Effektivere Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen gegen queere Menschen
Bundesregierung setzt LSVD-Vorschläge im Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts um

Berlin, 1.11.2023. Die Bundesregierung hat heute einen Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts beschlossen. Unter anderem soll die Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie queere Menschen (LSBTIQ*) verbessert werden. Die Bundesregierung setzt damit die in unserer Stellungnahme zum Referent*innenentwurf gemachten Vorschläge um. Dazu erklärt Patrick Dörr aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD):
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung stellt eine konsequente Fortentwicklung des völkerstrafrechtlichen Schutzes von Menschen dar, die Menschenrechtsverletzungen wegen ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität erleiden. Künftig soll das deutsche Völkerstrafgesetzbuch ausdrücklich klarstellen, dass auch Verbrechen gegen Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung als Völkerrechtsverbrechen strafrechtlich verfolgt werden können. In der Begründung wird zudem klargestellt, dass Verbrechen, die sich auf die geschlechtliche Identität beziehen, als geschlechtsbasierte Verbrechen verfolgbar sind. Die Bundesregierung setzt damit international ein Zeichen, dass Völkerrechtsverbrechen gegen LSBTIQ* nicht ungesühnt bleiben dürfen, und setzt eine Kernforderung des LSVD um.
Das deutsche Völkerstrafgesetzbuch lässt bisher offen, ob Verbrechen gegen LSBTIQ* völkerstrafrechtlich verfolgt werden können. Der unklare Wortlaut erschwert eine effektive Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen gegen LSBTIQ*. Das internationale Recht ist schon weiter: Der Internationale Strafgerichtshof hatte im Dezember 2022 ausdrücklich und ausführlich klargestellt, dass die Verfolgung von LSBTIQ* geschlechtsbasierte Gewalt darstellt. Dem deutschen Gesetzgeber bietet sich nun die Chance, die Entwicklungen des internationalen Rechts im Völkerstrafgesetzbuch zu verstetigen und die bestehende Rechtsunsicherheit im deutschen Recht damit auszuräumen. Gerade Deutschland, das selbst über hundert Jahre LSBTIQ* systematisch verfolgt hat, steht in der Pflicht, hier deutlich Stellung zu beziehen.
Zum Hintergrund
Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans* und intergeschlechtliche, nichtbinäre und queere Menschen (LSBTIQ*) gehören weltweit zu den vulnerabelsten Gruppen, die besonders häufig von Verfolgung und unmenschlicher Behandlung betroffen sind. In vielen Ländern werden die Menschenrechte von LSBTIQ* mit Füßen getreten, sie leben in ständiger Gefahr und Angst, denn ihnen drohen Gefängnis, Todesstrafe, Folter und Gewalt. Politische und religiöse Führer schüren oft ein Klima des Hasses und der Verfolgung. In 69 Staaten ist die gleichgeschlechtliche Liebe noch immer strafbar, in sieben Staaten droht die Todesstrafe. Vielerorts sind staatliche Behörden an der Unterdrückung von LSBTIQ* beteiligt, verweigern ihnen jeglichen Schutz vor Anfeindungen und Gewalt. Sie versuchen, LSBTIQ* in die gesellschaftliche Unsichtbarkeit zu zwingen und ihnen das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie auf freie Entfaltung der Persönlichkeit abzusprechen.
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