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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Rosa Courage Preis für LSVD-Bundesvorstand Günter Dworek

Dankesrede zur Verleihung durch Gay in May

Der Preis ,,Rosa Courage” wird seit 1992 im Rahmen der ,,Gay in May-Wochen” verliehen. Mit dieser Auszeichnung soll herausragendes Engagement für die Belange von Lesben und Schwulen gewürdigt werden. Preisträger 2020 ist Günter Dworek aus unserem Bundesvorstand. Wir dokumentieren seine Dankesrede.

LSVD-Bundesvorstand Günter Dworek erhält 2020 den Rosa-Courage-Preis von Gay in May

Der Preis ,,Rosa Courage” wird seit 1992 im Rahmen der ,,Gay in May-Wochen” verliehen. Mit dieser Auszeichnung soll herausragendes Engagement für die Belange von Lesben und Schwulen gewürdigt werden. Preisträger 2020 ist Günter Dworek aus unserem Bundesvorstand. Wir dokumentieren seine Dankesrede. Personen auf Foto: (v. l. n. r.): Dr. Diana Häs (Vorstand Gay in May), Günter Dworek, Frank Mayer (Vorstand Gay in May), Filiz Polat MdB.

Liebe Diana Häs, lieber Frank Mayer, liebe Filiz Polat,

ich bin echt gerührt. Denn mit Preisen und Ehrungen ist es so eine Sache: Sie sind dann wertvoll, wenn sie von würdigen Auslober*innen kommen. Daher freue ich mich wirklich sehr, diesen Preis von Gay in May zu bekommen, von Menschen, die sich seit Jahrzehnten für Emanzipation und gleiche Rechte einsetzen, die viel erreicht haben in Osnabrück und weit darüber hinaus, mit Elan, mit langem Atem, mit klaren Forderungen aber diese immer verbunden mit den schönen Dingen, mit Kultur und Lebensfreude. Wie sagte schon Faramir, der Heermeister von Gondor, zu Samweis dem Hobbit: „Das Lob der Lobenswerten ist der höchste Lohn.“

In ihrer Laudatio hat Filiz Polat viele meiner politischen Stationen benannt. Vielen Dank für diese tolle Würdigung! Ja, richtig, ich war oft mit dabei, wo sich etwas verändert hat, wo sich etwas zum Besseren bewegt hat. Und darüber bin ich schon ein bisschen froh. Denn Dabeisein, denn Teilhabe ist der Schlüssel zur politischen Veränderung: mit eigener Stimme mit am Tisch sitzen und diese Stimme zu Gehör bringen.

Leider hat vieles verdammt lange gedauert. Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen entfaltet gesellschaftliche Strahlkraft, aber es hat zwei Jahrzehnte Kampf gebraucht, bis es 2008 einweiht wurde. Da war unseres Wissens nur noch ein Einziger der Verfolgten, denen es gewidmet ist, am Leben.

Die 2017 durchgesetzte Ehe für alle ist ein Meilenstein. Ich denke aber oft daran: Hätten wir nach unserer Aktion Standesamt 1992 nicht jahrzehntelang hartnäckigste Widerstände überwinden müssen, hätten damals an der Aktion Beteiligte im Jahr 2017 nicht Hochzeit, sondern Silberhochzeit feiern können. Aus einer historischen Makroperspektive ist dieser Wertewandel vom Sittenstrolch zum Standesamt-Berechtigten rasant schnell gegangen. Aber schaut man sich das Leben der Menschen an, sind 25 Jahre Warteschleife eine verdammt lange Zeit.

Deshalb ärgert es mich zur Weißglut, wenn die Bremser immer wieder sagen: Oh wir sind noch nicht so weit, oh wir müssen noch eine weitere Wahlperiode genau prüfen. So hat man es mit Lesben und Schwulen jahrzehntelang gemacht, so macht man es weiter mit trans* Menschen – und das ist eine Schande.

Wir LSBTI müssen hartnäckig sein, am Ball bleiben, auch jeder noch so kleine Geländegewinn verbessert die Kampfbedingungen für die nächste Etappe. Aber bei allem Pragmatismus: Wir dürfen uns nicht zur Geduld hinreißen lassen.

Meine Geduld ist längst zu Ende, wenn ich an dem Umgang mit homophober oder transfeindlicher Hasskriminalität denke. Noch nie war das ein Thema auf einer Innenministerkonferenz, noch nie hat ein Bundesinnenminister eine LSBTI-feindliche Gewalttat explizit öffentlich verurteilt. Ausgerechnet die, die immer reflexhaft nach mehr Sicherheit rufen, ignorieren Homophobie und transfeindliche Hasskriminalität. Hasstäter wollen uns aus dem öffentlichen Raum in die Unsichtbarkeit treiben. Wer über die LSBTI-feindlichen Ausprägungen von Hasskriminalität konsequent schweigt, betreibt das gleiche Geschäft mit anderen Mitteln. Das muss ein Ende haben.

Meine Geduld ist längst zu Ende, wenn ich daran denke, dass wir auch im Jahr 71 des Grundgesetzes immer noch um die Ergänzung um „sexuelle Identität“ kämpfen müssen. Das muss jetzt geschehen und dann können wir bei dieser Gelegenheit gleich den „Rasse“-Begriff dort auch ersetzen.

Noch ein Gedanke zum Thema „Rosa Courage“: Für einen älteren weißen Cis-Mann, der in einem unterstützenden Umfeld arbeitet, ist Courage vielleicht gar nicht mehr die zentrale Kategorie. Courage findet heute vielfach woanders statt: Bei mutigen Menschenrechtsverteidiger*innen in vielen Ländern diesen Welt, wo das Leben für LSBTI einfach nur grausam ist. Bei den Geflüchteten, die sich trotz deutscher und europäischer Vergrämungspolitik ihren Traum von einem Leben in Freiheit, Würde und Selbstbestimmung nicht nehmen lassen wollen und für ihr Recht kämpfen, Schutz und Asyl zu finden. Bei den jungen Aktivist*innen von Black Live Matters, in deren Aufbegehren gerade ein Epochenwandel für unsere ganze Gesellschaft aufscheint, durch Menschen, die einfach die Schnauze voll haben von Ausgrenzung, schlechteren Chancen und der alltäglichen Demütigung durch große oder kleine Rassismen.

Diese Courage ist ansteckend und motiviert, weiter zu machen. Man darf nie zufrieden sein mit einem Platz am Katzentisch. Man darf sich nicht einrichten in ein bisschen Ungleichbehandlung. Denn das Ziel ist klar: Eine Gesellschaft, in der wir jederzeit, an jedem Ort und alle gleichermaßen ohne Angst verschieden sein können. Mit weniger zufrieden zu sein, das wäre doch ziemlich courage-los. Dieser Gefährdung baut der Preis sehr gut vor. Auch deshalb dafür nochmal vielen Dank.

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