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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Eckpunkte des LSVD für die neue Engagementstrategie des Bundes

Eckpunkte des LSVD für die neue Engagementstrategie des Bundes

Die neue Engagementstrategie sollte das bürgerschaftliche Engagement in seiner gesamten Vielfalt in den Blick nehmen, Teilhabe ermöglichen und vor allem auch seine Förderung intersektional denken

Als LSVD begrüßen wir das Vorhaben der Bundesregierung, eine neue nationale Engagementstrategie auf den Weg zu bringen. Eine neue nationale Strategie in diesem Themenfeld sollte stets das bürgerschaftliche Engagement in seiner gesamten Vielfalt in den Blick nehmen, Teilhabe ermöglichen und vor allem auch seine Förderung intersektional denken. Dazu gehören sowohl die hauptamtlichen Strukturen der demokratischen Zivilgesellschaft als auch die vielen Tausend Freiwilligen und Ehrenamtler*innen. Der letzte große Freiwilligen Survey sowie der Dritter Engagementbericht „Zukunft Zivilgesellschaft: Junges Engagement im digitalen Zeitalter“ der Bundesregierung haben gezeigt, dass sich in Deutschland mehr als 28 Millionen in vielfältiger Art und Weise Menschen engagieren. Dieses Engagement braucht die Rückendeckung der Bundesregierung.

Vorüberlegungen zur neuen Engagementstrategie des Bundes

Die demokratische Zivilgesellschaft und vor allem auch das Engagement von Ehrenamtler*innen sind das Rückgrat unser freiheitlich-pluralistischen Demokratie. Selbstvertretungen von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans*, intergeschlechtlichen und queeren Menschen (LSBTIQ*) sind selbstverständlicher Teil dieser Zivilgesellschaft. Queere Einrichtungen und Organisationen und vor allem engagierte Ehrenamtler*innen fördern mit ihrer Arbeit die gesellschaftliche Vielfalt in unserem Land und sind Teil unserer lebendigen Demokratie. Mit ihrem Engagement stärken queere Menschen und ihre Bündnispartner*innen unsere Gesellschaft und setzen sich für die demokratische sowie politische Teilhabe der queeren Community ein. Sie wirken somit auch Ideologien der Ungleichwertigkeit entgegen und setzen sich für einen breiten gesellschaftlichen Zusammenhalt ein.

Bürgerschaftliches Engagement für die Rechte von LSBTIQ* hat entscheidend dazu beigetragen, die rechtliche Akzeptanz und Gleichstellung von queeren Menschen in Deutschland voranzutreiben. Queere Menschen haben sich in Deutschland seit vielen Jahrzehnten viel an persönlicher und gesellschaftlicher Freiheit erkämpft. Immer mehr Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans*-, intergeschlechtliche und queere Menschen leben selbstbewusst, offen und akzeptiert: in der Familie, in der Nachbarschaft, im Verein und allen denkbaren Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Die Streichung des Unrechtsparagrafen 175, die Rehabilitation der Betroffenen, die Eheöffnung für gleichgeschlechtliche Paare und auch das jetzt diskutierte Selbstbestimmungsgesetz wären ohne das bürgerschaftliche Engagement von LSBTIQ*-Aktivist*innen nicht möglich gewesen. Daher ist es wichtig, dass die neue Engagementstrategie der Bundesregierung die Themenfelder Bürgerschaftliches Engagement, Demokratieförderung, Vielfaltsgestaltung und Extremismusprävention zusammendenkt. Die offene Gesellschaft braucht eine offensive Vorwärtsverteidigung, ein ständiges Bemühen, Menschen für eine Kultur des Respekts und für die Demokratie zu gewinnen. Ein Großteil dieses Engagements für Menschenrechte, Vielfalt und Respekt findet in Vereinen oder ehrenamtlichen Initiativen statt.

