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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Jeden Tag drei Fälle von LSBTI-feindlicher Hasskriminalität Über 1.000 Fälle im letzten Jahr

Innenministerin muss endlich geforderte Fachkommission zur Prävention, Erfassung und Bekämpfung einsetzen

Pressemitteilung vom 07.04.2022

Laut einer Antwort aus dem Bundesinnenministerium auf eine schriftliche Frage der Abgeordneten Ulle Schauws (Bündnis 90/ Die Grünen) wurden 2021 1.051 hassmotivierte Straftaten gegen Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) registriert. Dazu erklärt Stefanie Lünsmann-Schmidt, Mitglied im Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD):

Über 1.000 Taten, jeden Tag drei Fälle! Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Tagtäglich werden in Deutschland Menschen angepöbelt, bedroht und angegriffen, weil die Täter*innen ihren Hass auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) in Gewalt ausleben. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) fordert, dass die Innenministerin Faeser LSBTI-feindliche Hasskriminalität auf die innenpolitische Agenda setzt. Sie muss die von der Innenministerkonferenz geforderte unabhängige Fachkommission unverzüglich einsetzen. Der erste Bericht mit konkreten Handlungsempfehlungen soll bereits für die Herbstkonferenz vorliegen. Doch bislang ist noch nichts passiert!

Nur ein Bruchteil LSBTI-feindlicher Hasskriminalität wird angemessen registriert und klassifiziert. Notwendig ist daher eine Reform der polizeilichen Erfassungssysteme, damit LSBTI-feindliche Hasskriminalität in ihren realen Ausmaßen gesellschaftlich sichtbar wird. Erforderlich ist ein Bund-Länder-Programm gegen LSBTI-feindliche Gewalt, das neben kriminologischer Forschung und Rechtstatsachenforschung auch die Entwicklung zielgenauer Konzepte zu Prävention, zur Aus- und Fortbildung von Polizei und Justiz sowie zur ausreichenden Unterstützung von Opferhilfe-Einrichtungen zum Gegenstand hat. Länder und Kommunen müssen die Arbeit von LSBTI-Anti-Gewalt-Projekten angemessen fördern.

Wenn vor jedem verliebten Blick, vor einer Umarmung, vor einem Kuss im öffentlichen Raum zuerst die Umgebung gecheckt werden muss, ist das eine erhebliche Einschränkung von Freiheit. Hasskriminalität kann gesundheitliche Folgen für die Betroffenen haben. Die wenigen vorliegenden Untersuchungen zum Thema legen nahe, dass LSBTI ein deutlich höheres Risiko haben, Opfer von gewalttätigen Attacken zu werden als der Bevölkerungsdurchschnitt.

Hassmotivierte Straftaten zielen nicht nur auf die Menschen als Individuen, sondern zusätzlich auch darauf, ganze Bevölkerungsgruppen einzuschüchtern. Es kann auch heute noch gefährlich sein, im öffentlichen Raum als schwul, lesbisch, bisexuelle oder trans erkannt oder dafür gehalten zu werden. Allein der Anblick einer Drag Queen, einer trans* Person oder eines gleichgeschlechtlichen Paares kann Gewalttäter*innen motivieren, brutal zuzuschlagen. Aus solchen Taten spricht Hass. LSBTI gelten ihnen als minderwertig und vogelfrei.

Hintergrund

Laut der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine schriftliche Frage der Abgeordneten Ulle Schauws (Bündnis 90/ Die Grünen) wurden 2021 dem Unterthemenfeld „sexuelle Orientierung“ insgesamt 870 Fälle zugeordnet, davon 164 Gewaltdelikte. Dem Unterthemenfeld „Geschlecht/sexuelle Identität“ 340 Fälle, davon 57 Gewalttaten. Aufgrund von Mehrfachnennungen können diese Zahlen nicht einfach addiert werden. So ergeben sich insgesamt 1.051 Straftaten im Bereich der Politisch-Motivierten Kriminalität Unterthemenfeld "Geschlecht/Sexuelle Identität" UND/ODER "Sexuelle Orientierung" registriert, davon sind 190 Gewalttaten.

2020 wurden insgesamt 204 Straftaten, davon 40 Gewaltdelikte im Unterthemenfeld "Geschlecht/sexuelle Identität" registriert. Damit sind transphob motivierte Taten gemeint. Im Unterthemenfeld "Sexuelle Orientierung" wurden insgesamt 578 Straftaten, davon 114 Gewalttaten registriert.  Diese Taten gelten als homo-/biphob motiviert. Insgesamt wurden 2020 782 Straftaten von Hasskriminalität gegen LSBTI registriert, darunter 154 Gewalttaten

Nur ein Bruchteil LSBTI-feindlicher Hasskriminalität wird bislang von den Polizeien in den Bundesländern angemessen erfasst und klassifiziert. Mit Ausnahme von Berlin und Bremen veröffentlicht kein Bundesland regelmäßig die gemeldeten Zahlen und weist LSBTI-feindliche Straf- und Gewalttaten gesondert aus.

Auf ihrer 215. Sitzung der Innenministerkonferenz haben sich die 16 Innenminister*innen und Innensenator*innen der Länder erstmalig mit der vorurteilsmotivierten Hasskriminalität gegen Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen befasst und das Bundesinnenministerium gebeten, eine unabhängige Fachkommission einzuberufen. 

Das LSVD-Positionspapier „Frei und sicher leben - Homophobe und transfeindliche Hasskriminalität entschieden bekämpfen“ enthält Kernforderungen zur Erfassung, Prävention und Bekämpfung homophober und transfeindlicher Hasskriminalität und konkrete Vorschläge für Maßnahmenprogramme und Gesetzgebung.

LSVD-Bundesverband

Pressekontakt

Pressesprecher*in Kerstin  Thost

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Dr. Stefanie Lünsmann-Schmidt