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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Falsche Verzinsung bei rückwirkender Zusammenveranlagung ("Ehegattensplitting") nach Umwandlung in Ehe

LSVD fordert Finanzbehörden zur richtigen Berechnung auf

Bei der rückwirkenden steuerlichen Zusammenveranlagung (sog. „Ehegattensplitting“) nach Umwandlung von Lebenspartnerschaft in Ehe haben Finanzbehörden den Beginn des Zinslaufs auf die Steuererstattungen mitunter falsch berechnet. Der LSVD hat Landesregierungen zur Korrektur aufgefordert.

Taschenrechner, Münzen, Stift und Notizblock

Die Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Paare war ein Meilenstein im Kampf für gleiche Rechte für Lesben, Schwule und Bisexuelle. Mit der Eheöffnung gingen auch steuerrechtliche Maßnahmen für eine Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare einher. Dazu gehört auch die Möglichkeit der rückwirkenden steuerlichen Zusammenveranlagung. 

Rückwirkende Zusammenveranlagung ("Ehegattensplitting"): Beantragung bis zum 31.12.2020

Eingetragene Lebenspartnerschaften, die in eine Ehe umgewandelt wurden, konnten rückwirkend die steuerliche Zusammenveranlagung („Ehegattensplitting“) beantragen. Der Antrag musste bis zum 31.12.2020 gestellt werden. Das regelt Art. 97 § 9 Abs. 5 Einführungsgesetz zur Abgabenordnung (EGAO). 

Leider erreichen uns immer wieder Nachrichten von Paaren, die bei der Antragstellung auf Schwierigkeiten mit den Finanzämtern stoßen. Eine dieser Schwierigkeit ist der Beginn des Zinslaufs der Steuererstattung.

Falsche Berechnung der Zinsen auf die Steuererstattungen

Auf hohe Zinsen auf die Steuererstattungen können die meisten Paare nicht hoffen. Der Zinslauf beginnt nämlich erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist (Art. 97 § 9 Abs. 5 EGAO i.V.m. §§ 233a Abs. 2a und 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 Abgabenordnung). 

Doppelt ärgerlich ist deshalb, dass viele Finanzämter den Zeitpunkt, ab dem die Steuererstattung zu verzinsen ist, auch noch falsch berechnet haben, wie wir jetzt von Mitgliedern und Steuerberater*innen erfahren haben. 

Das rückwirkende Ereignis ist die Umwandlung der Lebenspartnerschaft in die Ehe. Das ergibt sich eindeutig aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/5595 v. 07.11.2018, S. 88). In manchen Bundesländern (u.a. Bayern und Hessen) legen die Finanzämter für den Beginn der Frist jedoch den Zeitpunkt der Antragstellung auf rückwirkende Zusammenveranlagung zugrunde. Zwischen diesen beiden Ereignissen können bis zu zwei Jahre liegen: die Umwandlung war erstmals 2018 möglich, die Beantragung der rückwirkenden Zusammenveranlagung war bis zum 31.12.2020 möglich (Art. 97 § 9 Abs. 5 EGAO).

Dies ist aus unserer Sicht aus den oben genannten Gründen rechtlich falsch: das rückwirkende Ereignis ist die Umwandlung der Lebenspartnerschaft, nicht die Antragstellung nach Art. 97 § 9 Abs. 5 EGAO.

Aufforderung an die Landesregierungen, die Zinsen richtig zu berechnen

Der LSVD hat die Finanzministerien und Finanzsenate der Bundesländer darauf hingewiesen, dass die Frist zum Teil falsch berechnet wird. In seinem Schreiben hat der LSVD die Finanzbehörden aufgefordert, ihre Rechtspraxis zu prüfen und, wenn notwendig, der geltenden Rechtslage entsprechend zu korrigieren. In einer gemeinsamen Stellungnahme haben uns das Bundesministerium der Finanzen und die obersten Finanzbehörden der Länder mitgeteilt, dass sie eine andere Auffassung vertreten und der Zinslauf richtig berechnet sei.

Was können Betroffene tun?

Wenn noch kein Steuerbescheid über die Zinsen ergangen ist oder dieser noch nicht bestandskräftig ist, können Betroffene auf die falsche Berechnung hinweisen und um richtige Berechnung bitten. Dazu kann auch auf das Schreiben des LSVD an die Finanzministerien und Finanzsenate hingewiesen werden. Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass die meisten Finanzämter sich an die Auffassung der obersten Finanzbehörden gebunden sehen. Dann bleibt nur der Rechtsweg vor die Finanzgerichte. Ob dies sinnvoll ist, sollte im Einzelfall mit anwaltlicher Beratung entschieden werden.

Sofern der Bescheid bereits bestandskräftig ist, kann nur noch versucht werden, das Finanzamt oder die übergeordnete Finanzbehörde zu einer Änderung aus Billigkeitsgründen zu bewegen. 

Betroffene sollten das für sie geeignete Vorgehen mit ihrem Steuerberater oder ihrer Steuerberaterin besprechen.

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