Erneuter Anstieg queerfeindlicher Hasskriminalität
LSVD fordert Verbesserung des Rechtsschutzes für LSBTIQ* als Konsequenz
Berlin, 21.05.2024. Im Jahr 2022 erfasste die Statistik Politisch Motivierter Hasskriminalität im Unterthemenfeld „sexuelle Orientierung“ 1.005 Fälle, bei „geschlechtsbezogene Diversität“ wurden 417 Fälle gemeldet. Heute stellte das Bundesinnenministerium die Zahlen des Jahres 2023 vor: 1.499 Fälle im Bereich „sexuelle Orientierung“ und 854 Fälle im Bereich „geschlechtsbezogene Diversität“. Dazu erklärt Andre Lehmann aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD):
Im vergangenen Jahr wurden vier Vorfälle queerfeindlicher Hasskriminalität mit Bezug zu „sexueller Orientierung“ pro Tag in Deutschland und mehr als zwei mit dem Bezug zu „geschlechtsbezogener Diversität“ gemeldet. Wir sind entsetzt über diesen weiteren deutlichen Anstieg. Bereits seit Beginn der Erfassung 2017 steigen die Zahlen von Hasskriminalität gegen lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche sowie weitere queere Menschen (LSBTIQ*) immer weiter an. Die dramatischen Zahlen machen deutlich: Die gesamte Bundesregierung inklusive Bundeskanzler Scholz muss dafür sorgen, dass sich die Lage nicht noch weiter verschärft. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich nicht nur durch das Hissen von Regenbogenflaggen, sondern durch längst überfällige Gesetzesanpassungen unmissverständlich für die Sicherheit und Menschenrechte von LSBTIQ* einzusetzen. Dazu gehört, dass das Diskriminierungsverbot in Artikel 3,3 des Grundgesetzes queere Menschen explizit einschließt. Diese Grundgesetzänderung ist längst überfällig! Die weiteren noch offenen queerpolitischen Vorhaben der Bundesregierung könnten angesichts der Zunahme der Angriffe auf LSBTIQ* und der fortgeschrittenen Legislaturperiode nicht drängender sein.
Queere Menschen müssen in Deutschland jedes Mal darüber nachdenken, ob sie beispielsweise in der Öffentlichkeit Händchen halten oder anders als queer sichtbar sind. Das ist ein deutlicher Einschnitt in die persönliche Freiheit und das Sicherheitsempfinden von Millionen Menschen in diesem Land. Das darf unsere Gesellschaft nicht weiter ignorieren. Und dennoch blieb ein gesellschaftlicher Aufschrei über das verschärfte Klima gegenüber LSBTIQ* bislang aus. Wenn eine Minderheit wie LSBTIQ* verbal und physisch immer öfter angegriffen wird, dann ist unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung in Gefahr, die auf der Gleichwertigkeit der vielfältigen Lebenswelten aufbaut. Das geht die gesamte Gesellschaft an! Deshalb fordern wir alle auf, bei den kommenden Kommunal-, Landtags- und Europawahlen nur queerfreundliche Parteien zu wählen.
Zum Hintergrund:
Wir gehen von einem Dunkelfeld von 80 bis 90 Prozent aus. Viele Betroffene zeigen die Übergriffe nicht an, weil die eindeutige Feststellung eines queerfeindlichen Motivs schwierig ist und Betroffene aus Scham oder Misstrauen gegenüber der Polizei Straftaten teilweise nicht melden. Laut der Umfrage EU-Grundgechteagentur FRA von 2024 meldeten nur zehn Prozent der Polizei einen queerfeindlichen Vorfall. Zudem erfassen immer noch nicht alle Bundesländer die regionalen Zahlen an queerfeindlicher Hasskriminalität. Mit einer solchen Erfassung würden sie deutlich machen, dass ihnen das Thema wichtig ist. Neben den heute erschienenen Zahlen zeigt auch die FRA-Umfrage von letzter Woche eine Zunahme an Queerfeindlichkeit. Für die Anpassung des Artikel 3,3 des Grundgesetzes sprach sich am Wochenende auch Ferda Ataman als Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung aus.
Weiterlesen:
- Homophobe Gewalt: Angriffe auf Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie queere Menschen (LSBTIQ*) (lsvd.de)
- Alltag: Homophobe und transfeindliche Gewaltvorfälle in Deutschland (lsvd.de)
- IDHOBITA: Antidemokratische Parteien lösen mehr und mehr Angriffe und Anfeindungen auf LSBTIQ* Personen aus (lsvd.de)
- 30 Jahre ohne Kriminalisierung durch § 175 StGB (lsvd.de)
- BKA - Politisch motivierte Kriminalität - Vorstellung der Fallzahlen zur Politisch motivierten Kriminalität 2023
- LGBTIQ Survey - Country factsheet - Germany (europa.eu)
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