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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Vorwort LSVD-Rechtsratgeber: Gleichstellung der Lebenspartnerschaft

Vorwort zur 2. Auflage des LSVD-Rechtsratgebers

Der Wandel kommt aber nicht von selbst. Jeder Fortschritt bei der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare musste hart erkämpft werden. Einiges mehr könnte schon erreicht sein, wenn sich noch mehr Menschen engagieren würden. Liebe verdient Respekt. Der kommt aber nicht von alleine. Respekt muss man sich verschaffen.

Es geht voran

Am 1. August 2001 trat das Lebenspartnerschaftsgesetz in Kraft. Erstmals in der Geschichte unseres Landes konnten gleichgeschlechtliche Paare eine rechtlich anerkannte Verbindung eingehen. Elf Jahre hatte unser Verband dafür gekämpft. Der 1. August 2001 war ein großer Tag für Lesben und Schwule in Deutschland. Vielerorts waren Regierungspräsidenten, Bürgermeister oder Landräte zur Stelle, dem jeweils ersten gleichgeschlechtlichen Paar vor Ort persönlich Glück zu wünschen. Mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz ist die gesellschaftliche Anerkennung lesbischer und schwuler Lebensweisen deutlich gewachsen.

Bereits ca. 14.000 Lebenspartnerschaften geschlossen

Die volle rechtliche Gleichstellung ist aber noch nicht erreicht. Ein Ergänzungsgesetz zur Lebenspartnerschaft, das insbesondere auch die Anerkennung im Steuer- und Beamtenrecht vorsah, scheiterte 2002 im Bundesrat. Obwohl das Gesamtpaket Eingetragene Lebenspartnerschaft weiterhin deutlich weniger attraktiv ist als die Ehe, wurden dennoch mittlerweile rund 14.000 Lebenspartnerschaften geschlossen.

Der Schritt in die Eingetragene Lebenspartnerschaft will wohl überlegt sein. Dieser Rechtsratgeber liefert umfassende Informationen zu Rechten und Pflichten, gibt Tipps und Hinweise und macht deutlich, an welchen Stellen noch Defizite gegenüber der Ehe und daher besondere rechtliche wie finanzielle Probleme bestehen.

Richtungsweisendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Auch wenn gleiches Recht noch nicht erreicht ist, hat sich seit der ersten Auflage dieses Rechtsratgebers vieles getan. An erster Stelle ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 2002 zu nennen. Karlsruhe hat nicht nur die Verfassungsklagen der Landesregierungen von Bayern, Sachsen und Thüringen verworfen und das Lebenspartnerschaftsgesetz für verfassungskonform erklärt. Es hat weit darüber hinausgehend klargestellt: „Der besondere Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG hindert den Gesetzgeber nicht, für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleich oder nahe kommen.“

Damit hat das Bundesverfassungsgericht das von den Gegnern einer rechtlichen Anerkennung zuvor postulierte „Abstandsgebot“ zur Ehe in den Bereich der Mythen und Märchen verwiesen. Jetzt wissen wir es genau: Es gibt kein Abstandsgebot. Aus dem grundgesetzlich verbrieften Schutz von Ehe und Familie lässt sich kein Gebot zur Diskriminierung von Lesben und Schwulen ableiten. Die vollständige Gleichstellung von Lebenspartnerschaften ist keine verfassungsrechtlich offene Frage mehr, sondern allein eine Frage des politischen Willens.

Verbesserungen durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts

Auf das Verfassungsgerichtsurteil hat sich auch der Gesetzgeber in dem am 1.1.2005 in Kraft getretenen Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts berufen. Mit diesem Überarbeitungsgesetz wurde für die Rechtsbereiche, die ohne Zustimmung des Bundesrats geregelt werden können, weitgehend Gleichstand mit der Ehe erzielt. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) hat sich intensiv für dieses Gesetz stark gemacht. Der LSVD wurde im Rechtsausschuss des Bundestages dazu angehört und konnte auf diesem Wege im parlamentarischen Verfahren noch eine Reihe von Verbesserungen im Gesetz erreichen.

Eingetragene Lebenspartnerschaften sind nun seit dem 1.1.2005 in die Hinterbliebenenversorgung bei der gesetzlichen Rente einbezogen. Ein Versorgungsausgleich ist jetzt möglich. Weitere Beispiele für Verbesserungen sind: Ausländische Lebenspartner, die Ärzte oder Apotheker sind, erhalten die gleichen Rechte bei der Berufszulassung, wie sie für ausländische Ehegatten gelten. Bei zustimmungsfreien Regelungen im Bundesbeamtenrecht wurde Gleichstellung erreicht. Und besonders wichtig: Die rechtliche Situation von Lebenspartnerschaften mit Kindern wurde verbessert. Die Stiefkindadoption leiblicher Kinder innerhalb der Lebenspartnerschaft ist nun möglich. Das dient deren rechtlicher und finanzieller Absicherung.

Regenbogenfamilien stärken

Die Stiefkindadoption ist ein wichtiger Schritt nach vorne. Das gemeinsame Adoptionsrecht für Lebenspartnerschaften ist aber noch nicht erreicht. Auch die Stiefkindadoption bleibt vorläufig auf die Adoption leiblicher Kinder der Partnerin oder des Partners beschränkt. Das ist eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung adoptierter Kinder. Die Situation von Regenbogenfamilien, von gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kindern, ist den letzten Jahren stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangt. Laut Statischem Bundesamt wachsen bereits in jeder achten gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft Kinder auf1).

