Menu
Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Die Equal Rights Coalition – eine multinationale Plattform für LSBTI-Rechte

von Jeff Arlo Brown

Die Equal Rights Coalition (ERC) ist neben UNO, Europarat oder OSZE eine weitere multilaterale Plattform, bei welcher der Schwerpunkt auf den Menschenrechten von LSBTI-Personen liegt. Die Organisation »arbeitet für eine Welt, in der jeder Staat die Menschenrechte von LSBTI-Menschen anerkennt, fördert und schützt.« Aktuell besteht die ERC aus 42 Mitgliedstaaten und vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen.

Die EuroPride soll die wachsende gesellschaftliche Anerkennung für Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) in Serbien feiern und vorantreiben und nicht zuletzt auch eine der vielen Voraussetzungen für Serbiens Mitgliedschaft in der Europäischen Union hervorheben. Doch die serbische Regierung unter Aleksandar Vučić sagte EuroPride kurzfristig ab. Die Sicherheit der Demonstrant*innen sei gefährdet. Außerdem sei die wirtschaftliche Situation im Land instabil, heißt es. Vučić verschob die Veranstaltung auf »glücklichere Zeiten«.

Was können LSBTI-Aktivist*innen und die Regierungen, die sie unterstützen, in einem solchen Fall tun? Eine ihrer der aussichtsreichsten Möglichkeiten stellt die Equal Rights Coalition dar. Die Equal Rights Coalition (ERC) ist neben UNO, Europarat oder OSZE eine weitere multilaterale Plattform, bei welcher der Schwerpunkt auf den Menschenrechten von LSBTI-Personen liegt. Die Organisation »arbeitet für eine Welt, in der jeder Staat die Menschenrechte von LSBTI-Menschen anerkennt, fördert und schützt.« Aktuell besteht die ERC aus 42 Mitgliedstaaten und vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen: Zum Teil aus den Mitgliedstaaten, zum Teil aber auch aus Ländern, in denen Homosexualität weiterhin kriminalisiert und verfolgt wird.

Alle zwei Jahre wechselt die Führung der ERC. Zwei Mitgliedstaaten übernehmen diese – einer aus dem globalen Norden und einer aus dem globalen Süden. Hinzu kommt jeweils eine zivilgesellschaftliche Organisation aus denselben Ländern. Für den Zeitrahmen 2022 bis 2024 sind diese Staaten Deutschland und Mexiko. Die zivilgesellschaftliche Vertretung haben der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) und die Fundación Arcoiris in Mexiko übernommen, »die sich mit der Analyse der Sexualität in der lateinamerikanischen und karibischen Region befasst« und »bekräftigt, dass Stereotype und Diskriminierung aufgrund der Sexualität ein großes Hindernis für die volle Entfaltung des Einzelnen und der Gesellschaft darstellen.«

Die Arbeit der ERC findet u.a. in vier verschiedenen thematischen Bereichen statt:

  • Koordination zwischen internationalen Geldgebern, die LSBTI-Rechte fördern
  • internationale Diplomatie, um LSBTI-Menschenrechte zu schützen und zu stärken
  • nationale Politik, wo die Gesetzgebung der Mitgliedstaaten im Fokus steht
  • Verknüpfung von LSBTI-Rechten mit den Sustainable Development Goals der UNO, damit LSBTI-Menschen auch von deren Implementierung profitieren.

Analog zu den Vereinten Nationen ist die ERC ein komplexes Netz aus verschiedenen multinationalen Interessen mit teils widersprüchlichen Zielen und Prioritäten. Auch passt die gewählte Rhetorik nicht immer zu den aktiven Handlungen einzelner Mitglieder. Aber weil es bei der ERC explizit um LSBTI-Menschen geht, darf dort mehr Druck zum Thema ausgeübt werden, als die meisten anderen internationalen Foren üblicherweise zulassen.

Mitgliedschaft in der ERC muss handeln bedeuten

Am Beispiel von Serbien hat Klaus Jetz, Geschäftsführer des LSVD, nach der Absage der EuroPride bemerkt, wie die serbische Regierung in Erklärungsnot geraten ist. »Man hat ganz deutlich gespürt, wie die serbische Regierungsvertreterin in einer Videobotschaft herumlaviert hat und nach Argumenten gesucht hat, für ein Vorgehen, das mit der ERC-Mitgliedschaft unvereinbar ist«, sagt Jetz. »Sie haben schon ein schlechtes Gewissen.« Serbien dürfe sich nicht nur mit der Mitgliedschaft in der ERC »schmücken«, es müssten auch konkrete Schritte folgen.