Die neue Strategie der Bundesregierung kann für die Förderung dieses Engagements die richtigen Weichen stellen. Im Folgenden schlagen wir Themenbereiche vor, die die Strategie der Bundesregierung unbedingt fokussieren sollte Strategie der Bundesregierung unbedingt fokussieren sollte:

Zivilgesellschaftliches Engagement braucht Schutz

Die demokratische und politische Teilhabe queerer Organisationen und Ehrenamtler*innen wird immer wieder angegriffen. Die jüngsten Zahlen des Bundesinnenministeriums zeigen, dass die Zahl der queerfeindlich motivierten Straftaten 2022 mit 1432 Straftaten erneut gestiegen ist. Gleichzeitig weist die Studie „LGBT+ PRIDE 2023 - A 30-Country Ipsos Global Advisor“ des Markt- und Meinungsforschungsin-stituts Ipsos eine Abnahme der Akzeptanz queerer Menschen in Deutschland aus.

Die Arbeit queerer Projekte und Selbstvertretungen wird durch rechtsalternative, rechtsextreme Gruppen sowie religiöse Fundamentalist*innen immer wieder diskreditiert. Hass und Hetze werden nicht selten auch von Anfragen, Anträgen und Gesetzentwürfen demokratiefeindlicher Parteien in Bund, Länder und Kommunen begleitet. Das trifft vor allem auch kleinere zivilgesellschaftliche Organisationen im ländlichen Raum, die oft nur rein ehrenamtlich arbeiten. LSBTIQ*-Selbstvertretungen und Beratungsstellen außerhalb der Ballungsgebiete sind viel öfter auch direkt und persönlich von diesen Anfeindungen und Bedrohungen betroffen. Diese Anfeindungen zeigen sich in digitalen Räumen ebenso wie im analogen Leben. Die menschenfeindlichen Ideologien der Gegner*innen von Akzeptanz, Vielfalt und Respekt wirken wie ein Gift in unserer demokratische Zivilgesellschaft. Hass und Anfeindungen auf LSBTIQ* nehmen immer mehr zu - das betrifft auch das Engagement von queeren Menschen und ihren Unterstützer*innen. Nicht selten werden engagierte Menschen Ziel von Anfeindungen oder sogar psychischer oder körperlicher Gewalt.

Gleichzeitig sind LSBTIQ* keine homogene Gruppe. Ihre Erfahrungen, Chancen und Identitäten sind neben der sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität auch abhängig von vielen anderen Faktoren wie etwa Hautfarbe, Staatsbürgerschaft und Aufenthaltsstatus, Einkommen, Religion oder ob sie eine Beeinträchtigung haben oder nicht. Queere Menschen erfahren daher nicht nur Diskriminierung und Anfeindung aufgrund der sexuellen Orientierung und/oder geschlechtlichen Identität, sondern werden auch antimuslimisch, rassistisch, antisemitisch oder beispielsweise auch antiziganistisch angefeindet. Um das queere Engagement nachhaltig zu stärken und vor allem aktive Ehrenamtler*innen zu schützen schlägt der LSVD folgende Empfehlungen vor:

