soll die Durchsetzung des Offenbarungsverbots durch Kenntlichmachung der Änderung ermöglicht werden (S. 11, 12.) 

Die Änderungen sollen zum 1. November 2026 in Kraft treten. 

Kritik an Regelung im Wege einer Verordnung 

Gemäß § 10 Abs. 1 S. 2 SBGG bleiben bisherige Einträge in den Registern erhalten, um die Identität einer Person sicherstellen zu können. D.h. auch bislang blieb der ehemalige Geschlechtseintrag im Register erfasst. Die “Datenspur” und damit auch die Identität einer Person bleibt stets nachvollziehbar. Neu ist, dass es ein eigenes Datenblatt für den vor der Änderung nach SBGG eingetragenen Geschlechtseintrag geben soll. Dadurch wird besonders hervorgehoben, dass die betreffende Person ihren Geschlechtseintrag geändert hat. 

Diese Information ist besonders sensibel. Sie gehört zu den besonderen Kategorien personenbezogener Daten iSv Art. 9 Abs. 1 DSGVO und berührt die grundrechtlich geschützte Intimsphäre. Die Bedrohungslage durch Hasskriminalität und weltweite Einschränkungen der Menschenrechte von trans*, intergeschlechtlichen und nicht-binären Personen spitzt sich zu. Die Erfassung, Übermittlung und Offenbarung der sensiblen Informationen über frühere Geschlechtseinträge und Vornamen und damit stets auch über die Transgeschlechtlichkeit einer Person darf nur unter engen Voraussetzungen geschehen. Ein eigenes Datenblatt mit dem früheren Geschlechtseintrag hebt diese Tatsachen hingegen hervor. Aus dieser Grundrechtsrelevanz ergeben sich erhöhte Anforderungen an die demokratische Legitimation der Rechtsgrundlage. Die Regelung im Wege einer Verordnung kritisieren wir daher.  

Fehlende Notwendigkeit 

Änderungen von Vornamen und Geschlechtseintrag sind schon seit vielen Jahren nach TSG oder § 45b PStG möglich und werden nicht neu durch das Selbstbestimmungsgesetz eingeführt. In der Begründung der Verordnungsänderungen ist nicht ausgeführt, inwiefern eine Ausweitung der Datenerfassung und -übermittlung im Vergleich zur früheren Rechtslage notwendig und erforderlich ist, d.h. die Identifizierbarkeit der entsprechenden Personen durch die bisherige Rechtslage nicht möglich ist. Insofern ergeben sich verfassungsrechtliche Bedenken. Eine Ausnahme vom Offenbarungsverbot gilt gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SBGG nur, wenn im Rahmen der jeweiligen Aufgabenerfüllung von öffentlichen Stellen die Verarbeitung dieser Daten nach anderen Rechtsvorschriften erforderlich ist. Auch der in Art. 5 DSGVO normierte Grundsatz der Datenminimierung bestimmt, dass personenbezogene Daten nur zweckgebunden erhoben und verarbeitet werden dürfen. Inwiefern insbesondere der frühere Geschlechtseintrag für die genannten Zwecke, die Aufgabenerfüllung z.B. der Rentenversicherung und des Bundeszentralamts für Steuern relevant ist, wurde in der Begründung nicht hinreichend dargelegt. Die Rentenversicherung hält ohnehin regelmäßig eine ausführliche Versicherungshistorie vor, die auch ehemalige Namen und Geschlechtseinträge erfasst. 

Fehlende Erforderlichkeit 

Neben der Identifizierbarkeit wird die Durchsetzung des Offenbarungsverbots als Zweck der Ausweitung der Datenerhebung angegeben. Es erscheint paradox, dass das Offenbarungsverbot gerade durch eine Ausweitung der Speicherung und Übermittlung der Informationen sichergestellt werden soll. Dadurch entsteht faktisch ein Mechanismus, der das „alte Geschlecht“ dauerhaft mitführt, obwohl das SBGG gerade darauf abzielt, dass Menschen nach einer Änderung nicht mehr an ihren früheren Geschlechtseintrag gebunden sind. An dieser Stelle ist auf das Recht auf Löschung gemäß Art. 17 DSGVO hinzuweisen. Als milderes, gleich geeignetes Mittel, um die genannten Stellen darüber zu informieren, dass es sich um nach SBGG geänderte und damit besonders geschützte Daten handelt, könnten die neu eingeführten Datenblätter 0703 und 0704 mit Angabe der zuständigen Behörde und dem Datum sowie Aktenzeichen der Änderung ausreichen. Wir kritisieren, dass mildere Mittel nicht geprüft wurden.  

Aus den dargelegten Gründen betrachten wir die geplanten Änderungen als nicht notwendig, erforderlich und angesichts der Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter im Verhältnis zu den verfolgten Zwecken als nicht angemessen. Zudem kritisieren wir, dass die geplanten Änderungen im Wege einer Verordnung eingeführt werden sollen.