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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD⁺)

Regierungsentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz (SBGG)

Gemeinsame Stellungnahme von LSVD und IMeV

Am 27. November 2023 haben der LSVD und IMeV gemeinsam Stellung genommen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften (SBGG).

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) und Intergeschlechtliche Menschen e.V. (IMeV) begrüßen die Absicht der Bundesregierung, das in großen Teilen verfassungswidrige Transsexuellengesetz (TSG) aufzuheben und die personenstandsrechtliche Anerkennung der geschlechtlichen Identität nunmehr für trans* und intergeschlechtliche sowie nichtbinäre Menschen einheitlich und ohne Vorlage von Sachverständigengutachten und ärztlichen Attesten in einem Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) zu regeln. Damit wird eine lange überfällige, im Koalitionsvertrag vereinbarte Neuregelung endlich auf den Weg gebracht.

Der vorgelegte Gesetzentwurf muss jedoch dringend nachgebessert werden. Er fällt nicht nur deutlich hinter die im Juni 2022 vorgestellten Eckpunkte zurück, er bringt in einzelnen Regelungen sogar eine Verschlechterung der Rechtslage mit sich.

1 Gesetzentwurf berücksichtigt intergeschlechtliche Menschen kaum

Das SBGG will ein einheitliches Verfahren zur Personenstandsänderung für trans* und intergeschlechtliche Menschen einführen. Das begrüßen wir grundsätzlich. Der Gesetzentwurf fokussiert jedoch fast ausschließlich auf binäre trans* Personen. In der Gesetzesbegründung werden intergeschlechtliche Menschen und nichtbinäre Menschen kaum erwähnt. Der Begriff intergeschlechtlich fällt sogar nur ein Mal.

Gänzlich unverständlich ist für uns, dass zur Anhörung im Familienausschuss am 28.11.2023 keine einzige Selbstvertretungsorganisation intergeschlechtlicher Menschen eingeladen wurde. Der Gesetzentwurf betrifft intergeschlechtliche Menschen genauso wie trans* Personen. Es kann nicht sein, dass über ein Gesetz verhandelt wird, ohne die Betroffenen anzuhören.

Tatsächlich würde das SBGG zu zahlreichen Verschlechterungen für intergeschlechtliche Menschen im Vergleich zur aktuellen Rechtslage führen. Dazu gehören z.B. die Dreimonatsfrist (§ 4 SBGG), die einjährige Sperrfrist (§ 5 SBGG), die Regelung im Verteidigungsfall (§ 9 SBGG), die Regelung zum Eltern-Kind-Verhältnis (§ 11) und die Übermittlung der Informationen an Sicherheitsbehörden (§ 13 Abs. 5 SBGG).

Wir fordern die ersatzlose Streichung dieser Regelungen. Sie sind unverhältnismäßig. Weder ist ein Übereilungsschutz erforderlich, noch rechtfertigen vermutete Missbrauchsszenarien diese massiven Eingriffe in das Grundrecht auf geschlechtliche Selbstbestimmung.

Wir bitten eindrücklich darum, den Gesetzentwurf mit Blick auf seine Auswirkungen auf intergeschlechtliche Menschen sowie die Verhältnismäßigkeit möglicher Verschlechterungen genau zu prüfen. Das betrifft z.B. auch die Quotenregelung in § 7 SBGG, die keine Regelung für nichtbinäre Menschen vorsieht, sowie die Regelungen zum Paßgesetz (Artikel 2 SBGG).

 

2 Automatisierte Meldung an Sicherheitsbehörden ist unverhältnismäßig (§ 13 Abs. 5 SBGG)

Die im Kabinettsentwurf neu hinzugekommene Regelung des § 13 Abs. 5 SBGG ist unverhältnismäßig, datenschutzrechtlich unvertretbar und deshalb ersatzlos zu streichen.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte weist in seiner Stellungnahme auf erhebliche rechtliche Bedenken bezüglich der Verhältnismäßigkeit der Regelung hin, auch der Deutsche Juristinnenbund hält die Regelung für unverhältnismäßig (vgl. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 11.09.2023 und Deutscher Juristinnenbund, Stellungnahme zum Regierungsentwurf „Selbstbestimmungsgesetz“ vom 23.08.2023).

