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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Von „Geschlechtsumwandlungen“ und „Schwulenehe“: Mediale Darstellung von LSBTI

Zwischen Unsichtbarkeit und Exotisierung: Mediale Darstellung von lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans Menschen

LSBTI kommen in der Berichterstattung kaum vor und wenn dann prägen Klischees und Stereotype die Narrative. Von "Dead Names", übergriffigen Fragen nach den Genitalien und dem Dilemma der Kampflesbe oder dem tuntigen Schwulen.

Migrant*innen mit Kopftuch, Menschen, die an Rollstühle “gefesselt” sind und Artikel über „Geschlechtsumwandlungen“ und „Schwulenparaden“. Allesamt so klischeehaft wie alltäglich in der Berichterstattung über sogenannte „Randgruppen“. Aber wie sind sie im Tagesgeschäft zu vermeiden? Dieser Frage gingen der LSVD, die Leidmedien und die Neuen Deutschen Medienmacher*innen in der gemeinsamen Veranstaltungsreihe „Die Salonfähigen“ in Berlin nach. Zusammen mit der Bundesvereinigung Trans* (BVT*) gestalteten wir dabei den Abend über Transgeschlechtlichkeit und Homo- bzw. Bisexualität.

Lebensnahe Berichterstattung statt exotisierende Narrative und falsche Pronomen

Nach der Begrüßung durch LSVD-Bundesvorständin Henny Engels und Mari Günter, Vorständin beim BVT* zeigte Caroline Ausserer die oftmals reißerischen Artikel über transgeschlechtliche Menschen auf. Die Nennung der alten Namen („dead names“), die Abbildung früherer Fotos, eine übergriffige Reduzierung auf Genitalien und die Verwendung falscher Personalpronomen prägen die medialen Narrative. Transgeschlechtlichkeit wird mit sexueller Orientierung durcheinander gebracht. Nicht-binäre Menschen kommen so gut wie nie vor.

Die Transition von Menschen wird als „Umwandlung“ beschrieben oder jemand wird „plötzlich zur Frau bzw. Mann“. Dabei erleben transgeschlechtliche Menschen ihr Coming-out und ihre Transition viel eher als Angleichung an ihre vielleicht lange Zeit verheimlichte Geschlechtsidentität.

Artikel über Transgeschlechtlichkeit wären vielmehr eine gute Gelegenheit, um über normierende Vorstellungen von Geschlecht bzw. von Weiblichkeit und Männlichkeit nachzudenken oder die Diagnose einer psychischen Störung als bis heute notwendiges Kriterium für eine Anerkennung der Geschlechtsidentität zu skandalisieren. Wünschenswert wäre es auch, über die Forderungen der Community oder anhaltende Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen zu berichten. Der BVT* fordert daher sachlich fundierte, differenzierte und lebensnahe Berichte über Trans* mit einer respektvollen Bebilderung.

Studie der MaLisaStiftung: Queere Menschen kommen in Film und Fernsehen nicht vor

Anschließend stellte LSVD-Pressesprecher Markus Ulrich Beobachtungen zur Darstellung von Homosexualität vor. Er verwies auf von der MaLisaStiftung initiierte Studie „Audiovisuelle Diversität? Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland” der Universität Rostock von 2017, die nach der Analyse von über 3.500 Stunden Fernsehprogramm aus dem Jahr 2016 sowie über 800 deutschsprachigen Kinofilmen aus den vergangenen sechs Jahren zu dem Ergebnis kam, dass 60% der Protagonist*innen heterosexuell waren, bei 40% der Protagonist*innen ist die Sexualität nicht erkennbar bzw. wurde nicht thematisiert. In nur wenigen Fällen kamen offen homosexuelle oder bisexuelle Protagonist*innen oder Akteur*innen vor.

Zudem werden über alle Fernseh-Programme hinweg zu 2/3 Männer gezeigt. Wenn Frauen vorkommen, dann als junge Frauen. Ab dem 30. Lebensjahr verschwinden Frauen sukzessive vom Bildschirm. Menschen mit sichtbarem Migrationshintergrund werden nur halb so häufig im Fernsehen gezeigt, wie sie in der Bevölkerung vertreten sind. Diese Ungleichheiten aufgrund anderer Kategorien sozialer Differenz bilden sich dann auch in der Berichterstattung über Lesben und Schwule ab.

Berichterstattung wird der Vielfalt in der LSBTI-Community nicht gerecht

Gibt man Homosexualität in die Bildersuchprogramme ein, erscheinen als erste Ergebnisse beinah ausschließlich weiße Männerpaare, eher jüngeres Alters und ohne sichtbare Behinderung. Die Unterschiedlichkeit innerhalb der Community wird nicht abgebildet. Bisexualität fällt ebenfalls oft unter den Tisch. Wenn über Lesben und Schwule berichtet wird, dann ist das Thema Homosexualität bzw. Homophobie, in Berichten etwa zur Sozial-, Renten- und Gesundheitspolitik oder alltäglichen Themen tauchen sie nicht auf.

