Erfahrungen von trans* Menschen in Deutschland
Coming-out, Transition, Offenheit und Diskriminierung im Alltag, Erfahrungen mit Hasskriminalität
Am 14. Mai 2024 wurden die Ergebnisse des dritten großen LGBTI-Survey veröffentlicht. Hier findet sich ein Überblick über die bisher zu Deutschland bekanntgegebenen Ergebnisse. Die ausführlichen Daten erscheinen voraussichtlich 2025. Bis dahin beziehen sich die Zahlen in diesem Artikel auf die Ergebnisse des zweiten LGBTI-Survey von 2019.
Am 14. Mai 2020 hat die EU-Grundrechteagentur (FRA) die Ergebnisse des zweiten großen LGBTI-Survey veröffentlicht. An der Onlineumfrage haben sich knapp 140.000 Menschen aus 30 Ländern (28 EU-Staaten inkl. Großbritannien, Serbien und Nordmazedonien) beteiligt. Sie ist damit die größte internationale Umfrage unter LGBTI.
Aus Deutschland haben sich insgesamt 16.119 Menschen an der Umfrage beteiligt, knapp 17% davon waren trans* Menschen (ca. 2.750) - Hier veröffentlichen wir die Ergebnisse zu ihren Erfahrungen im Alltag, mit Diskriminierung und Hassgewalt. Hier finden sich die Ergebnisse für lesbische und bisexuelle Frauen sowie für schwule und bisexuelle Männer und intergeschlechtliche Personen.
- Coming-out und Offenheit im Alltag
- Erfahrungen mit Hassgewalt
- Erfahrungen mit Diskriminierung
- Erfahrungen am Arbeitsplatz
- Gesundheitliche Lage und Diskriminierung im Gesundheitswesen
- Diskriminierung an der Schule
1. Coming-out, Transition und Offenheit im Alltag
Coming-out
Wie alt warst du als du zum ersten Mal bemerkt hast, dass dein Geschlecht nicht mit dem bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht übereinstimmt.
- mit 5 Jahren oder jünger: 20%
- mit 6-9 Jahren: 18%
- mit 10-14 Jahren: 26%
- mit 15-17 Jahren: 12%
- mit 18-24 Jahren: 10%
- mit 25-34 Jahren: 5%
- mit 35-54 Jahren: 4%
Wie alt warst du als du erstmalig jemanden anderem davon erzählt hast?
- mit 5 Jahren oder jünger: 4%
- mit 6-9 Jahren: 3%
- mit 10-14 Jahren: 7%
- mit 15-17 Jahren: 12%
- mit 18-24 Jahren: 21%
- mit 25-34 Jahren: 17%
- mit 35-54 Jahren: 20%
- 12% haben es noch niemandem erzählt
Geschlechtsangleichende Maßnahmen
In welchem Alter hast du dich geschlechtsangleichende Maßnahmen unterzogen, damit dein Körper besser zu deiner Geschlechtsidentität passt
- 46% haben sich keinen geschlechtsangleichenden Maßnahmen unterzogen
- mit 5 Jahren oder jünger: 0%
- mit 6-9 Jahren: 1%
- mit 10-14 Jahren: 2%
- mit 15-17 Jahren: 6%
- mit 18-24 Jahren: 20%
- mit 25-34 Jahren: 24%
- mit 35-54 Jahren: 42%
- älter als 55 Jahre: 5%
21% der trans* Befragten haben überlegt für medizinische Behandlungen ins Ausland zu gehen.
Änderung des Geschlechtseintrags
30% haben ihren Geschlechtseintrag ändern lassen, 61% nicht und 9% befinden sich im Änderungsverfahren. Warum wurde der Geschlechtseintrag bislang nicht geändert?
- 18% wollen das gar nicht
- 24% finden es nicht notwendig
- 19% sind mit den gesetzlichen Bedingungen für eine Änderung nicht einverstanden
- 17% erfüllen die gesetzlichen Bedingungen nicht
- 21% haben es vor
- 15% wissen nicht, ob sie können
- 10% finden es zu schwierig
- 10% finden es zu teuer
Offenheit im Alltag?
- 24% der trans* Befragten vermeiden es immer oder oft ihr Geschlecht durch ihre physische Erscheinung und Kleidung auszudrücken. 29% vermeiden das mitunter, 47% vermeiden das nicht.
- 33% der trans* Befragten vermeiden es oft oder immer, mit ihrem/ihrer Partner*in Händchen zu halten.
- 31% der befragten trans* Menschen vermeiden oft oder immer bestimmte Plätze und Orte aus Angst vor Gewalt oder Belästigung. 31% der trans* Befragten sind am Arbeitsplatz vollkommen ungeoutet.
An welchen Orten meiden es trans* Menschen aus Angst vor Gewalt und Belästigung offen zu sein?