Uns erschließt sich bereits der Nutzen dieser Regelung nicht. Änderungen von Vornamen und Geschlechtseintrag sind schon seit vielen Jahren nach TSG oder § 45b PStG möglich. Änderungen der Nachnamen z.B. durch Eheschließung oder Adoption sind alltäglich. In keinem dieser Fälle erfolgt bisher eine automatisierte Meldung an Sicherheitsbehörden. Vielmehr haben diese die Möglichkeit, die Daten anlassbezogen über die Meldebehörden bzw. das Bundeszentralregister (BZR) zu erlangen.

Die Verpflichtung des Standesamts, so viele Stellen und Register proaktiv zu informieren, widerspricht dem Grundsatz der Datenminimierung, der grundrechtlich geboten und in der DSGVO konkretisiert ist. Zwar sieht § 13 Abs. 5 S. 2 SBGG eine Löschungspflicht vor, die Löschung kann aber nicht überprüft werden. Durch die Sicherheitsbehörden werden zudem keineswegs nur Täter*innendaten gespeichert; es finden sich auch Zeug*innen, Hinweisgeber*innen und andere nicht verdächtige Personen in Datenarchiven der Sicherheitsbehörden. Für all diese Personen würde § 15 Abs. 3 SBGG zu einer Speicherung ihrer besonders sensiblen Daten von bisherigen und geänderten Vornamen und Geschlechtseintrag führen. Diese automatisierte Übermittlung wird angesichts der nicht weit fortgeschrittenen Digitalisierung vieler Behörden, die die automatisch übermittelten Daten verarbeiten und ihren Löschpflichten nachkommen müssen, zu einer Überforderung führen.

Die automatisierte Datenübermittlung kann eine abschreckende Wirkung auf Menschen ausüben, die ihren Personenstand nach SBGG ändern wollen. Wir nehmen diesbezüglich eine sehr große Verunsicherung in der Community wahr. Sie könnte zudem geeignet sein, trans* und intergeschlechtliche Personen, die eine Änderung des Personenstands planen, davon abzuhalten, als Zeug*innen oder Hinweisgebende zu handeln, weil sie dann in den Registern der Sicherheitsbehörden gespeichert würden, sodass dort künftig auch ihre Personenstandsänderungen gespeichert würde.

3 Klares Bekenntnis zu Diskriminierungsschutz für trans* und intergeschlechtliche Menschen erforderlich (§ 6 SBGG)

Statistische Erhebungen, Studien und Umfragen belegen unmissverständlich, dass trans* und intergeschlechtliche Personen zu den vulnerabelsten Gruppen gehören und in der Öffentlichkeit in besonders hohem Maße Diskriminierung, Ausgrenzung, Belästigung und Gewalt ausgesetzt sind (vgl. u.a. EU-Grundrechteagentur, A long way to go for LGBTI equality, 2020; LesMigraS, Antigewalt- und Antidiskriminierungsbereich der Lesbenberatung Berlin, Gewalt- und Mehrfachdiskriminierungserfahrungen von lb_FT*, 2012). Trans* und intergeschlechtliche Menschen haben einen großen Bedarf an Schutz- und Rückzugsräumen. Sie werden darum heute schon in Frauen- und Lesbenräumen aufgenommen.

Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, diese vulnerablen Gruppen vor Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt zu schützen. Dazu gehört, dafür zu sorgen, dass Betroffene nicht benachteiligt werden, weil sie ihren Personenstand nach SBGG geändert haben. § 6 SBGG bewirkt jedoch genau das Gegenteil. Statt klarzustellen, dass trans* und intergeschlechtliche Personen, die ihren Personenstand geändert haben, deshalb keine Nachteile erleiden dürfen, entscheidet sich der Gesetzgeber dafür, auf die Grenzen der Wirkung der Personenstandsänderung hinzuweisen.

