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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD⁺)

Trans* und nicht-binäre Rechte weltweit

Weltweite Gesetze zur Selbstbestimmung, Geschlechtsanerkennung, Kriminalisierung und zum Schutz von trans* und nicht-binären Menschen

Welche Länder haben ein Selbstbestimmungsgesetz und welche Erfahrungen machen sie damit? Welche Bedingungen existieren für eine rechtliche Anerkennung des Geschlechts von trans*, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen in Ländern ohne Selbstbestimmungsgesetz? In welchen Ländern ist ein nicht-binärer Geschlechtseintrag möglich? In welchen Ländern werden trans* und nicht-binäre Menschen kriminalisiert? Welche Gesetze schützen trans* und nicht-binäre Menschen vor Gewalt?

In diesem Beitrag verschaffen wir einen Überblick über die rechtliche Lage von trans* und nicht-binären Personen weltweit. Trans* und nicht-binäre Menschen haben gemeinsam, dass der Geschlechtseintrag, der ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde, nicht mit der tatsächlichen Geschlechtsidentität übereinstimmt. Manche nicht-binäre Menschen identifizieren sich selbst auch als trans*. Andere nicht-binäre Menschen verbinden das Adjektiv “trans*” allerdings nur mit trans* Frauen und Männern. Deshalb lehnen sie das Label für sich selbst als zu binär ab. Aus diesem Grund verwenden wir in diesem Beitrag beide Begriffe.

Auch intergeschlechtliche Menschen können sich als trans* oder nicht-binär identifizieren. Einen ausführlichen Bericht über die globale rechtliche Lage von intergeschlechtlichen Menschen gibt zudem der "Intersex Legal Mapping Report" von ILGA World.

Trans* oder nicht-binär zu sein wurde lange fälschlicherweise als Krankheit angesehen. In der neuesten Version der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD-11) wird diese Diagnose jedoch nicht mehr aufgeführt. Denn: trans* oder nicht-binär zu sein ist keine Krankheit!

Die Rechtsprechung und die Gesetze vieler Staaten waren und sind jedoch in vielen Fällen immer noch ausgerichtet auf ein solches pathologisierendes Verständnis von trans* und nicht-binären Identitäten. Dies war auch in Deutschland bis 2024 unter dem “Transsexuellengesetz” der Fall. Das Gesetz verlangte zwei Gutachten, um die Änderung des Geschlechtseintrags und Vornamens beantragen zu können. Mit der Verabschiedung des Selbstbestimmungsgesetzes am 12. April 2024 entschied sich der Deutsche Bundestag jedoch dem Beispiel des ICD-11 rechtlich zu folgen, indem jegliche Fremdbegutachtung durch ein selbstbestimmtes Verfahren mittels Erklärung beim Standesamt ersetzt wurde.

Doch wie sieht die rechtliche Lage für trans* und nicht-binäre Personen in anderen Ländern aus? Dieser und weiteren Fragen gehen wir in diesem Beitrag nach, indem wir einen Überblick über weltweite Gesetze zur Selbstbestimmung, Geschlechtsanerkennung, Kriminalisierung und zum Schutz von trans* und nicht-binären Menschen liefern.

Inhaltsverzeichnis

  1. Selbstbestimmungsgesetze weltweit
    1.1 Was bedeutet Selbstbestimmung?
    1.2 Das deutsche Selbstbestimmungsgesetz
    1.3 Welche anderen Länder haben ein Selbstbestimmungsgesetz?
    1.4 Welche Erfahrungen machen andere Länder mit einem Selbstbestimmungsgesetz?
  2. Welche Bedingungen existieren für eine Geschlechtsanerkennung in Ländern ohne Selbstbestimmungsgesetz?
  3. Wie sehen Verbote von rechtlichen Geschlechtsanerkennungen aus?
  4. In welchen Ländern ist ein nicht-binärer Geschlechtseintrag möglich?
  5. In welchen Ländern werden trans* und nicht-binäre Menschen kriminalisiert?
  6. Wie können trans* und nicht-binäre Personen rechtlich vor Gewalt geschützt werden?
    6.1 Welche Gewalterfahrungen machen trans* und nicht-binäre Personen weltweit?
    6.2 Welche Gesetze schützen trans* und nicht-binäre Menschen vor Gewalt?

1. Selbstbestimmungsgesetze weltweit

1.1 Was bedeutet Selbstbestimmung?

Geschlechtliche Selbstbestimmung meint, dass eine Person, deren geschlechtliche Identität vom Eintrag nach der Geburt abweicht, ihren Geschlechtseintrag und Namen in offiziellen Dokumenten in einem einfachen administrativen Prozess anpassen kann. Dieser basiert allein auf der selbsterklärten Geschlechtsidentität der Person. Es wird kein medizinischer oder anderweitiger "Beweis" gefordert. Dementsprechend ist keine dritte Partei, wie z.B. ein*e Richter*in, Psycholog*in, Psychiater*in, medizinische Fachkraft oder auch ein Elternteil oder Betreuer*innen, in den Prozess involviert. Geschlechtliche Selbstbestimmung ist so wichtig, da sie allein der trans* Person selbst die Befugnis gibt, über ihre Geschlechtsidentität zu bestimmen. (1)

