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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Was versprechen die Parteien LSBTI zur Bundestagswahl 2017?

Antworten der Parteien auf die Forderungen des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD)

Unter dem Motto „Blockaden brechen – Respekt wählen! Gemeinsam für Freiheit und gleiche Rechte“ erhebt der LSVD zur Bundestagswahl 2017 sieben Forderungen. Mit ihren Antworten auf unsere Wahlprüfsteine schnitten Linke und Grüne am besten ab, gefolgt von SPD und FDP. Weit abgeschlagen liegt die Union auf Platz fünf. Deutliches Schlusslicht ist jedoch die AfD.

Unter dem Motto „Blockaden brechen – Respekt wählen! Gemeinsam für Freiheit und gleiche Rechte“ erhebt der LSVD zur Bundestagswahl 2017 sieben Forderungen. Union, SPD, Linke, Grüne, FDP und AfD wurden zu ihren Positionen befragt. Ihre Antworten haben wir ausgewertet und veröffentlicht. Am besten schnitten Linke und Grüne ab, gefolgt von SPD und FDP. Weit abgeschlagen liegt die Union auf Platz fünf. Deutliches Schlusslicht ist jedoch die AfD.

Als einzige Partei will die AfD bestehende Bildungs- und Aktionspläne gegen Homo- und Transphobie beenden und das Antidiskriminierungsgesetz abschaffen. Diese homophobe Politik dokumentiert die AfD auch in der Beantwortung unserer Wahlprüfsteine: Sie möchte hart erkämpfte Rechte beschneiden und Erfolge in der Gleichstellung zurückdrehen.

1. Ein respektvolles gesellschaftliches Miteinander und Akzeptanz im Alltag stärken!

Diskriminierung und Ausgrenzung schaden dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ideologien der Ungleichwertigkeit, die Heterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit als alleinige Normen definieren, tabuisieren, werten ab und grenzen aus. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und Inter* (LSBTI) haben in den letzten Jahrzehnten viel an Akzeptanz erkämpft und gewonnen. Dennoch werden sie im Alltag auch heute noch oft als Menschen zweiter Klasse behandelt, verleugnet, beleidigt, verbal oder gar physisch bedroht und angegriffen. Das darf nicht hingenommen werden. Mehr erfahren

2. Volle Anerkennung von Regenbogenfamilien durchsetzen!*

Regenbogenfamilien sind rechtlich noch immer Familien zweiter Klasse. Das geht zu Lasten der Versorgung und Absicherung der Kinder in Regenbogenfamilien. Für den LSVD steht das Kindeswohl im Mittelpunkt.

Das Recht auf Familiengründung muss für alle gelten. Es gibt keinen sachlichen Grund, gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften die Familiengründung durch Adoption oder Insemination generell zu verwehren.

*Die Wahlprüfsteine wurden beim LSVD-Verbandstag Anfang April verabschiedet. Ursprünglich hieß die Forderung „Endlich #EheFürAlle und volle Anerkennung von Regenbogenfamilien durchsetzen“. Da die Ehe am 30.06.2017 auch für gleichgeschlechtliche Paare erlaubt wurde, entfällt dieser Punkt in unserer Auswertung.

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3. Diskriminierung gegen LSBTI* gesetzlich beseitigen!

Die Abschaffung von Ungleichbehandlungen und ein wirksamer Diskriminierungsschutz sind für den Zusammenhalt einer Gesellschaft unabdingbar. Die fehlende Berücksichtigung der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität in Art. 3, Abs. 3 des Grundgesetzes wirkt sich bis heute negativ auf die Lebenssituation von LSBTI aus. Der Gleichheitsartikel des Grundgesetzes muss um ein ausdrückliches Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität ergänzt werden.

Intergeschlechtliche haben als gleichberechtigte Menschen ein Recht auf freie Entfaltung und Entwicklung. Sie müssen einen angemessenen Platz in der Rechtsordnung erhalten. Es gibt keinen sachlichen Grund, warum Menschen nach deutschem Recht zwangsweise entweder männlich oder weiblich sein müssen.