In der Gesetzesbegründung werden potenzielle Bedrohungsszenarien überbetont; die tatsächliche Gefahrenlage gerät aus dem Blick. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass eine Mehrheit der Fachverbände und Selbstvertretungen diese Bedrohungsszenarien für lebensfremd und unrealistisch halten. Ebenso unberücksichtigt bleiben die Erfahrungswerte aus Ländern, die einen selbstbestimmten Geschlechtseintrag bereits eingeführt haben. Dort wurde seit der Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes kein Anstieg von Gewalt gegen (cis-) Frauen verzeichnet, der im Zusammengang mit Gesetzen zur geschlechtlichen Selbstbestimmung steht (Köhler, Self-determination models in Europe: practical experiences, TGEU, 2022; Adamietz/Bager im Auftrag des BMFSFJ, Regelungs- und Reformbedarf für transgeschlechtliche Menschen, 2017, Begleitmaterial zur Interministeriellen Arbeitsgruppe Inter- & Transsexualität, Band 7).

§ 6 SBGG wird damit insgesamt den in § 1 SBGG normierten Zielen des Gesetzes, insbesondere der Verwirklichung eines Rechts auf Achtung und respektvolle Behandlung in Bezug auf die Geschlechtsidentität, nicht gerecht. Um dieses Ziel zu verwirklichen, sollte der Gesetzgeber die Vulnerabilität der Personengruppe anerkennen und potenzielle Bedrohungsszenarien unter Berücksichtigung der Praxiserfahrungen der Fachverbände und Selbstvertretungen aus den Bereichen Frauen- und Gewaltschutz richtig einordnen. Insgesamt erscheint uns § 6 SBGG als ungeeignet, um die angestrebte Klarstellung zu erzielen. Wir raten daher zu einer ersatzlosen Streichung der Vorschrift.

Sollte der Gesetzgeber entgegen der von der breiten Zivilgesellschaft geäußerten Bedenken an der Regelung festhalten wollen, so ist zwingend für alle Absätze des § 6 SBGG zu ergänzen, dass es nicht zu einer Diskriminierung oder Benachteiligung wegen des Geschlechts kommen darf.

4 Offenbarungsverbot ist wirkungslos (§§ 13, 14 SBGG)

LSVD und IMeV begrüßen, dass der Entwurf die Einführung eines bußgeldbewehrten Offenbarungsverbots vorsieht. Das Verbot weist allerdings so erhebliche Lücken auf und die Bußgeldbewehrung ist an so hohe Voraussetzungen geknüpft, dass beides faktisch wirkungslos bleibt.

Der Tatbestand der verbotenen Offenbarung ist ausgeschlossen, wenn abgelegte Vornamen oder der bisherige Geschlechtseintrag bereits allgemein bekannt sind. Das Offenbarungsverbot wird damit wirkungslos, sobald es zum ersten Mal verletzt worden ist. Wird beispielsweise der abgelegte Vorname durch einen Dritten bei einer lokalen Veranstaltung oder in einem Onlineartikel widerrechtlich einem größeren Personenkreis bekanntgegeben, ist die weitere Verwendung des abgelegten Namens erlaubt – das Offenbarungsverbot ist für die betroffene Person damit weitgehend nutzlos. Diese Schutzlücke muss der Gesetzgeber schließen.

Die Ausnahmen für Familienangehörige und (ehemalige) Ehegatt*innen sind zu weitgehend. Dem Interesse dieses Personenkreises an der Verwendung des abgelegten Vornamens und Geschlechtseintrags wird ein höherer Stellenwert beigemessen als dem Interesse der Betroffenen daran, dass ihr abgelegter Geschlechtseintrag und Vornamen unbekannt bleiben. Die Höhergewichtung des Interesses an der Offenbarung wird nicht begründet, auch findet keine Interessensabwägung mit den Interessen der Betroffenen statt. Hier muss dringend nachgebessert werden. Der Schutz des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen muss einen hohen Stellenwert haben und darf nur in Ausnahmefällen hinter das Interesse der Familienangehörigen an der Offenbarung zurücktreten.

Die Voraussetzungen für ein Bußgeld sind durch das Erfordernis einer Schädigungsabsicht viel zu hoch. Der Nachweis einer Schädigungsabsicht wird in der Praxis kaum gelingen. Stattdessen sollte einfacher Vorsatz ausreichen, zumal sich auch dieser auf das Tatbestandsmerkmal des Schadens erstrecken muss.