Gerade im Interesse der Kinder ist eine vollständige Gleichstellung geboten. Unterschiedliche Behandlung der Lebenspartnerschaft vom Kindschafts- bis zum Steuerrecht geht immer auch zu Lasten der Kinder. Der LSVD unterhält ein spezielles Projekt "Regenbogenfamilien". Angeboten wird Beratung zum Familienalltag und zur Familienplanung für lesbische und schwule Eltern sowie solche, die es werden wollen. Gleichzeitig werben wir für Akzeptanz und für einen sachgerechten, vorurteilsfreien Umgang mit Regenbogenfamilien in Gesellschaft und Politik.

Blick ins Ausland

Seit Inkrafttreten des deutschen Lebenspartnerschaftsrechtes sind auch international wichtige Fortschritte zu verzeichnen. Spanien, Kanada und Belgien sind zwischenzeitlich dem Vorbild der Niederlande gefolgt, und haben die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ermöglicht. In Südafrika hat das Verfassungsgericht im Dezember 2005 ebenfalls die Öffnung der Ehe angeordnet. Ähnliches ist im US-Bundesstaat Massachusetts geschehen, in dem gleichgeschlechtliche Ehen seit 2004 möglich sind.

Auch das Modell der eingetragenen Partnerschaft nach skandinavischem Muster gewinnt an Zulauf. In Großbritannien ist im Dezember 2005 das Gesetz über „civil partnerships“ in Kraft getreten. Im gleichen Monat votierte das tschechische Parlament mehrheitlich für ein Partnerschaftsgesetz. Es wäre das erste formelle Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Paare in Osteuropa. In der Schweiz wurde die Einführung der Eingetragenen Partnerschaft am 5. Juni 2005 sogar in einer Volksabstimmung mit der großen Mehrheit von 58 % bestätigt.

Auch am anderen Ende der Welt tut sich etwas: In Neuseeland ist seit dem 1.5.2005 ein Partnerschaftsgesetz in Kraft. Allerdings gibt es auch eine Kehrseite: Eine Reihe von Bundesstaaten der USA haben das Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe in ihre Verfassung aufgenommen. Ende 2005 ist Lettland leider diesem Schritt gefolgt.

Was ist noch zu tun?

Der niederländische Rechtswissenschaftler Kees Waaldijk kam in einer Rechtsvergleichenden Untersuchung zu dem Ergebnis, dass mit dem deutschen Lebenspartnerschaftsgesetz von 2001 etwa 68 % der Rechtsfolgen der Ehe erreicht wurden2). Diese Rate hat sich zwischenzeitlich erhöht, insbesondere durch das Überarbeitungsgesetz. Bei der statistischen Auszählung von Rechtsfolgen muss man freilich bedenken, dass so gewichtige Fragen wie die Anerkennung bei der Erbschaftssteuer, bei der Einkommensteuer und bei der Hinterbliebenenversorgung im Beamtenrecht noch ausstehen. Es besteht damit weiter eine erhebliche Schieflage. Im Sozialrecht werden Lebenspartner beispielsweise voll in die Pflicht genommen, im Steuerrecht dagegen wie Fremde behandelt.

LSVD-Aktion 1:1 für vollständige Gleichstellung

Das ist unsinnig und ungerecht. Bund und Länder sind aufgefordert, fortbestehende Gerechtigkeitslücken endlich zu schließen. Bei den Lasten gibt es bereits Gleichstand mit der Ehe. Jetzt geht es darum, auch die Rechte vollständig zu übertragen. Der LSVD wirbt mit der Aktion 1:1 um gesellschaftliche Unterstützung für die vollständige Gleichstellung. Viele Organisationen und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens tragen diese Forderung mit (http://www.aktion-einszueins.de/).

Notwendig bleibt auch, bei ohnehin anstehenden Gesetzesvorhaben, die an das Bestehen einer Ehe anknüpfen, eine Gleichstellung für Lebenspartnerschaften zu erwirken. Das ist uns in den letzten Jahren bei einer Reihe von Gesetzen gelungen: von der Handwerksordnung bis zum Spätaussiedlergesetz. Im föderalen Staat ist zudem nicht nur der Bundesgesetzgeber gefordert.

Bundesländer müssen im Landesrecht gleichstellen

Drei Bundesländer, Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben Lebenspartnerschaften in ihrem Landesrecht zwischenzeitlich rechtlich mit der Ehe gleichgestellt. Sachsen-Anhalt hat eine Teilanpassung vorgenommen. In anderen Bundesländern stehen solche Regelungen noch aus.

Das Lebenspartnerschaftsgesetz strahlt aus: Eine Reihe namhafter Wirtschaftsunternehmen haben „verpartnerte“ Beschäftigte verheirateten gleichgestellt, vom Sonderurlaub für die Eheschließung bis zur Hinterbliebenenversorgung bei der Betriebsrente. Auch bei Tarifvereinbarungen gibt es erste Pionierabschlüsse, die die Anerkennung von Lebenspartnerschaften vorsehen. Hier muss aber noch deutlich mehr geschehen, nicht zuletzt bei den Versorgungswerken für die freien Berufe.

Der Wandel kommt aber nicht von selbst. Jeder Fortschritt bei der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare musste hart erkämpft werden. Einiges mehr könnte schon erreicht sein, wenn sich noch mehr Menschen engagieren würden. Liebe verdient Respekt. Der kommt aber nicht von alleine. Respekt muss man sich verschaffen.

Günter Dworek / Antje Ferchau
Mitglieder im LSVD-Bundesvorstand (2005)

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