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Delegation des LSVD Hamburg zu Besuch in Sankt Petersburg
Wie fängt man einen Blogbeitrag über ein Land an, in dem für LGBT* aus Menschenrechtsperspektive fast alles schwierig ist? Mit den positiven Eindrücken, denn nur die werden der hiesigen Community gerecht. Die Aktivist*innen in Sankt Petersburg feiern in diesem Jahr ein sehr gut besuchtes Filmfestival. Die Filmvorstellungen des Queeren Side by Side -Festivals (bok o bok) sind nahezu immer ausverkauft. Conchita Wurst konnte als Stargast für die Abschlussveranstaltung gewonnen werden. Für sie sei das, wie sie in Interviews immer wieder klarstellt, eine große Ehre, Teil der „unstoppbaren Bewegung“ zu sein. Vieles macht Hoffnung: Die kommunale Ombudsstelle gegen Menschenrechtsverletzungen schickt eine Vertreterin zu einer Podiumsdiskussion. Die Polizei schützt die Veranstaltungsorte und hat darüber hinaus erstmalig nicht viel zu tun. Gegenproteste und Übergriffe bleiben aus. Homophobie ist in Russland Alltag – die Mühe, gegen die Veranstaltung zu protestieren macht sich in Sankt Petersburg jedoch niemand. Die Proteste und Angriffe in der Vergangenheit waren zumeist bezahlte Dienstleistungen einzelner Hardliner. Die Gelder dafür fließen anscheinend nicht mehr. Die Organisator*innen haben es geschafft, die Community mit der Sankt Petersburger Bevölkerung näher zusammen zu bringen. Die Medienberichterstattung ist durchweg ausgewogen und positiv. Das alles ist nicht selbstverständlich. Die Rahmenbedingungen für LGBT*-Arbeit sind widrig.
Das „Bewerben“ von „Nicht-Traditioneller Lebensformen“ bei Minderjährigen ist in Russland seit 2013 verboten. Was darunter zu verstehen ist, ist bewusst schwammig gehalten. Eine schwierige Situation für die Community – und ebenso für alle, die mit Jugendlichen in Schulen und Beratungseinrichtung arbeiten. „Es ist so, dass ich Jugendlichen nicht sagen kann, dass es okay ist, LGBT* zu sein. Angenommen zu werden wie man ist, ist jedoch die Basis jeder Beratung. Ich kann meinen Job schlicht nicht machen wenn ich ihn behalten möchte. Es reicht ein Wort, eine Doppeldeutigkeit, eine Geste – und ich habe ein riesiges Problem“, so die Schulsozialarbeiterin Irina*.
Die Strafverfolgung ist willkürlich – das wird in Gesprächen mit Vertreter*innen der NGOs immer wieder klar. Es hinge sehr davon ab, wie viel Ehrgeiz die Sachbearbeiter*innen in den Ämtern aufwenden wurden.
Projektförderung, auch das wird klar, ist kaum gegeben. Staatliche Förderung gibt es nicht – Spenden und Förderungen aus dem Ausland zu beziehen, bringt die Organisationen in einen anderen rechtlichen Konflikt. Sie könnten vom Staat als ausländische Agenten eingestuft und verboten werden. Noch so ein Gesetz, dass die Zivilgesellschaft schwächen soll. Ein Besuch bei der Organisation „Positiver Dialog“ macht darüber hinaus deutlich: Staatliche Repressionen führen dazu, dass Menschen sich verstecken und für gesundheitliche Prävention nicht mehr erreichbar sind. Die Zahlen der HIV-Infektionen steigen stark an. Es fehlt vielerorts an Zugang zu Beratung und Therapie. Von den Aktivist*innen wird befürchtet, dass sich die Situation für LGBT* in Russland weiter verschlechtern wird. Gerüchte, dass in der Duma zur Fußball-Weltmeisterschaft Gesetzessänderungen vorbereitet werden, machen die Runde. „Wir wissen nicht, was in zwei Monaten ist. Wir machen einfach weiter“, so Aktivist Aleks*.
Stefanie Schmidt
LSVD-Bundesvorstand
*Namen geändert