Stellungnahme zum Entwurf eines Aktionsplans „Queer leben!“ der Bundesregierung
Auszug aus der Stellungnahmen des LSVD zum Entwurf „Queer leben! - Aktionsplan der Bundesregierung für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“ vom 30. August 2022
Lesben und Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) in Deutschland haben viel an persönlicher und gesellschaftlicher Freiheit erkämpft. Immer mehr LSBTI leben selbstbewusst, offen und akzeptiert. Die Ehe für alle ist ein Meilenstein in der Geschichte der Bürgerrechte in Deutschland und macht unsere Gesellschaft ebenso gerechter wie das wegweisende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum dritten positiven Geschlechtseintrag.
Obgleich LSBTI in den letzten Jahrzehnten viel an Akzeptanz erkämpft und gewonnen haben, werden sie viel zu oft im Alltag als Menschen zweiter Klasse behandelt, verleugnet, beleidigt, verbal oder gar physisch bedroht und angegriffen. Das haben die vielen Übergriffe auf LSBTI auf CSDs in diesem Jahr gezeigt, insbesondere die beiden brutalen Attacken auf trans* Personen in Münster und Bremen. LSBTI-Feindlichkeit ist eine Ideologie der Ungleichwertigkeit, die Heterosexualität, Zweigeschlechtlichkeit und binäre Männlich- und Weiblichkeitsvorstellungen als alleinige Normen definiert, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt dagegen tabuisiert, abwertet und ausgrenzt. LSBTI-feindliche Beleidigungen und Herabwürdigungen, Diskriminierungen und Benachteiligungen, Anfeindungen und Übergriffe bis hin zur offenen Gewalt gehören weiterhin zum Alltag in Deutschland. Wenn Menschen sich deshalb nicht unbefangen im öffentlichen Raum bewegen können, ist das ein massiver Angriff auf die Freiheit. Schließlich stehen der vollen gesellschaftlichen Teilhabe von LSBTI und der umfassenden Verwirklichung ihrer Menschenrechte aber auch weiterhin strukturelle und institutionelle Barrieren im Weg.
Die letzte Bundesregierung hat die Chance auf einen nachhaltigen Aktionsplan gegen LSBTI-Feindlichkeit vertan. In Zusammenarbeit mit dem Netz gegen Rassismus und dem Bundesverband Trans* (BVT*) hat der LSVD in dem gemeinsamen Papier „Menschenrechte schützen, Diskriminierungen beseitigen“ deutlich gemacht, was für ein diskriminierungsfreies Zusammenleben notwendig wäre und was zu einem effektiven Abbau von Benachteiligungen und einer präventiven Strategie gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit führen würde. Diese zivilgesellschaftlichen Anforderungen an einen Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus, Homophobie und Transfeindlichkeit wurden von der Bundesregierung zwar als Anlage an den Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus veröffentlicht, aber in der Praxis wurde bislang kaum etwas davon aufgegriffen. Von daher ist es sehr zu begrüßen, dass der Queer-Beauftragte der Bundesregierung nun den Entwurf eines Aktionsplans der Bundesregierung vorlegt.
Eine freie Gesellschaft muss allen Menschen garantieren, jederzeit, an jedem Ort, ohne Angst und Anfeindung verschieden sein zu können. Ein wirksamer Aktionsplan wäre ein staatliches Bekenntnis, dass LSBTI als gleichwertiger Teil zu Deutschland gehören und ein Recht darauf haben, angst- und diskriminierungsfrei zu leben.