Empfehlungen des LSVD zum Schutz von Engagierten

  • Um extremistischen Angriffen und Anfeindungen wirkungsvoll entgegenzuwirken, braucht es eine Verzahnung der unterschiedlichen Bundestrategien. So darf die neue nationale Engagementstratgie nicht entkoppelt von der gerade entstehenden „Gesamtstrategie: Gemeinsam für Demokratie und gegen Extremismus - Strategie der Bundesregierung für eine starke, wehrhafte Demokratie und eine offene und vielfältige Gesellschaft“ verstanden werden. Nur wenn die Bundesregierung diese Strategien zusammendenkt und sie vor allem auch zum roten Faden in den Förderlogiken der Bundesprogramme, wie etwa „Demokratie leben!“ oder „Zusammenhalt durch Teilhabe“, macht, kann das Ziel der Stärkung zivilgesellschaftlichen Engagements erreicht werden.
  • Zivilgesellschaftliche Organisationen und Initiativen sollten zudem besonders im Rahmen des zunehmenden digitalen Engagements auch im Umgang mit Hass und Hetze in digitalen Räumen gestärkt werden. Dazu gehört, dass digitale Transformationsprozesse im Bereich des zivilgesellschaftlichen Engagements bedarfsgerecht gefördert und Engagierte im Umgang mit Hate Speech professionalisiert werden. Hier könnten die Projekte im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ sowie die Fortbildungsplattform der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) ausgebaut werden. Die in den Ländern existierenden Landesdemokratiezentren sowie die regionalen Engagement-Förderungen der Bundesländer könnten diese Professionalisierung begleiten und Akteur*innen in diesem Spannungsfeld vernetzen. Hier bedarf es vor allem einer besseren Vernetzung der trisektoralen Bereiche in Bund, Ländern mit der Zivilgesellschaft.
  • Organisationen, die unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit, mit ihrer menschenfeindlichen Ideologie unsere Gesellschaft spalten wollen, Hass und Hetze verbreiten, muss die Gemeinnützigkeit ausnahmslos entzogen werden. Sie haben ihren Gemeinnutzen verwirkt. Das gilt vor allem auch für Akteur*innen, die sogenannte „Umpolungs- und Konversionstherapien“, oft auch als Anwendungen oder Seelsorge getarnt, anbieten oder dafür werben.
  • Die Bundesregierung sollte im Rahmen der neuen Engagementstrategie besonders den Schutz von Engagierten in den Blick nehmen und diese über geeignete Förderprogramme stärken sowie ihr Empowerment fördern. Dazu gehört beispielsweise auch eine psychologische Betreuung oder ein professionelles Gefahrenmonitoring. Dieses Vorgehen sollte in Zusammenarbeit mit den Ländern und den Kommunen erfolgen.
  • Damit zivilgesellschaftliches Engagement und vor allem auch zivilgesellschaftliche Teilhabe ermöglicht wird, braucht es innerhalb der neuen Strategie vor allem auch eine intersektionale Querschnittsperspektive. Nur so können die unterschiedlichen Herausforderungen und Bedarfe engagierte Bürger*innen sichtbar und vor allem auch unterstützt werden.

Zivilgesellschaftliches Engagement braucht eine verlässliche und nachhaltige finanzielle Förderung

Ein Großteil des zivilgesellschaftlichen Engagements wird durch ehrenamtliche Strukturen getragen. Im Bereich der queeren Engagement-Förderung gibt es jedoch so gut wie keine institutionellen Förderungen. Die Förderlandschaft für LSBTIQ*-Initiativen und engagierte Einzelpersonen ist sehr fragil – das betrifft besonders auch den ländlichen Raum und strukturschwache Regionen außerhalb der Ballungsräume. Auch wenn die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt über (Mikro-)Förderungen diese Räume schon heute in den Fokus nimmt, braucht es eine stärkere Fokussierung auf die Bedarfe von queeren Initiativen und engagierten Ehrenamtler*innen. Diese Initiativen weisen in der Regel nicht nur einen rudimentären Organisationsgrad aus, sondern leiden vor allem auch an Ressourcenknappheit. Das betrifft sowohl den finanziellen Bereich als auch den personellen. Auf der anderen Seite befördert ein Großteil dieser Engagierten einen diskriminierungsfreien Umgang mit Themen der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt. Vielerorts stärken diese Initiativen vor allem auch junge Menschen im Umgang mit queerfeindlichen Ideologien und anderen Phänomen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Damit leisten sie nicht nur einen zentralen Beitrag zur Prävention von Menschen- und Demokratiefeindlichkeit, sondern übernehmen mit ihrem Engagement auch Aufgaben der staatlichen Daseinsfürsorge. Als Interessensvertretungen tragen sie vor allem auch zur politischen Urteilsbildung und damit zur Willensbildung bei. Um dieses Engagement nachhaltig zu stärken braucht es folgende Instrumente:

