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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Demokratieförderung, Vielfaltsgestaltung und Extremismusprävention

Stellungnahmen des LSVD zum Diskussionspapier von BMFSFJ und BMI für ein Demokratiefördergesetz

Für ein effektives Demokratiefördergesetz brauchen wir: Empowerment, die Förderung von intersektional arbeitenden Projekten und Beratungsangeboten, die Absicherung von bestehenden, erfolgreich arbeitenden Strukturen sowie ein gemeinsames Handeln von Staat und Zivilgesellschaft.

Stellungnahme des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) zum Diskussionspapier von BMFSFJ und BMI für ein Demokratiefördergesetz

1. Inhaltsangabe

2. Demokratieförderung, Vielfaltsgestaltung und Extremismusprävention

Als LSVD begrüßen wir das Vorhaben eines Demokratiefördergesetzes, ebenso den Dreiklang aus Demokratieförderung, Vielfaltsgestaltung und Extremismusprävention im Diskussionspapier.

Wir empfehlen, diese Trias durchgängig für die Maßnahmen des Demokratiefördergesetzes durchzuhalten, da alle drei Facetten ineinandergreifen müssen, um nachhaltige Wirkungen zu erzielen. Darüber hinaus sollten das zukünftige Demokratiefördergesetz sowie die Förderrichtlinien auch Themen wie Empowerment, Intersektionalität und die Stärkung der Beratung für Betroffene von Hasskriminalität klar adressieren.

Lesben, Schwule, bisexuelle, trans-, intergeschlechtliche und queere Menschen (LSBTIQ*) sind auch in sich vielfältige Gruppen. Ihre Erfahrungen, Chancen und Identitäten sind neben der sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität auch ab-hängig von vielen anderen Faktoren wie etwa Hautfarbe, Staatsbürgerschaft und Aufenthaltsstatus, Einkommen, Religion oder ob sie eine Beeinträchtigung haben oder nicht. Viele LSBTIQ* erleben aufgrund dieser und weiterer Merkmale und Zugehörigkeiten Ausschlüsse, Mehrfachdiskriminierung bzw. alle Formen von Hasskriminalität. Auch bestehen unterschiedliche Zugänge zur demokratischen Teilhabe. Das betrifft auch den Zugang zu Bundesprogrammen.

3. Demokratieförderung braucht Empowerment und Anerkennung von Diversität

Für ein effektives Demokratiefördergesetz brauchen wir: Empowerment, die Förderung von intersektional arbeitenden Projekten und Beratungsangeboten, die Absicherung von bestehenden, erfolgreich arbeitenden Strukturen zur Förderung von Demokratie und Akzeptanz von vielfältigen Lebensweisen und Identitäten sowie ein gemeinsames Handeln von Staat und Zivilgesellschaft.

Das Diskussionspapier benennt zu Recht als eine Maßnahme mit gesamtstaatlicher Bedeutung die Bekräftigung des Grundgesetzes als Gegenentwurf zum Totalitarismus des nationalsozialistischen Regimes. Wir müssen an dieser Stelle darauf hinweisen: Als einzige Verfolgtengruppe des Nationalsozialismus sind queere Menschen nicht im Art. 3 des Grundgesetzes berücksichtigt. Dass dafür auch 77 Jahre nach Ende des Nationalsozialismus noch keine ausreichenden politischen Mehrheiten zustande gekommen sind, zeigt, wie wirkmächtig queerfeindliche Ressentiments bis heute sind. Es verdeutlicht gleichzeitig den Stellenwert, den die Bekämpfung von Queerfeindlichkeit im Rahmen eines Demokratiefördergesetzes daher einnehmen muss.

Die offene Gesellschaft braucht offensive Vorwärtsverteidigung, ein ständiges Bemühen, Menschen für eine Kultur des Respekts zu gewinnen. Über Toleranz hinaus sollte es um Förderung der Akzeptanz und gegenseitigem Respekt sowie der Anerkennung von Diversität gehen.

4. LSBTIQ*-feindlicher Hasskriminalität entgegenwirken

Von wesentlicher Bedeutung sind Maßnahmen zur Bekämpfung von Hasskriminalität und überregionale Strukturen für die Opfer von Gewalt. Das Diskussionspapier verwendet dazu die Begrifflichkeiten „politisch und ideologisch motivierter Gewalt“.

Diese haben sich beim Erkennen, Einordnen und Erfassen von Hasskriminalität durch die Behörden in der Vergangenheit nicht als nützlich erwiesen, um alle Formen von Hasskriminalität zu erfassen. Häufig werden hierunter nur Rechts- und Linksextremismus, islamistischer Extremismus sowie Rassismus und Antisemitismus verstanden (und selbst die beiden letztgenannten nicht durchgängig). Gerade queerfeindliche Hasskriminalität wird hingegen oft nicht als solche eingestuft. Dasselbe gilt für geschlechtsspezifische Hasskriminalität. Die klare Benennung der Motive von Hassgewalt ist eine wichtige Voraussetzung für die effektive Prävention und Bekämpfung.

