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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD⁺)

33. LSVD-Verbandstag fordert Sofortprogramm der neuen Bundesregierung

Themen: Queerpolitischer Aufbruch nach der Bundestagswahl, Hasskriminalität als Thema bei der Innenministerkonferenz, Völkerrechtsverbrechen gegen LSBTI in Tschetschenien

Wie kann nach der Bundestagswahl ein queerpolitischer Aufbruch gelingen? Das diskutierten wir beim 33. Verbandstag am 09. Oktober 2021. Coronabedingt konnten wir leider auch dieses Jahr unsere Mitglieder nur digital begrüßen. 

Kaffeetasse und Laptop mit einer Videokonferenz

Wie kann nach der Bundestagswahl ein queerpolitischer Aufbruch gelingen? Das diskutierten wir beim 33. Verbandstag am 09. Oktober 2021, zu dem wir unsere Mitglieder coronabedingt leider auch dieses Jahr nur digital begrüßen konnten. Die Bilanz der letzten Legislatur macht deutlich: Die letzten vier Jahre waren für LSBTI-politische Anliegen auf vielen Feldern eine Wahlperiode der verpassten Chancen.

Resolution: Queerpolitischer Aufbruch 2021 durch zukünftige Bundesregierung

Für den notwendigen queerpolitischen Aufbruch 2021 forderten die LSVD-Mitglieder als Fahrplan für die ersten 100 Tage von einer zukünftigen Bundesregierung, das Transsexuellengesetz abzuschaffen, das Abstammungsrecht zu reformieren und weitere Regelungen für Regenbogenfamilien zu treffen, sowie den Schutz verfolgter LSBTI zu gewährleisten. Die 20. Legislatur müsse zudem genutzt werden, um Artikel 3 Grundgesetz um einen verfassungsrechtlichen Schutz für LSBTI zu ergänzen, Aktionspläne für Akzeptanz und gegen Hasskriminalität auf den Weg zu bringen, eine menschenrechtsgeleitete Außen-, Entwicklungs- und Flüchtlingspolitik umzusetzen sowie Ausblendung, Ausgrenzung und Diskriminierung strukturell anzugehen.

Dazu benötigt es zivilgesellschaftlichen Druck und schlagkräftige Bündnisse. Mit Gesine Agena (Amadeu Antonio Stiftung), Tahir Della (Initiative Schwarze Menschen in Deutschland), Anna Wegscheider (Hate Aid) und Christian Weßling (Paritätischer Gesamtverband) diskutierten wir, wie und für welche geteilten Anliegen diese Bündnisse aufgebaut werden können. So böten sich etwa die Themen Demokratiefördergesetz, Prävention von Hassgewalt, Änderung von Artikel 3 Grundgesetz, Kampf gegen Rechtsextremismus oder Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz als gemeinsame gesellschaftspolitische Projekte an.

LSBTI-feindliche Hasskriminalität auf der nächsten Innenministerkonferenz

Auf ihrer kommenden Sitzung im Dezember 2021 wird sich die Innenministerkonferenz (IMK) erstmalig in ihrer fast 70-jährigen Geschichte mit LSBTI-feindlicher Hasskriminalität befassen. Das ist ein wichtiger Erfolg unserer Bemühungen seit der Verabschiedung des LSVD-Positionspapiers „Frei und sicher leben“ im letzten Jahr. Mit einer neuen Resolution fordern wir nun die 16 Innenminister*innen und Innensenator*innen der Länder dazu auf, eine gemeinsame Strategie und konkrete Maßnahmen zu verabreden, um die Prävention, Erfassung und Bekämpfung von LSBTI-feindlicher Hassgewalt zu verbessern. Die IMK muss deutlich machen, dass sie die Sicherheit und den Schutz der queeren Community endlich ernst nimmt.

Wir erwarten, dass die kommende Innenministerkonferenz der Auftakt für ein effektives Bund-Länder-Programm gegen LSBTI-feindliche Gewalt wird. Dieses Signal muss auch durch die neue Bundesregierung unterstützt werden, indem sie eine unabhängige Expert*innenkommission einsetzt. Die Kommission soll eine systematische Bestandsaufnahme von LSBTI-Feindlichkeit und damit verbundener Hasskriminalität erarbeiten sowie Empfehlungen für einen Nationalen Aktionsplan zur deren besseren, Prävention, Erfassung, Erforschung und Bekämpfung entwickeln – einschließlich der Ausbildung und Fortbildung von Sicherheitsbehörden und Justiz sowie Verbesserungen in der Opferhilfe.

Weltrechtsprinzip ermöglicht strafrechtliche Verfolgung in Deutschland der massiven Menschenrechtsverbrechen gegen LSBTI in Tschetschenien

Mit einem weiteren Beschluss fordern wir den Generalbundesanwalt auf, Ermittlungen wegen der vom ECCHR (European Center for Constitutional and Human Rights) und dem Russian LGBT Network zur Anzeige gebrachten Völkerrechtsverbrechen gegen LSBTI in Tschetschenien einzuleiten. Zuvor berichtete Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, Generalsekretär und Gründer des ECCHR, von den seit 2017 verübten massiven Menschenrechtsverbrechen gegen LSBTI in der russischen Teilrepublik Tschetschenien und dem fehlenden Aufklärungswillen der russischen Stellen.

Nach dem sogenannten Weltrechtsprinzip betreffen schwerste Verbrechen wie Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht nur die jeweiligen Staaten, sondern im Zweifelsfall die internationale Gemeinschaft als Ganze. Das erlaubt es Deutschland, Völkerrechtsstraftaten, wie die in Tschetschenien verübten, in einem nationalen Verfahren zu verfolgen. Deutschland hat aufgrund der eigenen Verfolgungsgeschichte eine besondere Verantwortung, diese staatlich geförderten Menschenrechtsverbrechen an LSBTI zu verfolgen. Von der Einführung des Paragraphen 175 im Kaiserreich, über die systematische Verfolgung im Nazi-Regime bis weit hinein in die Bundesrepublik, genauer bis zu seiner endgültigen Abschaffung 1994, und auch durch Strafverfolgung in der DDR wurden zigtausende Menschen Opfer der LSBTI-feindlichen Strafgesetzgebung in Deutschland.

Wahlen zum Bundesvorstand und Danksagung an Axel Hochrein

Nach der Vorstellung des Tätigkeitsberichts standen die Wahlen zum Bundesvorstand auf der Tagesordnung. Schweren Herzens mussten wir uns von Axel Hochrein verabschieden. Nach 18 Jahren Engagement im Gremium trat er nicht noch mal an. Tausend Dank, lieber Axel - wir wünschen Dir alles erdenklich Gute und freuen uns über jedes Wiedersehen. Axel Hochrein wird sich weiterhin als Vorstand der Hirschfeld-Eddy-Stiftung einbringen.

Wiedergewählt wurden Gabriela Lünsmann, Helmut Metzner und Alfonso Pantisano. Neu im Bundesvorstand begrüßen wir Philipp Braun. Weiterhin gehören dem nun zehnköpfigen ehrenamtlichen Gremium die 2020 für eine zweijährige Amtszeit gewählten Patrick Dörr, Günter Dworek, Henny Engels, Andre Lehmann, Stefanie Lünsmann-Schmidt und Christian Rudolph an.