Vorbilder für die Anerkennung der Geschlechtsidentität können die Rechtsordnungen von Argentinien oder Malta sein. Dort kann jeder Mensch die Änderung des Vornamens und des eingetragenen Geschlechts beantragen, wenn diese nicht mit der eigenen Geschlechtsidentität übereinstimmen. Anders als in Deutschland müssen Trans* keine demütigenden und langwierigen bürokratischen Verfahren mit zwei gerichtlich bestellten Begutachtungen überstehen.

Das 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) weist noch Lücken auf. Zudem blockiert Deutschland auf EU-Ebene seit Jahren eine Gleichbehandlung im Antidiskriminierungsrecht. Das geht nicht zuletzt zu Lasten der Rechte von LBSTI*, die ihn einer Reihe von EU-Mitgliedsstaaten noch erheblichen Diskriminierungen ausgesetzt sind.

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4. Das Recht auf Respekt in allen Lebensaltern verwirklichen!

Zwischen schulischen, familiären und gesellschaftlichen Anforderungen, Erwartungen und Abhängigkeiten haben Jugendliche besondere Herausforderungen und Konflikte zu meistern. In dieser Phase fällt für LSBTI zumeist ihr Coming-out, so dass ihre Lebenssituation zusätzlich durch den gesellschaftlichen, schulischen und elterlichen Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt geprägt ist. Es muss gezielt auf ein diskriminierungsfreies Umfeld auch für LSBTI-Jugendliche hingearbeitet werden.

Ähnliches gilt für die Gruppe der älteren und alten LSBTI. Einschränkungen von Mobilität und Gesundheit führen zu Verlust von Autonomie und sozialen Kontakten, der für LSBTI aufgrund ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität massive Auswirkungen hat. Zudem sind Frauen angesichts des Gender Pay Gaps in Erwerbsbiographien und Entlohnung und des daraus resultierenden Gender Pension Gaps stark von Altersarmut bedroht, was die Selbstbestimmungs- und Teilhabemöglichkeiten weiter einschränkt. Frauenpaare sind von Gender Pay Gap und Pension Gap potenziell doppelt betroffen. Sowohl die Angebote der offenen Altenhilfe als auch die ambulanten und stationären Angebote der Altenpflege sind zumeist nicht für die besonderen Bedürfnisse und Lebenslagen älterer LSBTI ausgerichtet. Aus Angst vor Vorbehalten und Diskriminierung durch die Mitarbeitenden oder Mitbewohner*innen werden wichtige und identitätsstiftende Aspekte der Biografie verschwiegen oder verleugnet. Das Recht auf ein angstfreies und offenes Leben sollte jedoch in allen Lebensphasen verwirklicht werden.

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5. Eine geschlechter- und diversitätsgerechte Gesundheitsversorgung sicherstellen!

Die historische und bis in die Gegenwart anhaltende Stigmatisierung und Pathologisierung von LSBTI hat nachhaltige psychosoziale Folgen für die Betroffenen. Wir fordern Psychologie und Medizin sowie alle im Gesundheitswesen tätigen Menschen, Organisationen und Institutionen auf, LSBTI vorurteilsfrei gegenüberzutreten. Wenn diese bei einem Praxisbesuch negative Reaktionen oder gar medizinische Gewalt befürchten müssen, dann beeinträchtigt das die gesundheitliche Versorgung massiv. Studien und Forschung über das Gesundheitsverhalten und die Gesundheitsversorgung von LSBTI fehlen nach wie vor.

Sogenannte „Umpolungs- und Konversionstherapien“, die vor allem von religiös-fundamentalistischen Organisationen angeboten werden, zielen ausgehend von einer Abwertung von Homosexualität und Transsexualität auf eine Änderung von Sexualverhalten, sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität ab und sind insbesondere für Jugendliche sehr belastend.

Intergeschlechtliche Menschen erleben das Gesundheitswesen oft als Ort der Gewalt. Ärzt*innen in Deutschland unternehmen bis heute unnötige Genitaloperationen an Kindern. Statt die Annahme natürlicher Zweigeschlechtlichkeit zu hinterfragen, werden Menschen „passend“ gemacht. Diese Operationen sind keine Heileingriffe, sondern verletzen das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde von intergeschlechtlichen Menschen und verstoßen gegen die UN-Kinderrechtskonvention.