5. Nachhaltige Absicherung ohne bürokratische Hürden

Die Förderung von demokratischer Teilhabe und der Schutz unserer Demokratie brauchen eine verlässliche, bedarfsorientierte und vor allem auch niedrigschwellige Unterstützung. Dabei ist besonders Empowerment für marginalisierte Gruppen ein Schlüssel zur selbstbestimmten und diskriminierungsarmen Teilhabe. Viele Projekte, die schon heute in den Bundesprogrammen tätig sind, verfügen über eine jahrelange Erfahrung und Expertise. Sie bieten mit ihrer Arbeit einen Gegenentwurf zu den menschenfeindlichen Ideologien von Demokratiegegner*innen und Fundamentalist*innen. Dabei fördern sie ein respektvolles und vielfältiges Miteinander in unserer Gesellschaft und stärken Betroffene von Gewalt und (struktureller) Diskriminierung sowie marginalisierte Gruppen.

Diese wichtige Arbeit muss durch ein Demokratiefördergesetz nachhaltig abgesichert und strukturell verankert werden. Die Förderung unserer Demokratie darf nicht von immer neuen Förderlogiken oder dem Kampf um Drittmittel ausgebremst werden. Sie bedarf einer verlässlichen Struktur, die flexibel auf aktuelle Themen und Herausforderungen reagieren kann. Eigenmittel und bürokratische Hürden bei der Beantragung von Bundesmitteln stellen besonders für regionale Organisationen und kleine Träger ein kaum zu überwindendes Hindernis dar und schließen diese von einer Förderung aus.

6. Kohärente Rahmung der Bundesprogramme und Aktionspläne

Die Bundesprogramme zur Demokratieförderung, Vielfaltsgestaltung und Extremismusprävention sollten durch das neue Demokratiefördergesetz kohärent gerahmt werden. Das gilt beispielsweise für das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ genauso wie für den Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus, für die Maßnahmen der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus, den angekündigten Nationalen Aktionsplan für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, den Nationalen Aktionsplan 2.0 zur UN-Behindertenrechtskonvention und auch für das Inklusionskonzept der Bundesregierung für die Auswärtige Politik und die Entwicklungszusammenarbeit.

Demokratieförderung, Vielfaltsgestaltung und Extremismusprävention müssen zusammen gedacht, gefördert und intersektional betrachtet werden. Nur so können diese Programme und Konzepte ihre volle Wirkung entfalten.

7. Kontinuierlicher Dialog mit der Zivilgesellschaft

Demokratieförderung zeigt sich auch durch Dialog mit der demokratischen Zivilgesellschaft auf Augenhöhe. Ein wichtiges Element des Demokratiefördergesetzes muss sein, eine regelmäßige, strukturierte und breite zivilgesellschaftliche Beteiligung (z.B. über Beteiligungsformate und einen zivilgesellschaftlicher Beirat) vorzusehen. Diese muss auch gesetzlich verankert werden.

8. Transparenz und Wertschätzung

Das vorliegende Papier enthält Leerstellen und lässt Raum für Interpretationen. Diese Fragen müssen beantwortet werden:

  • Welche konkreten Regelungsinhalte soll das zukünftige Demokratiefördergesetz enthalten und welche Auswirkungen wird es auf die Bundesprogramme haben?
  • Welche Rolle soll den Bundesländern bei der Ausführung des Gesetzes zukommen?
  • Wie soll die Bundeszentrale für politische Bildung konkret einbezogen werden?
  • Wie kann gewährleistet werden, dass die Kriterien zur Feststellung eines Bundesinteresses im Sinne des § 23 BHO transparent nachvollzogen werden können?
  • Was verbirgt sich hinter der „persönlichen und finanziellen Zuverlässigkeit“ mit Hinblick auf die Förderung kleiner Vereine und Organisationen?

Zur Wertschätzung zivilgesellschaftlicher Expertise im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren gehört auch, dass ihnen ein für sie möglicher Zeitrahmen zur Bearbeitung von Stellungnahmen eingeräumt wird. Besonders kleineren Organisationen, die allzu oft nur ehrenamtlich strukturiert sind, ist es andernfalls kaum möglich, ihre Interessen im Rahmen des Verfahrens selbstbestimmt zu vertreten. Das bitten wir bei den weiteren Möglichkeiten zur Partizipation und Anhörung der Zivilgesellschaft zu bedenken.

Die 14 Kompetenznetzwerke und -zentren im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ werden sich nach dem 21. März 2022 gemeinsam zu dem vorliegenden Diskussionsentwurf äußern. Der LSVD wird mit dem Bundesverband Trans*, Intergeschlechtliche Menschen e.V. und der Akademie Waldschlösschen im Rahmen des Kompetenznetzwerkes „Selbst.verständlich Vielfalt“ ebenso beteiligt sein.

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