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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Vielfalt stärken, Diskriminierung bekämpfen

IDAHOBIT und Diversity-Tag

Pressemitteilung vom 17.05.2021

In diesem Jahr fallen der IDAHOBIT, der internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit, und der deutsche Diversity-Tag, mit dem Unternehmen ein Zeichen für Vielfalt setzen, fast zusammen. Anlass für uns, das Thema Diskriminierung am Arbeitsplatz zum Schwerpunkt zu machen. Denn wie sonst üblich können wir auch im zweiten Jahr hintereinander Corona-bedingt leider nicht auf die Straße gehen und dort über Diskriminierung und Hasskriminalität informieren. Dafür haben wir bei der Organisation PROUT AT WORK und der LSBTTIQ-Mitarbeitenden-Gruppe von Porsche nachgefragt und Euch ein paar Zahlen zusammengestellt.

Die Akzeptanz von sexueller Identität und selbstbestimmter Geschlechtsidentität ist ein Menschenrecht. Das sehen sowohl unsere Gesetze als auch die internationalen Menschenrechte so vor. Trotzdem findet auch im Jahr 2021 noch Diskriminierung statt. Und Gewalt. Weltweit, auch bei uns in Deutschland. Gesetze bzw. deren Auslegung und Verfolgung der Straftaten sind teils zu lasch – oder es fehlt an wirksamem Diskriminierungsschutz.

2020 gab es mindestens drei schwulenfeindlich motivierte Morde. Alle drei Morde sind bislang nicht in der vom Bundesinnenministerium veröffentlichten Statistik zu Hasskriminalität gegen LSBTTIQ registriert. 782 Straftaten von Hasskriminalität gegen LSBTTIQ wurden 2020 vom Ministerium verzeichnet. Davon waren 154 Gewalttaten, 144 davon wurden als Körperverletzungen registriert. In einer EU-Erhebung ebenfalls vom vergangenen Jahr berichten 13% der befragten Deutschen, dass sie in den letzten fünf Jahren Gewalt erfahren haben, weil sie LSBTTIQ sind. Hass erfahren weit mehr, und vermutlich ist die Dunkelziffer hier extrem hoch. Ein Teufelskreis, denn wenn Homo- und Transfeindlichkeit, Diskriminierungen und Bedrohungen bagatellisiert oder sogar unsichtbar gemacht werden und Betroffene daher fürchten, von den Behörden nicht ernst genommen zu werden und keinen Schutzstatus und keine Hilfe zu erfahren, dann melden sie Übergriffe natürlich auch nicht. Deswegen versuchen wir auf Landesebene, aber auch der LSVD auf Bundesebene seit Jahren, bei Politik, Behörden und auch Medien zu sensibilisieren. LSBTTIQ-feindliche Gewalt ist keine Randerscheinung der Gesellschaft.

In Baden-Württemberg werden in der jährlichen Kriminalitätsstatistik des Innenministeriums zwar Taten aufgrund von homo- und transfeindlichen Motiven erfasst, aber nicht separat ausgewiesen. Auch ist die Frage der Einordnung von Hasskriminalität gegenüber LSBTTIQ bei den Beamt*innen und innerhalb der Polizeipräsidien im Land sehr unterschiedlich gelagert.

Geht es um Diskriminierungserfahrungen am Arbeitsplatz, im Verein oder Bereichen des Alltagslebens, so kann sich jede*r an die Landesantidiskriminierungsstelle des Sozialministeriums wenden. Jedoch ist hier im Bereich LSBTTIQ-Feindlichkeit oftmals schwer zu beweisen, dass ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eindeutig vorliegt. Eine Statistik in diesem Bereich über Anfragen, Fälle allgemein und Fälle, in denen wirklich geholfen werden konnte, liegt nicht vor; leider konnte eine Anfrage an das Sozialministerium Corona-bedingt auch nicht mehr zeitnah beantwortet werden. Und dann gibt es noch einen großen Bereich, wo das AGG nicht greift, aber dennoch natürlich Diskriminierung stattfindet: bei den Behörden selbst. Glücklicherweise verspricht hier die neue grün-schwarze Landesregierung die Schaffung eines Landesantidiskriminierungsgesetzes.

Fälle wie der eines LSVD-Mitglieds aus Heidelberg kommen dann hoffentlich nicht mehr vor bzw. könnte ihm dann geholfen werden. Weil er Nagellack trägt und aus seinem Schwulsein kein Geheimnis macht, wurde er bei seinem studentischen Nebenjob diskriminiert und bedrängt. „Ich wurde nur noch mit der weiblichen Form meines Namens gerufen. Ständig hat mich ein Kollege angefasst und umarmt und machte anzügliche Bemerkungen. Zudem stellten mir viele immer wieder grenzüberschreitende Fragen zu meinem Sexualleben.“ Er hat dann mit Beginn der Pandemie gekündigt und nun einen anderen Nebenjob gefunden. Aber dass er sich allein gelassen fühlte und nicht wusste, wo er sich wirksam hinwenden kann, beschäftigt unser Mitglied noch immer. Der LSVD Baden-Württemberg bekommt öfters solche Fälle geschildert. Wir versuchen dann, weiterzuvermitteln, unter anderem an die Antidiskriminierungsstelle des Landes oder an eine Beratungs- oder Schlichtungsstelle. Aber in der Tat ist es sehr schwierig, solche Situationen zu lösen – und im Straffall auch zur Verfolgung durch die Behörden bringen zu können.

Wie sieht es nun also ganz konkret in der Arbeitswelt aus? Wer kann hier am besten Anwalt von LSBTTIQ sein? Jeweils am Diversity-Tag zeigen Unternehmen, die der Charta der Vielfalt beigetreten sind, ihre eigene Vielfalt. Aber zu einem guten Diversity-Management gehört eben auch, sich mit den Schattenseiten zu beschäftigen. Was tun Unternehmen gegen Diskriminierung? Wir haben mit Albert Kehrer gesprochen. Albert ist Mit-Stifter und ehrenamtlicher Vorstand von PROUT AT WORK. Die gemeinnützige Stiftung setzt sich in ihrer Arbeit für die Chancengleichheit von LSBTTIQ am Arbeitsplatz ein. Über 50 Unternehmen arbeiten mit der Stiftung zusammen, für mehr Wertschätzung und weniger Diskriminierung. Albert hat vor fast 20 Jahren das LGBT-Netzwerk bei der IBM in Deutschland gegründet und engagiert sich seitdem bei diesem Thema. Er sagt, die Gründung der Stiftung 2013 hat dem Thema an sich enorm viel Schwung gegeben, und die Stiftung sei heute DER Think Tank zu LSBTTIQ am Arbeitsplatz in Deutschland.

Und wir haben mit Claudia Feiner gesprochen. Sie ist Gründerin des Mitarbeitenden-Netzwerks “Proud@Porsche” und hat ein unternehmensübergreifendes LSBTTIQ-Berufsnetzwerk für den Südwesten initiiert. Und dieses macht natürlich auch eine Aktion zum Diversity-Tag.

Celebrate Pride! Herzliche Grüße, Euer Vorstand

Brigitte Aichele-Frölich
Katharina Binder
Kerstin Fritzsche
Ulrike Goth
Anne Steiner

LSVD Baden-Württemberg

Pressekontakt

Pressesprecher*in Brigitte Aichele-Frölich

Lesben- und Schwulenverband in Deutschland e.V. (LSVD)
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Lange Str. 18
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Tel.: 01577 469 78 78 (ab: 17:00 Uhr )
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