Trans* Personen wird eine bestmögliche physische und seelische Gesundheit oftmals unmöglich gemacht. Die Psychopathologisierung von Transidentitäten und entwürdigende Zwangsbegutachtungen gehören abgeschafft. Trans* müssen das Recht haben, über ihren Körper selbst zu bestimmen. Die oft langwierigen Verfahren bei den Krankenkassen zur Kostenübernahme für geschlechtsangleichende Maßnahmen und Operationen müssen durch entsprechende Richtlinien vereinfacht, beschleunigt und vereinheitlicht werden.

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6. Eine LSBTI-inklusive Flüchtlings- und Integrationspolitik umsetzen!

Das gesellschaftliche Klima ist gespalten. Neben weiterhin großer Hilfsbereitschaft artikuliert sich oft offener Hass und es gibt ein erschreckendes Ausmaß rassistischer Angriffe auf Geflüchtete und Einrichtungen für geflüchtete Menschen. Das erleben auch LSBTI-Geflüchtete so. Zusätzlich machen sie nicht selten spezifische LSBTI feindliche Erfahrungen in den Unterkünften, im öffentlichen Raum oder im Asylverfahren. Weiterhin gibt es oft lange Wartezeiten beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Zudem ist die Qualität der BAMF-Entscheidungen oft mangelhaft, sodass Geflüchtete oftmals den Rechtsweg beschreiten müssen.

Geflüchtete aus den so genannten „sicheren Herkunftsstaaten“ treffen auf beschleunigte Verfahren, fehlende Beratung und eine Residenzpflicht in gesonderten Aufnahmeeinrichtungen. Sicherheit und faire Asylverfahren sind gerade für LSBTI-Geflüchtete massiv gefährdet. In Deutschland gelten einige Staaten trotz der dortigen Kriminalisierung von Homosexualität als „sichere Herkunftsstaaten“ oder sind für diese Einstufung im Gespräch. Wenn Verfolgerstaaten als „sicher“ bewertet werden, macht sich Deutschland im weltweiten Kampf um Entkriminalisierung unglaubwürdig.

Viele Flüchtlinge kommen aus Ländern, in denen sich demokratische Traditionen kaum entfalten konnten, in denen gleichgeschlechtliche Beziehungen strafrechtlich verboten sind und LSBTI staatlich und gesellschaftlich massiv verfolgt werden. Daher müssen sämtlichen Programme zur Integration und Materialien zum Spracherwerb darauf ausgerichtet sein, Demokratie und individuelle Freiheitsrechte zu fördern. Die Rechte von LSBTI müssen Regelthema in Integrations- und Sprachkursen werden und verpflichtenden angemessenen Raum erhalten.

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7. Menschenrechte von LSBTI in der Entwicklungszusammenarbeit und Außenpolitik fördern!

Gefängnis, Todesstrafe, Folter und Gewalt – in vielen Ländern müssen LSBTI in ständiger Gefahr und Angst leben. Politische und religiöse Führer schüren oft ein Klima des Hasses und der Verfolgung. Gewalttatenbleiben meist ungeahndet. Denn Polizei und andere Staatsorgane verweigern oftmals jede Hilfe oder sind selbst an der Hetze und Gewalt beteiligt. Trotzdem treten mutige Menschen heute auf allen Kontinenten für die Rechte von LSBTI ein und machen deutlich, dass die Menschenrechte für alle gelten. Als Menschenrechtsstiftung des LSVD unterstützt die „Hirschfeld-Eddy-Stiftung“ den weltweiten Kampf gegen brutale homophobe und transfeindliche Gesetze, staatliche Zensur und gesellschaftliche Ausgrenzung.

Der Regierungswechsel in den USA reißt auch im Bereich LSBTI-Politik eine schmerzhafte Lücke, die ausgefüllt werden muss. Die Bundesregierung muss sich zusammen mit der EU verstärkt auf diplomatischer Ebene für die Menschenrechte von LSBTI in aller Welt stark machen, etwa auf UN-Ebene und im Europarat. Zudem muss die Bundesregierung auch mehr finanzielle Unterstützung für LSBTI-Menschenrechtsprojekte im Globalen Süden und Osteuropa leisten.

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