5 Geschlechtliche Selbstbestimmung für alle Menschen

Alle Menschen müssen Zugang zu geschlechtlicher Selbstbestimmung haben, unabhängig von Aufenthaltsstatus und Geschäftsfähigkeit.

Aufenthaltsstatus

Das Recht auf selbstbestimmte Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen darf nicht vom Aufenthaltsstatus abhängig gemacht werden. Die einschränkende Regelung für Personen ohne deutschen Pass in § 1 Abs. 3 SBGG muss gestrichen oder um Personen mit einer Aufenthaltsgestattung und Personen mit einer Duldung ergänzt werden.

Die Möglichkeiten zum selbstbestimmten Geschlechtseintrag bei Personen mit Duldung und bei asylsuchenden Personen sind sowohl hinsichtlich der Menschenwürde der Betroffenen wie auch für die Wahrung ihrer Recht in laufenden Asylverfahren und bei Behördenkontakten erforderlich. Asylverfahren können sich sehr lange hinziehen, teilweise leben Menschen monate- oder jahrelang ohne gesicherten Aufenthaltsstatus. Dasselbe gilt für Menschen mit Duldung, die beispielsweise wegen eines Abschiebehindernisses in Deutschland leben. Es ist nicht ersichtlich, wieso diesen Menschen das Recht auf einen selbstbestimmten Geschlechtseintrag verwehrt werden sollte.

Für geflüchtete trans* und intergeschlechtliche Personen im laufenden Asylverfahren ist die Möglichkeit des selbstbestimmten Geschlechtseintrages von enormer Bedeutung. Er ist z.B. wichtig, wenn es um Inanspruchnahme spezifisch geschützter Unterbringungsformen oder um trans*spezifische Gesundheitsleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) geht. Er ermöglicht die richtige Ansprache im Umgang mit Behörden und vor Gericht, Bescheide und Urteile ergehen mit dem richtigen Namen und Geschlecht.

Zugang für Minderjährige

LSVD und IMeV begrüßen, dass der Entwurf für die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen keine Mindestaltersgrenze vorsieht, sodass grundsätzlich allen Personen unabhängig von ihrem Alter geschlechtliche Selbstbestimmung ermöglicht wird. Die Anerkennung der geschlechtlichen Identität hat auch und gerade für Kinder und Jugendliche eine große Bedeutung (Krell/Oldemeier, Coming-out – und dann…?!, DJI, 2015).

Unverhältnismäßig sind aus unserer Sicht jedoch die in § 3 Abs. 1 SBGG vorgesehenen Hürden für die geschlechtliche Selbstbestimmung Jugendlicher ab dem 14. Lebensjahr, die hierfür die Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter*innen bzw. eine Ersetzung durch das Familiengericht benötigen. Diese Lösung entspricht nicht der zunehmenden Entscheidungs- und Verantwortungsfähigkeit, die Jugendlichen in anderen Rechtsbereichen, wie beispielsweise der Wahl der Religion oder der Wahl über einen Beruf zugetraut wird. Jugendliche sollten daher ab dem 14. Lebensjahr selbstbestimmt über die rechtliche Anerkennung ihrer geschlechtlichen Identität entscheiden und die Erklärung selbst gegenüber dem Standesamt abgeben können, ohne dass es einer Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter*innen bedarf. So war dies auch in den Gesetzentwürfen von FDP und Bündnis 90/ Die Grünen aus der letzten Legislaturperiode vorgesehen.

§ 3 Abs. 2 SBGG regelt die Erklärung für Minderjährige, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Um ein größtmögliches Selbstbestimmungsrecht über seine geschlechtliche Identität sicherzustellen, sollte analog zu den Regelungen im Namensrecht eine Änderung des Geschlechtseintrags oder der Vornamen eines Kindes durch dessen gesetzliche Vertreter*innen nur mit dessen Einwilligung möglich sein, sobald das Kind die hierfür notwendige Einsichtsfähigkeit hat. Dies ist spätestens mit Vollendung des fünften Lebensjahrs anzunehmen (vgl. § 1617c Abs. 1 S. 1 BGB).

