Menu
Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Religion first?

Trump setzte auf Neuinterpretation der Menschenrechte

2019 gründete die Trump-Administrationdie „Commission on Unalien­able Rights“ („Kommission der unveräußerlichen Men­schen­­rech­te“), die klären soll, welche Rolle die Men­schen­rechte für die US-Außenpolitik haben. Genauer: Sie soll laut US-Außenminister Pompeo fest­stellen, welches Menschenrecht unveräußerlich ist und welches nicht.

Es muss schon ein besonderes Menschen­recht sein, wenn dazu Minister*innentreffen auf internationaler Ebene stattfinden. Noch dazu, wenn die US-Regierung einlädt, die ja ansonsten internationalen Zusammenschlüssen sehr skeptisch gegenübersteht. 2018 sind die USA aus dem UN-Menschenrechtsrat ausge­treten, jüngst wurden die Zahlungen an die Welt­gesundheitsorganisation WHO eingestellt (und selbst die Arbeit der Welthandelsorganisation wird blockiert). Aber dennoch organisiert Washington nun seit zwei Jahren ein Ministertreffen zur Religionsfreiheit. Auch Deutschland war vertreten, unter anderem durch einen Staatssekretär aus dem CSU-geführten Entwicklungsministerium (BMZ).

Die Hirschfeld-Eddy-Stiftung hatte deshalb in einem Schreiben an das BMZ gewarnt, keine Hierarchie zwischen der Religionsfreiheit und allen anderen Menschenrechten einzuführen. Wir haben auch daran erinnert, dass das Recht auf Religionsfreiheit auch das Recht umfasst, keinem Glauben anzuhängen und dass LSBTI regelmäßig an der Ausübung ihres Glaubens gehindert werden, indem sie z.B. in Kirchen nicht
will­kommen sind.

Religionsfreiheit als Stoppschild?

2019 gründete die Trump-Administration nun zudem die „Commission on Unalien­able Rights“ („Kommission der unveräußerlichen Men­schen­­rech­te“), die klären soll, welche Rolle die Men­schen­rechte für die US-Außenpolitik haben. Genauer: Sie soll laut US-Außenminister Pompeo fest­stellen, welches Menschenrecht unveräußerlich ist und welches nicht. Moment, es heißt doch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, dass sie alle gleich und unveräußerlich sind (Präambel). Und es ist doch gerade der Sinn von Menschenrechten, dass sie staatliches Handeln binden und nicht etwa umgekehrt.

Die Religionsfreiheit ist im Artikel 18 der All­gemeinen Erklärung der Menschenrechte for­muliert und in anderen Abkommen garantiert. Es ist eines der am meisten umkämpften Menschen­rechte. Bislang waren es vor allem Pakistan und Russ­land, die in den UN-Gremien intensiv versucht haben, unter Bezugnahme auf ihre Religion andere Menschenrechte zu beschränken, etwa das Recht auf Meinungsfreiheit (Artikel 19) oder das Diskriminierungsverbot (Artikel 2). Es wäre dramatisch, wenn die USA auf diese Linie einschwenken würden. „Manchmal wird Religions­frei­heit fälschlicherweise wie ein Stopp­­schild ein­ge­setzt“, schrieb vor Jahren schon Heiner Bielefeldt, früherer UN-Sonderberichterstatter für Religion.

Zuerst gegen Frauenrechte und LSBTI

Unsere Partner*innen aus den USA wehren sich bereits dagegen: Der Council for Global Equality (CGE) hat im März eine Klage gegen die Trump-Regierung eingereicht. Begründung: Die Gründung der „Kommission der unveräußerlichen Menschenrechte“ ist so unzulässig wie ihre Ausrichtung. Beides widerspricht geltendem Recht und unterminiert das anerkannte System der Menschenrechte. Julie Dorf vom CGE formuliert das so: „Das Außenministerium zielt darauf ab, den wachsenden Konsens zu untergraben, dass Menschenrechte für alle gelten. Pompeo greift den Multilateralismus an, um die Stimmen der Ultrakonservativen im eigenen Land zu sichern. Das kann global sehr gefährliche Auswirkungen haben.“

Ende April hat der LSVD gemeinsam mit unzähligen Organisationen aus aller Welt eine Petition an das State Department unterzeichnet, in der die Besorgnis vor einer Neuauslegung des internationalen Menschenrechtssystems durch die US-Administration zum Ausdruck gebracht wird.

Das alles sind keine akademischen Debatten, sondern sehr gefährliche Tendenzen mit dramatischen Auswirkungen: Die Zusammensetzung der Kommission zeigt deutlich, in welche Richtung es geht: Gegen sexuelle und reproduktive Ge­­sundheit und Rechte, gegen die Anerkennung der Menschenrechte von LSBTI. Schon der Name dieser neuen Kommission ist Neusprech: Die „Commission on Unalienable Rights“ ist eigentlich eher eine Kommission zur Einschränkung von Menschenrechten. Hoffen wir, dass der neue Präsident Joe Biden diese Entwicklung stoppen wird.

Sarah Kohrt
Hirschfeld-Eddy-Stiftung

Der Beitrag erschien auch in der neuen Ausgabe der LSVD-Zeitschrift respekt! vom Februar 2021.

Weiterlesen