Menu
Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD⁺)

Schwuler Geflüchteter nach Irak abgeschoben

Imedana e.V., IraQueer und LSVD kritisieren Vorgehen des BAMFs scharf

Pressemitteilung vom 23.07.2024

Nürnberg, 23. Juli 2024. Der schwule Geflüchtete Ali A. wird derzeit nach Irak abgeschoben. Zuvor verbrachte er mehrere Wochen in Abschiebegewahrsam. Seine Rechtsanwältin aus Nürnberg stellte unverzüglich gemeinsam mit Imedana e.V. einen Asylfolgeantrag und machte deutlich, dass er wegen der dortigen Verfolgung als schwuler Mann unmöglich in den Irak zurückkehren kann. Am 12.07.2024 fand hierzu eine informatorische Anhörung in der Abschiebehafteinrichtung in Eichstätt statt. Am 10.07.2024 wurde seine Anwältin „über die Absicht, die Anhörung am 12.07.24 durchzuführen“ informiert. Es gab weder eine ordentliche Ladung noch wurde ihr – trotz Nachfrage – die Uhrzeit der Anhörung mitgeteilt. Dazu erklären Imedana e.V. Nürnberg, IraQueer und der Lesben- und Schwulenverband (LSVD):

Tobias Wöhner von Imedana e.V.: „Dass das BAMF eine extrem zeitlich begrenzte Anhörung durchführt, den langjährigen Lebenspartner nicht anhört, unseren Input ignoriert und dann zu dem Entschluss kommt, der Antragsteller sei nicht schwul und könne in den Irak abgeschoben werden, ist ein unfassbarer Skandal, wie ich ihn noch nie in meiner beruflichen Laufbahn und hunderten von Asylverfahren erlebt habe.“

Es scheint, dass das BAMF versucht, Tatsachen zu schaffen, NGOs wie Imedana e.V. den Zugang zu Anhörungen zu erschweren und eine anwaltliche Vertretung unmöglich zu machen. Dies stellt eine Aushöhlung des Rechtsstaats dar und ist besonders problematisch, wenn sie Geflüchtete trifft, die wie Ali zweifelsfrei einen Anspruch auf Schutz in Deutschland hätten, was auch die gängige Entscheidungspraxis der Gerichte und des BAMFs selbst ist. Dieses Vorgehen zeigt, wie das neue „Rückführungsverbesserungsgesetz“ von Seiten des BAMFs missbraucht wird, um Rechtsmittel auszuhebeln.

Jörg Hutter aus dem Bundesvorstand des LSVD erklärt hierzu: „Genau vor dieser Situation haben wir gewarnt, als wir uns gegen das neue „Rückführungsverbesserungsgesetz“ ausgesprochen haben. Es muss sichergestellt sein, dass Rechtsmittel zur Verfügung stehen und ein derartiges Vorgehen des BAMFs entschieden zurückgewiesen wird. Hier stehen das BMI und die BAMF-Leitung in der Pflicht. Wir fordern eine umgehende Klarstellung, wie es zu dieser Situation kommen konnte.“

Zum Hintergrund:

Tobias Wöhner von Imedana e.V. fuhr am 12.07.24 trotzdem gemeinsam mit dem langjährigen Beziehungspartner des Antragstellers nach Eichstätt in die Abschiebehaft. Dort angekommen machte die zuständige Entscheiderin sofort klar, dass sie nicht beabsichtigt, den Partner des Antragstellers anzuhören, obgleich es in dem Asylfolgeverfahren ausschließlich um die Glaubwürdigkeit der Homosexualität geht. Die Entscheiderin erklärte, dass die Anhörung unter allen Umständen um 11:30 Uhr (inklusive Rückübersetzung) erledigt sein müsse. Der Einwand, dass eine derartig begrenzte Anhörung unzulässig sei und dem komplexen Thema der Homosexualität unmöglich gerecht werden könne, wurde ignoriert. Die Anhörung begann um kurz nach neun und ergab eine reale Befragungszeit von 90 Minuten. Nach diesen 90 Minuten entschied die Entscheiderin, dass die Beziehung eine Lüge sei und die Tatsache, dass er fest in die LGBTIQ*-Community integriert ist, keine Relevanz habe.

Am 22.07.2024 – einen Tag vor der geplanten Abschiebung – schickte das BAMF Zirndorf per E-Mail den Bescheid an die Rechtsanwältin, mit dem Hinweis, dass die förmliche Zustellung, die nötig ist, um Rechtsmittel einzulegen, auf dem Postweg erfolge. Zu diesem Zeitpunkt hatte das BAMF Zirndorf bereits der Ausländerbehörde mitgeteilt, dass der Antrag nur zur Verzögerung gestellt worden sei, und machte so den Weg frei, um Ali A. abzuschieben, obgleich der Bescheid noch gar nicht zugestellt worden war. Dies geschah kurz nachdem das irakische Parlament die Verfolgung von Homosexuellen im Irak weiter verschärft hat. Das irakische Parlament hat ein Gesetz zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen verabschiedet, das Haftstrafen von bis zu 15 Jahren vorsieht.

Update 24.07.2024: Nach übereinstimmenden Informationen wurde die Abschiebung vorläufig abgebrochen.

Für Rückfragen wenden Sie sich gerne an:

Tobias Wöhner (Imedana e.V.) unter 0163 2713317 oder Woehner@imedana.de
Kerstin Thost (LSVD) unter presse@lsvd.de
IraQueer unter ed@iraqueer.org

LSVD⁺-Bundesverband

Pressekontakt

Pressesprecher*in Kerstin  Thost

LSVD⁺-Bundesverband 
Hauptstadtbüro
Almstadtstraße 7
10119 Berlin 

Tel.: (030) 78 95 47 78
Fax: (030) 78 95 47 79
E-Mail: presse@lsvd.de

zuständiges Vorstandsmitglied

Jörg Hutter