Empfehlungen des LSVD zur finanziellen Engagementförderung

  • Niedrigschwellige Förderinstrumente: Das heißt vor allem: Verlängerung der Förderperioden, Abbau von bürokratischen Hürden bei der Beantragung und Bewirtschaftung der Fördermittel. Auch sollte es besonders für rein ehrenamtlich organisierte Initiativen möglich sein, Ehrenamtsstunden als Teil des zu erbringenden Eigenanteils abzurechnen.
  • Engagementfokussierung statt Projektfokussierung: Durch die Förderrichtlinien in Bund, Ländern und in vielen Kommunen müssen Vereine und zivilgesellschaftliche immer wieder neue Antragslyriken und neue Projekt-schwerpunkte entwickeln, um ihre Arbeit nachhaltig weiterführen zu können. Daher ist es wichtig, die zukünftige Engagementförderung am Bedarf der engagierten Menschen im Haupt- und Ehrenamt auszurichten.
  • Niedrigschwellige Fördervoraussetzungen: Die Anerkennung als gemeinnütziger Verein ist häufig Voraussetzung für eine Förderung. Das Verfahren zur Erlangung der Gemeinnützigkeit stellt jedoch für junge Initiativen mit geringen Organisationsgrad eine kaum zu überwindende Hürde da. Hier sollten im Rahmen der Engagementförderung auch Möglichkeiten geschaffen werden, die Arbeit dieser Initiativen zu fördern, solange sie sich auf dem Boden des Grundgesetzes bewegen und keine demokratiefeindlichen Ideologien oder gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit befördern. Die nationale Strategie der Bundesregierung könnte hierfür die Weichen stellen.

Teilhabe stärken – Zugangschancen für marginalisierte Gruppen schaffen

Bürgerschaftliches Engagement ist ein wichtiger Bestandteil demokratischer Teilhabe. Teilhabe meint in diesem Kontext auch, Mitgestaltungsmöglichkeiten zu bieten. Unsere Gesellschaft braucht Bürger*innen, die ihre demokratischen Rechte nutzen und ihre Verantwortung, vor allem auch ihre Mitgestaltungsmöglichkeiten wahrnehmen. Aktive Bürger*innen brauchen jedoch auch einen aktiven Staat. In diesem Zusammenhang sprach bereits die Enquete-Kommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ in ihrem Bericht von einem aktivierenden Staat, der bessere Zugangschancen für marginalisierte Gruppen schafft und so dazu beiträgt, Ungleichheiten abzubauen .Daher möchten wir nochmals auf die Empfehlungen der Kommission verweisen.

Die Perspektiven und Repräsentation von marginalisierten Gruppen, wie beispielsweise von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans*, intergeschlechtlichen, nichtbinären oder queeren Menschen, tragen entscheidend zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei und fördern den Abbau von Ressentiments. Gleiches gilt beispielsweise auch für Betroffene von Anti-Schwarzem Rassismus, Ableismus oder anderen Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Exklusionserfahrungen sowie eine fehlende Organisationsstruktur tragen dazu bei, dass die Angebote von Freiwilligen-Diensten und die Engagement-Förderprogramme diese Zielgruppen nur unzureichend adressieren. Hier braucht es eine passgenauere Ansprache und vor allem auch einen stärker intersektional orientierten Ansatz.

Wenn es der Bundesregierung gelingt, mit der neuen nationalen Strategie die Vielfältigkeit und die unterschiedlichen Bedarfe dieser Gruppen zu adressieren und deutlich zu machen, dass sie besonders das Engagement von marginalisierten Gruppen stärken möchte, kann es gelingen, nicht nur die Repräsentation von Menschen mit unterschiedlichen Identitäten oder Lebensweisen zu verbessern; vielmehr könnte die Gesellschaft von ihrer Expertise profitieren.