Zugang für Menschen unter gesetzlicher Betreuung

Die Regelung in § 3 Abs. 3 SBGG für volljährige Personen unter gesetzlicher Betreuung muss gestrichen werden; sie erschwert die Änderung für Personen unter Betreuung im Vergleich zur bisherigen Rechtslage. Betroffene sollten auch weiterhin die Erklärung selbst abgeben dürfen; durch den Genehmigungsvorbehalt des Betreuungsgerichts wird die Änderung nach SBGG auf eine Stufe mit Entscheidungen zu Freiheitsentziehung oder Sterilisation gestellt. Angemessen wäre hingegen eine Regelung entsprechend der Eheerklärung. In diesem Zusammenhang schlagen wir eine Ergänzung von § 1825 Abs. 2 BGB um die Erklärung zum Geschlechtseintrag und zu den Vornamen vor.

6 Verschlechterung des ohnehin bereits diskriminierenden Abstammungsrechts

§ 11 SBGG ist als Interimslösung ungeeignet und ersatzlos zu streichen. Die Regelung nimmt die Abstammungsrechtsreform teilweise vorweg und führt für einige Betroffene sogar zu einer Verschlechterung der Rechtslage (Chebout, Verfassungsblog, 23.05.2023).

Das TSG sieht derzeit vor, dass im Geburtenregister der abgelegte Vorname (§ 5 Abs. 3 TSG) und das abgelegte Geschlecht (§ 11 TSG) einzutragen sind. Ein trans* Mann, der ein Kind zur Welt bringt, wird demnach im Geburtenregister und in der Geburtsurkunde als Mutter mit seinem abgelegten weiblichen Namen eingetragen, obwohl diese Person weder personenstandsrechtlich noch faktisch existiert. Analog wird eine trans* Frau, die ein Kind gezeugt hat, als Vater mit dem abgelegten männlichen Namen eingetragen.

Durch den Wegfall von § 5 Abs. 3 TSG könnten Elternteile künftig mit ihren aktuellen Vornamen in das Geburtsregister eingetragen werden. Zwar wäre auch weiterhin eine Eintragung als Mutter oder Vater von der Rolle als gebärende oder zeugende Person abhängig. Durch die vorgesehene Änderung in § 42 Personenstandsverordnung (PStV) könnte jedoch die Geburtsurkunde auf den aktuellen Vornamen und die Bezeichnung „Elternteil“ ausgestellt werden. Damit wäre eine zufriedenstellende Interimslösung bis zur Abstammungsrechtsreform gefunden, die jedenfalls keine Verschlechterung zur bisherigen Rechtslage darstellt.

§11 SBGG führt hingegen eine komplizierte Neuregelung der bisherigen diskriminierenden TSG-Regelungen ein, die an keiner Stelle zu Verbesserungen, teilweise aber zu Verschlechterungen führt. Letzteres gilt insbesondere für zeugende Elternteile, die zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes keinen männlichen Geschlechtseintrag haben. Bisher konnten Personen, denen bei Geburt das männliche Geschlecht zugewiesen worden war, unabhängig von ihrem aktuellen Geschlechtseintrag zum Zeitpunkt der Geburt ihres Kindes qua Ehe oder Anerkennungserklärung „Vater“ und damit rechtlicher Elternteil werden. Die im Entwurf vorgesehene Regelung ermöglicht die Besetzung der zweiten Elternstelle qua Ehe oder Anerkennung nur noch, wenn der Personenstand zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes männlich war (§ 11 Abs. 1 S. 2 SBGG). Damit sind trans* Frauen sowie diverse und geschlechtslose Personen, die ein Kind gezeugt haben, künftig von der Besetzung der zweiten Elternstelle qua Ehe oder Anerkennung ausgeschlossen. Negativ betroffen von der geplanten Regelung sind auch intergeschlechtliche Menschen mit weiblichem Personenstand, die Keimdrüsen besitzen und Spermien produzieren – diese können bisher die Vaterschaft anerkennen.