- Zuhause: 8%
- Bei ihrer Familie: 25%
- in der Schule: 16%
- am Arbeitsplatz: 35%
- im Café, Restaurant, Diskothek: 34%
- im öffentlichen Nahverkehr: 47%
- auf der Straße: 45%
- im Gesundheitswesen: 31%
2. Erfahrungen mit Hassgewalt
10% der trans* Befragten haben in den letzten 12 Monaten Belästigungen und Gewalt erfahren. Jede*r Fünfte (19%) wurden in den letzten fünf Jahren angegriffen, weil er*sie trans* sind.
Wo passierte der letzte physische bzw. sexualisierte Angriff?
- Zuhause: 11%
- am Arbeitsplatz: 5%
- im Café, Restaurant, Diskothek: 6%
- im öffentlichen Nahverkehr: 19%
- auf der Straße: 48%
Wer waren die Täter*innen beim letzten Angriff?
- Zu 52% wurden sie von Einzelttäter*innen und nicht von mehreren angriffen.
- Zu 88% waren es männliche Täter.
- Zu 56% kannten sie die Täter*in nicht.
Welche weiteren Formen von Hasskriminalität und Belästigung mussten sie in den letzten 12 Monaten erleben?
- verbale Belästigung: 35%
- non-verbale Belästigung: 34%
- digitale Belästigung: 15%
- mehr als einmal beleidigt: 69%
- mehr als einmal persönlich bedroht: 63%
- mehr als einmal beleidigende oder drohende Gesten erlebt: 81%
- mehr als einmal beleidigende oder bedrohliche E-Mails / Textnachrichten erhalten: 72%
- mehr als einmal Ziel von Hasskommentaren in social media: 78%
Folgen von Hasskriminalität für die Betroffenen
- 10% der trans* Befragten mussten medizinisch versorgt werden, nachdem sie Hasskriminalität erfahren haben
- 6% der trans* Befragten waren danach arbeitsunfähig
- 31% der trans* Befragten hatten danach Angst vor die Tür zu gehen oder bestimmte Orte aufzusuchen.
- 55% der trans* Befragten berichteten von anschließenden psychischen Problemen (Depression, Angst u.a.)
- 26% der trans* Befragten gaben an, dass das Erlebnis bei ihnen keine Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden hatte
Lediglich 12% der trans* Befragten haben den letzten physischen Angriff oder sexualisierte Gewalterfahrung bei der Polizei angezeigt.
- 30% fanden den Vorfall nicht schlimm genug.
- 39% glaubten nicht, dass eine Anzeige was bringen würde
- 30% haben kein Vertrauen in die Polizei
- 15% stellten keine Anzeige aus Angst vor negativen Folgen / vor Täter*in.
- 12% verzichteten auf eine Anzeige, weil sie sich schämten
- 33% stellten keine Anzeige aus Angst vor transfeindlicher Reaktion der Polizei
- 4% stellten keine Anzeige aufgrund ihres Aufenthaltstatus
3. Erfahrungen mit Diskriminierung
66% der trans* Befragten in mehr als acht Lebensbereichen in den letzten 12 Monaten aufgrund ihres Trans*-Seins diskriminiert. 90% haben den letzten Vorfall nicht gemeldet.
Wo/ Wann wurden sie in den letzten 12 Monaten diskriminiert?
- 36% bei Bewerbung / Jobsuche
- 39% am Arbeitsplatz
- 22% bei der Wohnungssuche
- 40% bei Inanspruchnahme sozialer Dienste/ Gesundheitsdienste
- 40% von Personal in Schulen/ Universitäten
- 29% in Café, Bar, Restaurant oder Club
- 29% beim Einkaufen/ in einem Geschäft
- 31% beim Vorzeigen eines offiziellen Dokuments, das ihr Geschlecht ("sex") ausweist
In welcher Situation hat bei trans* Personen der letzte Diskriminierungsvorfall stattgefunden
- Bei Bewerbung: 7%
- Am Arbeitsplatz: 21%
- Bei Wohnungssuche: 3%
- Soziale Dienste/ Gesundheitsdienste: 24%
- Schule/Universität: 10%
- Café, Bar, Restaurant, Club: 12%
- Geschäft: 12%
- Beim Vorzeigen von offiziellen Dokument, das das Geschlecht ausweist: 12%
4. Erfahrungen am Arbeitsplatz
Bei der Jobsuche haben 36% der trans* Personen in den letzten 12 Monaten Diskriminierung erfahren. 39% wurden im letzten Jahr am Arbeitsplatz diskriminiert. Bei 7% war der letzte Diskriminierungsfall bei der Bewerbung, am Arbeitsplatz für 21% der trans* Befragten.
Unterstützung am Arbeitsplatz?
- 24% der trans* Befragten haben in den letzten fünf Jahren am Arbeitsplatz oft eine allgemeine negative Einstellung gegenüber LSBTI erlebt
- 46% der trans* Befragten haben in den letzten fünf Jahren am Arbeitsplatz mitunter eine allgemeine negative Einstellung gegenüber LSBTI erlebt
- 26% der trans* Befragten haben in den letzten fünf Jahren am Arbeitsplatz nie eine allgemeine negative Einstellung gegenüber LSBTI erlebt
- 16% der trans* Befragten haben in den letzten fünf Jahren am Arbeitsplatz erfahren, dass jemand sie und ihre Rechte immer unterstützt und verteidigt hat.
