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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Regenbogenkompetenz in der Kultur- und Sprachpolitik

Ergebnisse des Fachforums auf dem ersten Regenbogenparlament „Akzeptanz für LSBTI“ am 17.02.2018 in Berlin

Internationale Austauschprogramme und Kulturangebote wie Ausstellungen, Filme, Bücher können gesellschaftlichen Wandel unterstützen. Wie geht eine LSBTI-inklusive Kulturförderung?

Im Rahmen des bundesweit ersten Regenbogen-Parlaments diskutierten wir darüber, wie „Regenbogenkompetenz“ in der Sozialen Arbeit, im Sport, in Religions-Gemeinschaften, bei der Versorgung und Integration von Geflüchteten, in den Medien und auch in der auswärtigen Kultur- und Sprachpolitik erhöht werden kann.

Hier dokumentieren wir die Ergebnisse des Fachforums "Regenbogenkompetenz in der Kultur- und Sprachpolitik" mit:

  • Terry Reintke (Fraktion der Grünen / Freie Europäische Allianz, MdEP)
  • Tim Hülquist (Institut für Auslandsbeziehungen)
  • Susanne Niemann (Goethe-Institut)
  • moderiert von Axel Hochrein (Vorstand der Hirschfeld-Eddy-Stiftung), Klaus Jetz (LSVD-Geschäftsführer)

Die Broschüre mit den Ergebnissen und Handlungs-Empfehlungen des 1. Regenbogen-Parlaments "Akzeptanz von LSBTI* - Miteinander stärken" kann hier als pdf heruntergeladen werden oder aber so lange der Vorrat reicht per Mail an presse@lsvd.de kostenfrei bestellt werden.

Hauptaussagen des Fachforums

  • Internationale Austauschprogramme und Kulturangebote wie Ausstellungen, Filme, Bücher können gesellschaftlichen Wandel unterstützen
  • Allgemeine Themen wie Teilhabe, Urbanität, Krise und Kultur sind anschlussfähig für LSBTI-Themen
  • Notwendig ist eine LSBTI-inklusive Kulturförderung und LSBTI-inklusive Ausgestaltung der jeweiligen Förderkriterien
  • Bei Projekten müssen Bedürfnisse der Community vor Ort berücksichtigt werden
  • Was geht in den Gastländern?: Missionieren und internationaler Druck sind oft kontraproduktiv, da kein Dialog auf Augenhöhe
  • Mit Angriffen auf Lesben und Schwule wird häufig von wirtschaftlichen Problemen abgelenkt. Nicht Homosexualität, sondern Homophobie ist ein koloniales Erbe und westlicher Import.

Kulturkampf im Europa-Parlament um Gender und LSBTI

Terry Reintke (Fraktion der Grünen/Freie Europäische Allianz, MdEP) richtete in ihrem Input-Referat den Blick auf jüngste Entwicklungen in Europa. Ein Kulturkampf sei entbrannt. Gerade auch im Europaparlament. Angriffe auf Gender Equality sind wieder salonfähig. Konkrete Gesetzes-Vorhaben werden bekämpft.

Im Europarat wird die Istanbul-Konvention (Übereinkommen zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt) abgewehrt. Länder wie Ungarn, Bulgarien oder die Slowakei lehnen eine Ratifizierung der Konvention ab oder leisten Widerstand. Der Begriff „Gender“ wird hier zum neuen Kampfplatz. Auch in Deutschland ist diese Geisteshaltung mit den Rechtspopulist*innen in den Bundestag eingezogen.

In der Kulturförderung wird die Unterstützung queerer und feministischer Projekte zurückgefahren. LSBTI*-Organisationen werden attackiert: In Ungarn richtet sich ein NGO-Gesetz gegen ausländische Geldgeber*innen, ähnlich wie das Agent*innen-Gesetz in Russland. Die Zivilgesellschaft werde kriminalisiert. Andererseits werden in den Niederlanden LSBTI*-Themen von Rechtsextremist*innen vereinnahmt und instrumentalisiert, um gegen Muslim*innen Stimmung zu machen. 

Fazit Terry Reintke:

  • Wir müssen dringend wieder die Offensive erlangen, denn die Kämpfe der vergangenen Jahre waren Verteidigungskämpfe.
  • LSBTI*-Organisationen und Menschenrechtsorganisationen bei der Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte stärken
  • Es bedarf neuer EU-Fonds für LSBTI*-Projekte und -Initiativen.
  • Botschaften und Konsulate sollten im Rahmen ihrer Möglichkeiten Aktivist*innen in den Gastländern unterstützen. Gute Beispiele gibt es bereits aus Skandinavien / Kanada. Deutschland ist hier eher zurückhaltend.
  • Wir brauchen eine LSBTI*-inklusive Außenpolitik.

Die Goethe-Institute

Susanne Niemeier vom Goethe-Institut ging in ihrem Input auf die Arbeit des Goethe-Instituts ein. Das weltweit tätige Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland ist in über 150 Ländern vertreten. Die Zentrale ist in München. 

Das Thema „Gender Mainstreaming“ sei erfolgreich umgesetzt worden, auch wenn es dabei Widerstände gab. Beim Thema geschlechter-gerechte und diversitäts-sensible Sprache gibt es ebenfalls erste Fortschritte.

