Volksverhetzung
Was gilt als Volksverhetzung?
Der Straftatbestand der Volksverhetzung ist in § 130 StGB geregelt. Die Vorschrift unterscheidet zwischen volksverletzenden Handlungen (Absatz 1) und der Verbreitung von Medien mit volksverhetzendem Inhalt (Absatz 2 und 3).
Volksverhetzende Handlungen werden nur bestraft, wenn sie geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören. Zur Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals ist eine bereits eingetretene Störung des öffentlichen Friedens nicht erforderlich. Es genügt vielmehr, dass berechtigte – mithin konkrete – Gründe für die Befürchtung vorliegen, der Angriff werde das Vertrauen in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttern, sei es auch nur bei der Bevölkerungsgruppe, gegen die er sich richtet.
Äußerungen sind geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören, wenn sie ihrem Inhalt nach erkennbar auf rechtsgutgefährdende Handlungen hin angelegt sind. Die Wahrung des öffentlichen Friedens bezieht sich insoweit auf die Außenwirkungen von Meinungsäußerungen etwa durch Appelle oder Emotionalisierungen, die bei den Angesprochenen Handlungsbereitschaft auslösen oder Hemmschwellen herabsetzen oder Dritte unmittelbar einschüchtern.
Die Äußerungen müssen über die Überzeugungsbildung hinaus mittelbar auf Realwirkungen angelegt und geeignet sein, etwa in Form von Appellen zum Rechtsbruch, aggressiven Emotionalisierungen oder durch Herabsetzung von Hemmschwellen rechtsgutgefährdende Folgen unmittelbar auszulösen.
Diese Voraussetzung ist bei den Drohungen rechtsradikaler Gangs gegen Schwule in der Regel gegeben, nicht aber bei den abwertenden Äußerungen der religiösen Fundamentalisten über Lesben und Schwule. Die Fundamentalisten verurteilen zwar die Homosexuellen, die nicht "keusch" leben, aber sie sind gegen solche Homosexuelle nicht gewalttätig und fordern auch nicht zu Gewalttätigkeiten auf.
Bei der Verbreitung von Medien mit volksverhetzendem Inhalt kommt es dagegen nicht darauf an, ob die Verbreitung geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu gefährden.
Als Tathandlungen kommen Äußerungen und die Verbreitung von Medien (dazu gehören auch Internetseiten) in Betracht,
- wenn gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufgestachelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen aufgefordert wird oder
- wenn die Menschenwürde anderer dadurch angegriffen wird, dass Teile der Bevölkerung oder ein Einzelner wegen seiner Zugehörigkeit zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden.
Die Bedeutung der einzelnen Begriffe hat der Bundesgerichtshof wie folgt umschrieben:
- "Teile der Bevölkerung" meint eine von der übrigen Bevölkerung auf Grund gemeinsamer äußerer oder innerer Merkmale politischer, nationaler, ethnischer, rassischer, religiöser, weltanschaulicher, sozialer, wirtschaftlicher, beruflicher oder sonstiger Art unterscheidbare Gruppe von Personen, die zahlenmäßig von einiger Erheblichkeit und somit individuell nicht mehr unterscheidbar sind. Homosexuelle sind in diesem Sinne ein abgrenzbarer Teil der Bevölkerung.
- "Verächtlichmachen" ist jede auch bloß wertende Äußerung, durch die jemand als der Achtung der Staatsbürger unwert oder unwürdig hingestellt wird.
Aber: Ein "Angriff gegen die Menschenwürde anderer" setzt voraus, dass sich die feindselige Handlung nicht nur gegen einzelne Persönlichkeitsrechte wie etwa die Ehre richtet, sondern den Menschen im Kern seiner Persönlichkeit trifft, indem er unter Missachtung des Gleichheitssatzes als minderwertig dargestellt und ihm das Lebensrecht in der Gemeinschaft bestritten wird. Derart besonders qualifizierte Beeinträchtigungen müssen durch ein gesteigertes Maß an Gehässigkeit und Rohheit gekennzeichnet sein, und die Angehörigen des betreffenden Bevölkerungsteils oder der betreffenden Gruppe müssen in ihren grundlegenden Lebensrechten als gleichwertige Persönlichkeiten in der Gemeinschaft verletzt und der unverzichtbare Bereich ihres Persönlichkeitskerns sozial abgewertet werden.
Diese Voraussetzungen sind durch Äußerungen in Medien wie: „Die Schwulen hat man leider vergessen zu vergasen“ erfüllt; denn sie knüpfen an die Verbrechen der Nazis an, Menschen als lebensunwert auszugrenzen und umzubringen. Aber wenn solche Äußerungen bei Streitigkeiten fallen, sind sie meist nicht geeignet, das Vertrauen der Angegriffenen in die öffentliche Rechtssicherheit zu erschüttern. Dagegen erfüllen die abwertenden Äußerungen religiöser Fundamentalisten den Tatbestand in der Regel nicht. Sie handeln ja nicht aus Gehässigkeit, sondern weil sie meinen, dazu vor Gott verpflichtet zu sein.