Die Art und Weise der Darstellung ist bisweilen auch hoch umstritten innerhalb der Comnmunity und arbeitet sich am Stereotyp des „effeminierten Schwulen“ und der „burschikosen Kampflesbe“ ab. Oftmals wird eine Darstellung von „normalen“ Lesben und Schwulen eingefordert. Zwar ist eine vielfältige Darstellung durchaus wünschenswert, allerdings kann Akzeptanz nicht darauf basieren, bloß nicht gegen vorherrschende Geschlechtervorstellungen zu verstoßen und ja keinem „Klischee“ zu erfüllen. Zumal diejenigen, die sichtbar als Lesbe oder Schwuler in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden, diejenigen sind, die von Homophoben angegangen werden.

Schwierigkeit von "normalen" Lesben und Schwulen und "Homosexualität" im Tierreich

Das Problem sind wohl eher diejenigen, die es nicht ertragen können. Hier zeigt sich die Ambivalenz von Differenz. Auf der einen Seite braucht es die Unterscheidung, um Hierarchien herzustellen. Die Zuschreibung des „Anderssein“ soll Diskriminierung legitimieren. Auf der anderen Seite funktioniert Diskriminierung aber gerade durch die Tabuisierung und Ignoranz von Unterschieden und eine gewünschte Vielfalt ist nur mit Unterschieden zu haben.

Ulrich verwies auch auf Formulierungen wie „schrille Paraden“, „bekennende Homosexuelle“ oder „Homosexuellenmilieu“. Diese zeugen eher von einer verkrampften statt selbstverständlichen Berichterstattung. Regelmäßig wird zudem über „schwule“, wesentlich seltener auch über „lesbische“ Tiere berichtet. Zwar sind diese Artikel meist gut gemeint richten sie sich doch gegen den homophob motivierten Vorwurf der „Widernatürlichkeit“.

Eifersucht und Trennungen zeigen deutlich, dass wir uns (leider) nicht aussuchen können, wen wir begehren und in wen wir uns verlieben, dennoch gab Ulrich zu bedenken, dass der Beweis einer „Natürlichkeit“ nicht vor Ausgrenzung und Abwertung schützt. Gerade die schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen an intergeschlechtlichen Menschen zeigen, dass selbst angeborene Variationen einfach als „Abweichungen“ oder „Krankheiten“ definiert und bekämpft werden können. Abgesehen von einem durchaus problematischen Vergleich zwischen Menschen und Tieren, kommt beispielsweise auch Religion nicht bei Tieren vor, trotzdem stehen religiösen Menschen Rechte zu. Das Einfordern von politischen Rechten und gesellschaftlicher Akzeptanz sollte sich nicht vom Beweis einer Natürlichkeit abhängig machen.

Skandalisierung von Information und Darstellung über Vielfalt als "Frühsexualisierung" oder "Sexbroschüren"

Jüngst machten reißerische Artikel eine angebliche „Sex-Broschüre“ für Kita-Kinder zum Skandal. Der rechtspopulistische Kampfbegriff der „Frühsexualisierung“ durfte da natürlich nicht fehlen, sonst regelmäßig um die Meinungsfreiheit „besorgte Bürger“ forderten ein Verbot der Broschüre, dem sich die CDU in Berlin vorsichtshalber gleich anschloss. Im Namen des Kinderschutzes wurden LSBTI erneut zur Gefahr für Kinder ausgerufen. Auffällig war auch der beleidigte Unterton, dass sich keiner mehr um die „Normalen“ kümmern würde oder man sich nun gar schämen müsste heterosexuell zu sein.

Der Skandal basierte auf Lügen. Dabei war die Handreichung ausdrücklich nur für Erzieher*innen bestimmt. Sexuelle Praktiken waren überhaupt kein Thema, sondern eine Sensibilisierung für Familien- und Lebensformen, Geschlechtervorstellungen und Trans- und Intergeschlechtlichkeit. Ziel ist eine angst- und diskriminierungsfreie Entwicklung für alle Kinder, das heißt eher eine Ausweitung des Kinderschutzes vor Maßregelung und Mobbing. Die Berichterstattung war ein Paradebeispiel, wie der Kampf um Akzeptanz im politischen Feld der Bildungspolitik und Repräsentation ausgetragen wird.

Zum Abschluss wurden die Wünsche der Teilnehmenden beim Fachforum „Medien“ des 1. Regenbogenparlaments vorgestellt: Mehr Sichtbarkeit, mehr Themen, mehr Diversität. Ziel sollte eine Regenbogenkompetenz bei allen Journalist*innen sein, die sich mit LSBTI-Themen beschäftigen. Das gehört zur journalistischen Sorgfaltspflicht.

Markus Ulrich
LSVD-Pressesprecher