Dass die Staaten dort explizit ihre LSBTI-Politik verantworten müssen, macht die Equal Rights Coalition zu einem seltenen und umso wertvolleren Konstrukt in der internationalen Politik. Es wird einerseits diplomatisch verhandelt, aber andererseits auch kritisch nachgefragt und an die Verantwortung erinnert.

Das internationale Netz der Arbeit für LSBTIQ* verdichten

So auch durch den LSVD: Jetz und Gloria Careaga, Leiterin der Fundación Arcoiris, haben in ihrer zweijährigen Amtszeit viel vor. Sie möchten Verbindungen stärken, Hass abwehren und Regierungen zu Hause und im Ausland ermutigen, mehr für LSBTI-Menschen zu tun. Jetz und Careaga möchten das bestehende Netzwerk von LSBTI-freundlichen Staaten und zivilgesellschaftlichen Organisationen ausbauen, damit Diplomatie und Aktivismus dichter zusammenarbeiten. Je dichter das Netz, desto effektiver die politische Arbeit. »Es sind immer lange Prozesse«, sagt Jetz, »aus denen viel entsteht.« Careaga fügt hinzu, »Das Hauptziel für die ERC ist es, Regierungen unter Druck zu setzen, damit sie bessere Positionen zu LSBTI-Rechten haben«.

Der LSVD und die Fundación Arcoiris möchten neue Mitgliedstaaten und zivilgesellschaftliche Organisationen für die ERC gewinnen. Sie müssen in ihrer Amtszeit aber auch bereits erkämpfte LSBTI-Rechte verteidigen. Beide Organisationen haben es mit der globalen Anti-Gender-Bewegung zu tun, die trans* Menschen anfeindet, die Möglichkeit nichtbinären Geschlechtsausdrucks leugnet und damit alle LSBTI-Menschen gefährdet. »Wir müssen auch als Zivilgesellschaft entsprechend agieren, andere und uns selbst empowern und aufklären, was da eigentlich genau passiert«, sagt Jetz. Diese Entwicklung zeigt sich nicht nur in Deutschland:

Anti-Gender-Aktivist*innen »haben ihre Bewegung aufgebaut, und sind sehr, sehr schnell größer geworden«, sagt Careaga. »Dann sind sie auch lauter geworden, man hat auf einmal ähnliche Sachen von Abgeordneten gehört.« In offiziellen Erklärungen der ERC wird auf diese Bewegung hingewiesen, die »sich in von progressiven Bewegungen nicht erwarteter Schnelle und in unerwartetem Maße ausgebreitet hat.« Das Einzige, was helfe, meint Jetz, sei Aufklärung und Geduld: »In zehn Jahren wird das Thema hoffentlich abgeräumt sein.«

Globalen Herausforderungen gemeinsam begegnen

Die ERC besteht aus Mitgliedstaaten, doch im Social-Media-Zeitalter vernetzen sich Bewegungen oft über Grenzen hinweg. Es kommt vor, dass verschiedene zivilgesellschaftliche Organisation aus demselben Land für und gegen die Rechte von LSBTI-Menschen agieren (z.B., dass es in den USA gleichzeitig pro-LSBTI-Gruppen wie Human Rights Campaign und anti-LSBTI-Gruppen wie Family Research Council gibt). Aus diesem Grund sei es wichtig, betonen Jetz und Careaga, dass jeder einzelne ERC-Mitgliedsstaat die bestmögliche Gesetzgebung für LSBTI-Menschen anbietet.

Auf der ERC-Konferenz in Buenos Aires im Jahr 2022 sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock beispielsweise, »unser Kampf für Gleichberechtigung beginnt dort, wo es soll: zu Hause.« Jetz und Careaga finden, dass LSBTI-Aktivismus gleichzeitig auf nationaler und auf internationaler Ebene stattfinden muss. Aktivist*innen könnten nicht warten, bis Zuhause alles perfekt ist, bevor sie Kolleg*innen in anderen Ländern stärken. Trotzdem, wie Jetz sagt, »je besser du zu Hause deine Hausaufgaben gemacht hast, desto mehr hört man auf dich im Ausland.«

Mehr zum Thema:

Website der Equal Rights Coalition

Equal Rights Coalition: Deutschland und Mexiko übernehmen erstmals den Vorsitz

Porträts von LSBTI-Menschenrechtsverteidiger*innen

LSBTI-Inklusionskonzept für die Auswärtige Politik und Entwicklungszusammenarbeit