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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

„Kirche verändert sich ständig“

Rückbesinnung auf Familienwerte — Kirchen, Homosexualität und Regenbogenfamilien

Dr. Michael Brinkschröder, katholischer Theologe, Soziologe und Co-Präsident des „European Forum of LGBT Christian Groups“ ist optimistisch. In einem wahren Überraschungscoup habe Papst Franziskus den nationalen Bischofskonferenzen einen Fragebogen zur kommenden Familiensynode geschickt. Darin waren auch Fragen zum Umgang mit Homosexualität enthalten. Das Ergebnis der Befragung in den deutschen Bistümern wurde von der Bischofskonferenz zusammengefasst. 98 Prozent der Gläubigen wünschen sich mehr Akzeptanz für Homosexuelle, sie befürworten die rechtliche Gleichstellung mit der Ehe als Gebot der Gerechtigkeit, auch wenn sie mehrheitlich eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ablehnen.

Als Bischofskonferenz habe man sich zwar immer wieder gegen eine Gleichstellung ausgesprochen, doch man komme gegen den Wunsch der Gläubigen nicht an. In den Bistümern Mainz und München habe das Thema gleichgeschlechtliche Paare zwar für eine gewisse Polarisierung unter den Gläubigen gesorgt. Dort lehnten 45 Prozent der Gläubigen Adoptionsrechte für gleichgeschlechtliche Paare ab. Doch die Mehrheit sprach sich auch für eine Gleichbehandlung von Kindern aus Regenbogenfamilien aus. Die wenigen Kinder aus Regenbogenfamilien werde man in keiner Weise ausschließen aus den kirchlichen Sakramenten oder der religiösen Erziehung, so die Deutsche Bischofskonferenz in ihrem Resümee.

Die Gläubigen haben offensichtlich ein anderes, zeitgemäßeres Familienbild als die Kirchenhierarchie, die Kirche muss sich also bewegen, will sie überleben. Brinkschröder erwartet von der Familiensynode, an der auch sehr konservative Bischöfe aus Afrika, Asien oder der USA teilnehmen werden, eine klare Positionierung gegen Kriminalisierung von Homosexualität und gegen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität. Auch sei nicht auszuschließen, dass den Staaten „erlaubt“ werde, Partnerschaftsgesetze für gleichgeschlechtliche Paare einzuführen und dass Kirchen Segnungen von gleichgeschlechtlichen Paaren vornehmen dürften. Für Deutschland schließt Brinkschröder nicht aus, dass die Kündigungsandrohung der Bischöfe für kirchliche Angestellte, die in eingetragener Partnerschaft leben, bald kippe, die Bischofskonferenz arbeite zurzeit an einer Reform des kirchlichen Arbeitsrechtes.

Die Evangelische Kirche hingegen sorgte mit ihrer Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit – Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“ im vergangenen Jahr für eine kontroverse Diskussion. Sie untersuche alle Facetten des modernen Familienlebens, gehe ein auf die Herausforderungen der Familienpolitik und mache Vorschläge für eine moderne Familienpolitik aus evangelischer Sicht. Ausgehend vom Bibelzitat „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“ habe der Rat der EKD ein völlig neues Familienbild entwickelt. Eine breite Vielfalt an Familienformen sei historisch gesehen der Normalfall, Familie sei, wo Menschen zusammenleben und Werte wie Liebe, Verantwortung, Treue und Fürsorge lebten. Auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften werden diese Werte gelebt, sie seien also als gleichwertig anzusehen.

Das „European Forum of LGBT Christian Groups” zählt 45 Mitgliedsorganisationen aus 23 Ländern. Es versteht sich als ökumenische Plattform, vertrete also ein breites Spektrum von christlichen Gruppen. Eine Hauptaktivität ist der Aufbau einer christlichen LSBT-Bewegung in Osteuropa durch Empowerment, kontinuierliche Begleitung durch mentoring-Programme oder summer schools. Wichtig ist auch die Advocacy-Arbeit gegenüber dem Europarat. Das Forum beobachtet die Aktivitäten der religiösen Rechten in Osteuropa, die verstärkt festzustellen seien. Französische katholische Bischöfe, die sich in der Manif pour tous-Bewegung engagiert hatten, reisen nach Russland, um Kooperationen mit der Orthodoxen Kirche auszuloten. Hier versuche man gegenzusteuern.

Die Arbeit mit Kirchen sei eine Herausforderung, so Brinkschröder. Zunächst seien LSBT-Fragen ein heikles Thema, an dem sich die Geister scheiden. Die religiöse Rechte agiere sehr lautstark und die Einflussnahme auf eine vordemokratische Hierarchie wie die katholische sei nicht einfach. Man müsse, wolle man den Erfolg, Skandale und heftige Reaktionen vermeiden, eine gewisse Sprache und den persönlichen Dialog pflegen und den Kontakt mit freundlich gesinnten Insidern suchen. Die immer wieder von konservativen christlichen Gruppen zwecks Ablehnung von Homosexualität ins Feld geführten „Familienwerte“ werden, so Brinkschröder, auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und Regenbogenfamilien gelebt. Die EKD habe dies erkannt, die römisch-katholische Hierarchie durchlaufe wegen der Einstellungen ihrer Gläubigen gerade einen Transformationsprozess. Wandel sei möglich, die Kirche verändere sich ständig.

Klaus Jetz
LSVD-Bundesverband

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