Es gehe aber nicht darum zu missionieren, da dies kontraproduktive Auswirkungen habe. Ziel sei es, Denk- und Freiräume anzubieten. Befremdlich seien manchmal die Ängste auf deutscher Seite vor dem, was alles passieren könnte. Die Partner*innen vor Ort seien aufgeschlossener. Wichtig sei der Austausch auf Augenhöhe.

Problematisch sei der Umgang mit LSBTI*-Themen in den arabischen Ländern, doch allgemein könne man sagen, dass die Ära des weißen heterosexuellen Mannes der Vergangenheit angehört. Schwerpunkt-Themen des Instituts sind Fragen von Teilhabe, Urbanität, Krise und Kultur. Daran können LSBTI*-Themen anschließen.

In einigen Ländern könne es passieren, dass die Behörden darauf bestehen, bestimmte Fotos/ Filme nicht zu zeigen. Dann gelte es zu entscheiden, ob man dem Willen der Zensur folgt und nur Teile der Ausstellung zeigt oder die ganze Ausstellung absagt. 

LSBTI*-inklusive Projekte der Goethe-Institute

  • Out-Filmfestival in Kenia (2011) / Veröffentlichung eines Buches (Queer Stories) in Kooperation mit dem Goethe-Institut München 
  • Titelsammlungen zu queeren Filmen für die Arbeit in den Gastländern
  • LSBTI*-inklusive Fotoausstellungen (Südafrika)

Auslandsarbeit des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa)

Tim Hülquist, Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) stellte die Auslandsarbeit des ifa dar. Das ifa baut Brücken, fördert Projekte und schafft Freiräume. Kultur finde im vorpolitischen Raum statt, kulturelle Identitäten sollten daher gestärkt werden.

Die Arbeit, die Ausstellungen und Dialog-Angebote zielen auf die Bedürfnisse der Menschen. So auch die Austauschprogramme. Man hole Menschen nach Deutschland und führe Schulungen mit ihnen durch, beispielsweise zur Selbstorganisation. In Tunesien etwa seien nach dem Arabischen Frühling viele Organisationen entstanden.

Das ifa betreibe auch Stipendien-Förderung und zivile Konflikt-Bearbeitung durch kulturelle Ausdrucks-Möglichkeiten. Man müsse lernen, wie mit dem „shrinking space“ (meint die Einschränkung zivilgesellschaftlicher Handlungs-Spielräume) umgegangen werden solle.

Als Beispiel nannte er Ägypten. Man dürfe Werte und Konzepte den Partner*innen nicht einfach überstülpen. Der „do no harm“-Ansatz sei zu beachten, und internationaler Druck könne auch kontraproduktiv sein. Die LSBTI*-Bewegung werde oft als westlicher Import wahrgenommen. Es müsse verdeutlich werden, dass nicht Homosexualität, sondern Homophobie ein koloniales Erbe sei.

Konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Regenbogenkompetenz in der auswärtigen Kulturpolitik

  • Bei der Ausgestaltung von Projekt-Anträgen müssen die Bedürfnisse der Community vor Ort berücksichtigt werden.
  • Wir müssen unsere Themen und Diskurse wieder selbst besetzen und dürfen sie nicht den Gegner*innen überlassen.
  • Kultur kann der Motor für gesellschaftliche Veränderung sein.
  • LSBTI*-inklusive Kulturförderung
  • Verbände/ Vereine aus der Zivilgesellschaft müssen stärker bei Projekten eingebunden werden.
  • LSBTI*-inklusive Ausgestaltung der jeweiligen Förderkriterien (erweiterter Inklusionsbegriff)
  • Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt muss in die kulturelle Bildung aufgenommen werden.
  • Entwicklung eines Aktionsplans

Herausforderungen

  • Das Spannungsfeld Religion / Homophobie darf nicht dazu führen, dass LSBTI* sich instrumentalisieren lassen.
  • Homophobie ist kein islamisches Problem (vgl. Agitation von christlichen Kirchen in Russland/Uganda)
  • Soziale Dimension darf nicht ausgeblendet werden (Armut durch globalisierten Welthandel)
  • Wirtschaftliche Reformen und Erfolge sind dringend notwendig.
  • Mit Angriffen auf Lesben und Schwule wird häufig von wirtschaftlichen Problemen abgelenkt (vgl. Tunesien / Ägypten)
  • Um Menschen zu erreichen, müssen Milieus und Kulturen respektiert werden.

Gute Beispiele einer LSBTI*-inklusiven Kulturpolitik

  • queere Filmfestivals in der MENA-Region
  • Künstler*innenförderung
  • Community building
  • Sichtbarkeit in Zeitschriften und Literatur 

Weiterlesen

Das LSVD-Projekt „Miteinander stärken. Rechtspopulismus entgegenwirken“ fördert die Akzeptanz von Lesben, Schwulen, bisexuellen, trans* und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI*). Die Stärkung von LSBTI*, ihren Verbündeten und Fachkräften steht dabei ebenso im Vordergrund wie die Entwicklung nachhaltiger Strategien und der Aufbau zivilgesellschaftlicher Allianzen gegen Homosexuellen- und Trans*Feindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, sowie gegen jede weitere Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Das Regenbogenparlament in Berlin war eine Veranstaltung des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) in Kooperation mit dem Referent*innenrat der Humboldt-Universität zu Berlin. Moderiert wurde es von Dr. Julia Borggräfe. Die gesamte Dokumentation der Veranstaltung finden Sie hier.