Die Förderung des Engagements von marginalisierten Gruppen sollte auch im Bereich der Freiwilligendienste (FSJ, FÖJ oder BFD) stärker in den Blick genommen werden. Besonders bei den Angeboten der Freiwilligendienste besteht über die Gewährung von Aufwandsentschädigungen und Taschengeldzahlungen ein impliziter Ausschluss von Menschen, die nicht mit der finanziellen Unterstützung ihrer Ursprungsfamilie rechnen können. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil queere Menschen neben dem öffentlichen Raum vor allem die Familie als Bereich nennen, wo sie Diskriminierung erleben – das betrifft vor allem junge Menschen unter 26 Jahren. Hier bestehen am häufigsten zusätzlich finanzielle Abhängigkeiten. Zwar soll sich Engagement in diesem Bereich von bezahlter Lohnarbeit unterscheiden, jedoch muss auch gewährleistet werden, dass alle jungen Menschen, unabhängig von der finanziellen Unterstützung ihrer Familie, diese Programme in Anspruch nehmen und gleichzeitig ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Auf der anderen Seite braucht es niedrigschwellige Möglichkeiten für queere Selbstvertretungen und Fachstellen, um an den Freiwilligenprogrammen als aufnehmende Institution teilnehmen zu können.

Empfehlungen des LSVD zur Förderung der Teilhabe von marginalisierten Gruppen

  • Die neue Bundestrategie sollte explizit die Förderung marginalisierter Gruppen berücksichtigen und hier bedarfsgerechte Angebote und Unterstützungsleitungen auf den Weg bringen.
  • Der Zugang zu den Freiwilligendiensten sollte niedrigschwelliger ausgestaltet werden. Dazu gehört auch ein Angebot von Unterstützungs-leistungen für Menschen, die sich im Rahmen des FSJ, FÖJ oder BFD engagie-ren, auszubauen. In diesem Zusammenhang sollte auch geprüft werden, ob die Regelung, dass Soldat*innen in Uniform kostenfrei den Fernverkehr und ein wachsendes Angebot im Regional- und Nahverkehr nutzen können, auf die Engagierten in den Freiwilligendiensten ausgeweitet werden kann. Ebenso ist denkbar, diese Möglichkeit auch Menschen einzuräumen, die einen Ehrenamtsausweis von Städten, Kommunen oder Ländern haben.
  • Zudem sollte der Bund prüfen, wie er die finanziellen Unterstützungsleitungen für den Bundesfreiwilligendienst und die Angebote der Länder (FSJ, FÖJ) so ausgestalten kann, dass Menschen ohne finanzielle Unterstützung der Eltern oder Sorgeberechtigen an diesen teilnehmen können. Nur so ist zu gewährleiten, dass die Freiwilligendienste auch wirklich allen Menschen offenstehen. Davon würden nicht nur queere Menschen profitieren, sondern auch junge Menschen aus einkommensschwachen Familien.
  • Im Rahmen der Fort- und Weiterbildungsangebote für Mitarbeitende der Zentralstellen und Bildungszentren des Bundesfreiwilligendienstes sollte sichergestellt werden, dass für einen selbstverständlichen Umgang mit Themen der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt geworben und die Regenbogenkompetenz der Mitarbeitenden erhöht wird. In diesem Kontext sollten auch diskriminierungskritische Fort- und Weiterbildungen in anderen Themenfeldern angeboten werden. Gleiches gilt für die Teilnehmenden des Bundesfreiwilligendienstes. Hier sollte es zusätzlich auch um empowernde Maßnahmen gehen, um die Engagierten im Umgang mit queerfeindlichen Haltungen und anderen Merkmalen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in den Einsatzstellen zu stärken und ihnen Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Der Bund sollte auch im Tandem mit den Ländern dafür sorgen, dass in den Freiwilligendiensten in Länderverantwortung solche Fort- und Weiterbildungs-angebote auf den Weg gebracht werden. Strategien und Fortbildungsangebote aus den Bundesprogrammen „Demokratie leben!“ oder „Zusammenhalt durch Teilhabe“ könnten hierfür genutzt werden.

