LSVD-Erfolg: Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans und queere Menschen bekommen Sitz im ZDF-Fernsehrat
Neubesetzung im ZDF-Fernsehrat
Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik werden Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle (LSBTI) im ZDF-Fernsehrat Sitz und Stimme bekommen. Der LSVD hat sich erfolgreich an der Diskussion um die Neufassung des ZDF-Staatsvertrages beteiligt. Der derzeitige Vertrag, so das Urteil des BVerfG vom 25.3.2014, genüge nicht dem Grundsatz der Vielfaltsicherung – und nur teilweise der Begrenzung des staatlichen Einflusses. Der Anteil staatlicher und staatsnaher Personen im Fernsehrat und im Verwaltungsrat sei auf ein Drittel zu begrenzen. Vertreter_innen der Exekutive dürften nicht die Auswahl der staatsfernen Mitglieder bestimmen.
Auf der Website des ZDF heißt es zum Selbstverständnis und zur Aufgabe des Fernsehrates: „Der Fernsehrat vertritt die Interessen der Allgemeinheit gegenüber dem ZDF. Deshalb ist er kein Expertengremium, sondern so vielfältig wie die Gesellschaft selbst. … Zentrale Aufgabe ist es, die Programme und Online-Angebote zu beaufsichtigen. … Dabei versteht sich der Fernsehrat als Anwalt der Zuschauerinnen und Zuschauer.“
Erfolgreicher Protest des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) für Vertretung im ZDF-Fernsehrat
Die Ministerpräsident*innen hätten die Chance gehabt zu prüfen, wie die Zivilgesellschaft sich aktuell darstellt. „Die Zusammensetzung der Kollegialorgane muss darauf ausgerichtet sein, Personen mit möglichst vielfältigen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens zusammenzuführen“, sagte das Bundesverfassungsgericht.
Die Chance wurde nicht ausreichend genutzt. Im Entwurf wird die Zahl der staatsnahen Personen in der „A-Klasse“ der gesetzten Organe und Organisationen deutlich verringert; aber die Zahl der Vertreter*innen der zivilgesellschaftlichen Organisationen bleibt weitgehend gleich. So haben etwa die Arbeitgeber*innenverbände unverändert fünf Sitze. Bisher nicht gesetzte zivilgesellschaftliche Organisationen sucht frau vergebens. LSBTI-Gruppen sowie Bürger- und Menschenrechtsorganisationen waren zunächst überhaupt nicht vorgesehen.
Der LSVD-Bundesvorstand hat dies öffentlich gemacht und die Ministerpräsident*innen darauf hingewiesen, dass der Entwurf der sichtbar gewachsenen Vielfalt der Gesellschaft nicht entspricht. Diese eklatante Diskriminierung erfordere eine entsprechende Änderung des Vertrags. Dies forderte der LSVD auch in einem gemeinsamen Protestaufruf mit der Zeitschrift „Männer“, dem sich die Initiative „Enough is Enough“ anschloss.
Ursprünglich sollte Berlin eine LSBTI-Vertretung in den ZDF-Fernsehrat senden, nun macht es Thüringen
Besonders pikant: Laut Recherche von „Männer“ soll sich Berlin nach dem Ausscheiden von Klaus Wowereit von der Absicht verabschiedet haben, eine(n) Vertreter*in für den Bereich LSBTI zu benennen. Stattdessen übernahm das Land den Bereich Internet, zuvor gemeinsam mit „Digitales“ Bayern zugeordnet. Eine wahrhaft feinsinnige Aufteilung.
Die Proteste hatten Erfolg. In Bremen beantragten die Regierungsfraktionen GRÜNE und SPD, dass das Land sich für ein eigenständiges Entsenderecht des LSVD einsetzt. Die Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und die Abgeordneten des SSW im Landtag von Schleswig-Holstein forderten die Landesregierung auf dafür einzutreten, dass die beiden christlichen Kirchen nur noch je einen Sitz in der „A-Klasse“ haben, der Sitz des Bundesverbandes der Zeitungsverleger gestrichen wird und diese drei Sitze für Vertretungen aus dem Bereich Menschenrechtsorganisationen, Schwulen-und Lesbenverbände und digitale Bürgerrechte vorgesehen werden. Inzwischen hat Thüringen sich bereit erklärt, eine(n) Vertreter*in für die LSBTI-Gruppen zu benennen. Der LSVD hat Bodo Ramelow für diese Initiative gedankt.
Zu Ende ist das Thema mit der erfolgreichen Intervention des LSVD nicht. Die nach vier Jahren geplante Evaluation sollte genutzt werden, um das Zweiklassenrecht zu überwinden, wonach einige gesellschaftliche Gruppen eine festgeschriebene Vertretung haben, andere eine Nominierung über die Länder benötigen. Zudem stehen entsprechende Änderungen auch bei den anderen Rundfunkstaatsverträgen bzw. beim Gesetz für die Deutsche Welle an.
Henny Engels
LSVD-Bundesvorstand
Der Beitrag erschien erstmalig in der LSVD-Zeitschrift respekt, Heft 22 (2015)
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