- 27% der trans* Befragten haben in den letzten fünf Jahren am Arbeitsplatz erfahren, dass jemand sie und ihre Rechte oft unterstützt und verteidigt hat.
- 29% der trans* Befragten haben in den letzten fünf Jahren am Arbeitsplatz nie erlebt, dass jemand sie und ihre Rechte unterstützt und verteidigt hat.
5. Gesundheitliche Lage und Diskriminierung im Gesundheitswesen
Allgemeines gesundheitliches Befinden
- Für sehr gut befinden 16% der befragten trans* Personen ihr allgemeines gesundheitliches Befinden. 41% bezeichnen es als gut, 30% als ausreichend und 12% als schlecht.
- Bei 56% der trans* Menschen liegt eine Langzeiterkrankung vor bzw. haben gesundheitliche Probleme, die länger als sechs Monate andauerten/ andauern.
- 10% der befragten trans* Menschen haben sich in den letzten 14 Tagen nicht einen Moment depressiv oder niedergeschlagen gefühlt.
- 27% der trans* Befragten haben sich in den letzten 14 Tagen meistens bzw. immer depressiv oder niedergeschlagen gefühlt.
Bei 24% der trans* Befragten fand die letzte erlebte Diskriminierung bei der Inanspruchnnahme sozialer Dienste bzw. Gesundheitsdiensten statt. 40% der Befragten haben in den letzten 12 Monaten in diesem Bereich Diskriminierung erfahren.
Welche diskriminierenden Erlebnisse wurden bei der Inanspruchnnahme sozialer Dienste bzw. Gesunheitsdiensten gemacht?
- 15% Hürden beim Zugang
- 15% mussten nach negativer Erfahrung Ärzt*in wechseln
- 19% vermieden medizinische Behandlung aus Angst vor Diskriminierung
- 22% besondere Bedürfnisse wurden ignoriert
- 25% unangebrachte Neugierde / Kommentare
- 18% unter Druck gesetzt, sich einer bestimmten medizinischen / psychologischen Maßnahme zu unterziehen
- 3% haben nie Gesundheitsdienste beansprucht
- 18% haben Gesundheitsdienste gemieden
- Nur vier von 10 Befragten (40%) haben keine der genannten Vorfälle erlebt
6. Diskriminierung an der Schule
Offen an der Schule?
- 69% der trans* Befragten sind ungeoutet, 27% haben sich bei einigen an ihrer Schule geoutet und 4% beschreiben sich als sehr offen an der Schule.
- Aus Angst vor Gewalt und Belästigung meiden es 16% der trans* Befragten offen in der Schule zu sein.
40% der trans* Befragten wurden in den letzten 12 Monaten durch Personal einer Schule / Universität diskriminiert. Bei 10% der trans* Befragten hat der letzte Diskriminierungsvorfall an der Schule / Universität stattgefunden.
60% der befragten trans* Personen haben während ihrer Schulzeit erlebt, dass sie beleidigt, bedroht oder lächerlich gemacht wurden. Während der Schulzeit gegen sie gerichtete negative Kommentare oder negatives Verhalten erlebt haben
- 11% der trans* Befragten immer
- 37% der trans* Befragten oft
- 29% der trans* Befragten manchmal
Unterstützung aus dem Umfeld?
- 55% der trans* Befragten haben nicht erlebt, dass in der Schulzeit jemand sie und ihre Rechte unterstützt und verteidigt hätte
- 38% der trans* Befragten haben während ihrer Schulzeit nie mitbekommen, dass jemand für LSBTI-Rechte geworben, diese unterstützt oder verteidigt hätte
Weiterlesen
- Wie homophob ist Deutschland? Wie verbreitet ist Transphobie bzw. Transfeindlichkeit? Ausführliche Dokumentation der Ergebnisse von Studien und Umfragen über die Einstellungen zu Lesben, Schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI) in Deutschland?
- Gewalt gegen Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI). Zahlen zu homo- und transphober Hasskriminalität / PMK Hasskriminalität aufgrund der sexuellen Orientierung
- Vielfältige Geschlechter in der Kinder- und Jugendhilfe. Ergebnisse des Fachforums auf dem 3. Regenbogenparlament "Akzeptanz für LSBTI* in Jugendarbeit und Bildung"
- Bundesgerichtshof beschränkt die Anwendung des § 45b Personenstandsgesetz auf inter* Personen. LSVD hält den anhaltenden Verweis von Trans* auf das diskriminierende Gerichtsverfahren nach dem TSG für verfassungswidrig
- Ratgeber zum Transsexuellengesetz. Voraussetzungen für die Namens- und Personenstandsänderung
- Der dritte Geschlechtseintrag im Personenstandsrecht. Dokumentation des Gesetzesverfahren