Engagementfördernde Infrastruktur in LSBTIQ*-Initiativen und Vereinen absichern

In Krisen, wie z.B. während der Corona-Pandemie, hat sich gezeigt, wie gefährdet die Engagementstrukturen der queeren Communities sind. Empowernde Angebote, die sich gezielt an LSBTIQ* und ihre Bedürfnisse richteten, mussten zurückgefahren werden. Vor allem offene Gruppentreffen mussten ausfallen. Mit dem Wegfall der Engagement- und Unterstützungsangebote waren eigentlich unersetzbare Orte des Rückzugs, der Selbstvergewisserung und Bestätigung, in denen nicht zuletzt Resilienz gegen die heteronormative Alltäglichkeit und Kraft und Vernetzung für politisches und gesellschaftliches Engagement gegen Diskriminierung und Gewalt gewonnen wird, plötzlich nicht mehr verfügbar. Das darf bei der nächsten Krise nicht wieder passieren. Die Studie „LSBTIQ*-Communitystrukturen in der Coronapandemie - Eine Online-Befragung unter LSBTIQ*-Organisationen und -Initiativen“ hat gezeigt, dass queere Initiativen mehr 1/3 ihrer Ehrenamtler*innen verloren haben und das Enga-gement fast um die Hälfte zurückgegangen ist. Gleichfalls bietet diese Infrastruktur besonders für queere Menschen empowernde Räume und Unterstützung.

Empfehlungen des LSVD zum Absicherung einer engagementfördernde Infrastruktur in LSBTIQ*-Initiativen und Vereinen

  • Die zukünftige Engagementstrategie der Bundesregierung muss Vorschläge unterbreiten, wie die Rahmenbedingungen der engagementfördernden Infrastruktur für queere Menschen und weitere marginalisierte Gruppen verbessert und gestärkt werden können.
  • Dazu gehört auch, Möglichkeiten zu schaffen, dass Freistellungsregelungen für Berufstätige sowie Menschen in Ausbildung gestärkt werden. Besonders in Verbindung mit einer universitären Ausbildung sollte sichergestellt werden, dass sich ein freiwilliges Engagement nicht negativ auf Regel-studienzeiten, Ausbildungszeiten oder auf die Gewährung von Bafög und Sti-pendien auswirkt. Die engagementfördernde Infrastruktur lebt vom Einsatz der Ehrenamtler*innen, die jedoch häufig auch in unterschiedlichen beruflichen Kontexten oder Ausbildungen eingebunden sind. Bürgerschaftliches Engagement sollte sich besonders in diesem Feld nicht negativ auf die persönliche Zukunft auswirken.

Abschließende Empfehlungen

Die Förderung bürgerschaftlichen Engagements zeigt sich vor allem auch durch den Dialog mit der demokratischen Zivilgesellschaft und engagierten Ehrenamtler*innen auf Augenhöhe. Daher braucht es im weiteren Verfahren eine regelmäßige, strukturierte und breite zivilgesellschaftliche Beteiligung, die vor allem auch Selbstvertretungen von marginalisierten Gruppen einbezieht und ihre Teilhabe fördert.

Die neue Engagementstrategie des Bundes wird sich daran messen lassen müssen, ob sie konkrete Maßnahmen und Förderschwerpunkte setzt, und nicht nur ein bloßes Lippenbekenntnis ist. Vor allem sollte sie konkrete Handlungsansätze aufzeigen, die über die laufende Legislaturperiode hinauswirken können. Die letzte Strategie stammt aus dem Jahr 2010. Es ist damit zu rechnen, dass die neue Nationale Strategie im Bereich Engagement wieder mehr als ein Jahrzehnt die Bunderegierung leiten wird. Daher ist es wichtig, dass sie verbindliche Selbstverpflichtungen aufnimmt, die vor allem auch als Querschnittsaufgabe zwischen Bund und Ländern begriffen werden.

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