Zukünftig sollen alle nicht-männlichen Personen auf die gerichtliche Feststellung gem. § 1592 Nr. 3 BGB oder auf die Stiefkindadoption verwiesen werden. Für die Feststellung nach § 1592 Nr. 3 BGB soll dabei ausweislich der Gesetzesbegründung nicht – wie sonst üblich – der Nachweis der genetischen Abstammung ausreichen. Vielmehr muss nachgewiesen werden, dass die biologische Abstammung auf einer Zeugung durch männliche Gameten, also Samen, beruht (S. 57). Unklar bleibt, wie dieser Nachweis zu erbringen ist. Ein DNA-Gutachten weist lediglich die genetische Abstammung nach, nicht jedoch, welcher Keimzellenbeitrag geleistet wurde. Die weiteren in der Gesetzesbegründung genannten Beweismittel, etwa Zeug*innenvernehmungen und Vernehmungen der Beteiligten, bergen die Gefahr entwürdigender Beweiserhebungspraxen durch Gerichte. Der Nachweis einer Zeugung durch männliche Gameten würde auf die erwartbar stereotypen Geschlechtsvorstellungen einzelner Richter*innen verlagert, die eine Person als „männliche Gameten produzierend oder nicht“ einstufen müssten.

Insbesondere für intergeschlechtliche Menschen stellt § 11 SBGG eine Verschlechterung zur bisherigen Rechtslage dar. Für diese gab es bisher keine § 5 Abs. 3 oder § 11 TSG vergleichbaren Regelungen. Zwar enthält § 42 Abs. 2 S. 4 PStV eine Anweisung an das Standesamt, wonach Personen, die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet sind, die Vaterschaftszuordnung qua Ehe oder Anerkennung verwehrt bleiben soll. Diese 2018 vom CSU-geführten Bundesinnenministerium eingeführte Regelung hat jedoch nur Verordnungsrang; mit § 11 SBGG würde sie – durch eine Ampelregierung! – in den Rang eines Parlamentsgesetzes gehoben. Mit dieser Änderung würde auch die verfassungsrechtlich gebotene und von einigen Gerichten vertretene analoge Anwendung von § 1592 Nr. 1 und 2 BGB auf Personen aller Geschlechter verunmöglicht.

7 Getrennte Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag ermöglichen

Unverständlich ist für uns, dass im Kabinettsentwurf – anders noch als im Referent*innenentwurf – die getrennte Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag nicht mehr vorgesehen ist. Dies stellt eine Verschlechterung zur aktuellen Rechtslage dar und ignoriert die Lebensrealitäten der Betroffenen.

Für nichtbinäre und intergeschlechtliche Personen kann beispielsweise die Änderung nur des Vornamens oder nur des Geschlechtseintrags ausreichen, um ihr Geschlecht auszudrücken. Der Vorname kann z.B. bereits geschlechtsneutral sein, sodass nur eine Änderung des Geschlechtseintrags erforderlich ist – z.B. von offen zu weiblich oder von männlich zu divers. Andererseits kann angesichts der teilweise massiven Diskriminierungen und rechtlichen Schwierigkeiten, die mit einem diversen oder offenen Personenstand einhergehen, für nichtbinäre Personen die Änderung nur des Vornamens eine tragbare Lösung darstellen. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber die noch im Referent*innenentwurf vorgesehenen Änderungen des Paßgesetzes nicht in den Kabinettsentwurf übernommen hat (Artikel 2 SBGG). Bei Reisen in bestimmte Länder kann ein Reisepass mit dem Eintrag „X“ zu massiven Diskriminierungen bei der Einreise führen, wie z.B. Leibesvisitationen oder diskriminierende Befragungen. Häufig können Personen mit dem Eintrag „X“ bereits keine Flugtickets erwerben, da viele Airlines den Buchenden auch heute noch nur die Auswahl zwischen „M“ (männlich) oder „F“ (weiblich) geben.

Wir möchten Sie herzlich und eindringlich bitten, sich für die Streichung bzw. Änderung der erwähnten Regelungen auszusprechen und dafür zu sorgen, dass das Selbstbestimmungsgesetz seinem Namen gerecht wird.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Sarah Ponti, LL.M. (Melbourne), LSVD-Grundsatzreferentin
Charlotte Wunn, 1. Vorsitzende IMeV

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