Auch bedeutet Selbstbestimmung, keine rechtlichen oder medizinischen Voraussetzungen für eine rechtliche Anerkennung des Geschlechts zu verlangen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat 2002 in einem Fall entschieden, dass trans* Personen anerkannt werden müssen. Christin Goodwin hatte auf Anerkennung ihres weiblichen Geschlechts und das Recht, in diesem Geschlecht die Ehe einzugehen, geklagt. Das Urteil sagt, dass alle Staaten, die die Europäische Menschenrechtskonvention unterschrieben haben, trans * Personen das Recht geben müssen, ihren Geschlechtseintrag zu ändern, ohne sich vorher scheiden zu lassen. (2)

1.2 Das deutsche Selbstbestimmungsgesetz

Am 12. April 2024 wurde in Deutschland das Selbstbestimmungsgesetz durch den Bundestag verabschiedet. Es ist zum 1. November 2024 in Kraft getreten und ersetzt damit das zuvor geltende Transsexuellen-Gesetz (TSG). Das Gesetz ermöglicht es trans*, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen, ihren Vornamen und Geschlechtseintrag selbstbestimmt und ohne demütigende und langwierige gerichtliche Verfahren und Begutachtungen zu ändern. Ausführliche Informationen und auch Kritikpunkte zum deutschen Selbstbestimmungsgesetz geben wir im Beitrag: Das Selbstbestimmungsgesetz: Antworten zur Abschaffung des Transsexuellengesetzes (TSG) & §45B Personenstandsgesetz.

1.3 Welche anderen Länder haben ein Selbstbestimmungsgesetz?

Die folgenden 18 Länder respektieren in entsprechenden Gesetzen die Grundrechte und Selbstbestimmung von trans* Personen bei der Änderung des Geschlechtseintrags:

  • 2012 wurde in Argentinien das "Gender Identity Law" verabschiedet, welches als erstes Gesetz weltweit trans* Personen die selbstbestimmte Änderung ihres Namens und Geschlechtseintrages erlaubte.
  • In Dänemark wurden 2014 alle medizinischen und psychologischen Voraussetzungen für die Änderung des Geschlechtseintrags durch die Einführung eines Anti-Diskriminierungsgesetzes beseitigt.
  • In Kolumbien erkannte das Verfassungsgericht 2015 das Recht auf rechtliche Anerkennung der Geschlechtsidentität an. Seitdem ist die Änderung des Geschlechtseintrages ein rein administrativer Prozess.
  • Irland hat seit 2015 ein Selbstbestimmungsgesetz.
  • Seit 2015 ist die rechtliche Anerkennung der Geschlechtsidentität in Malta auf Basis von Selbstbestimmung möglich.
  • In Norwegen ist es trans* Personen seit 2016 möglich ihre Geschlechtsidentität rechtlich auf Basis eines selbstbestimmten Prozesses anerkennen zu lassen.
  • Seit 2018 müssen trans* Personen in Belgien keine medizinischen Voraussetzungen mehr erfüllen, um ihren Geschlechtseintrag und Vornamen offiziell zu ändern.
  • 2018 entschied das oberste Gericht in Brasilien, dass weder operative Eingriffe noch hormonelle Behandlungen oder andere pathologisierende Voraussetzungen notwendig sind, wenn trans* Personen ihren Geschlechtseintrag ändern möchten.
  • In Luxemburg basiert die rechtliche Änderung des Geschlechtseintrags und Vornamens seit 2018 auf einem selbstbestimmten administrativen Prozess.
  • Portugal hat seit 2018 ein Selbstbestimmungsgesetz.
  • 2018 wurde in Uruguay ein Gesetz zum Schutz von trans* Personen verabschiedet, das unter anderem die Änderung des Geschlechtseintrags und Namens auf Basis von Selbstbestimmung möglich machte.
  • Seit 2019 wird in Island die Geschlechtsidentität rechtlich auf Basis von Selbstbestimmung anerkannt.
  • In der Schweiz wurden 2022 alle medizinischen Voraussetzungen für die rechtliche Anerkennung der Geschlechtsidentität durch einen einfachen selbstbestimmten Prozess ersetzt.
  • 2023 wurde in Finnland ein Gesetz verabschiedet, das die rechtliche Anerkennung der Geschlechtsidentität auf Basis von Selbstbestimmung beinhaltet.
  • In Neuseeland können trans* Personen seit 2023 ihren Geschlechtseintrag selbstbestimmt ändern.
  • In Spanien funktioniert die rechtliche Anerkennung der Geschlechtsidentität von trans* Personen seit 2023 über einen selbstbestimmten Prozess.
  • Seit Januar 2024 kann jede volljährige Person in Ecuador ihren "sex" oder "gender" Eintrag, allein auf Basis eines förmlichen Antrags beim Standesamt, ändern. (3)
  • Am 12. April 2024 verabschiedete der Bundestag in Deutschland das Selbstbestimmungsgesetz. Es ist am 1. November 2024 in Kraft getreten. (4)

1.4 Welche Erfahrungen machen andere Länder mit einem Selbstbestimmungsgesetz?

Debatten über Selbstbestimmungsgesetze werden häufig von Ängsten vor den vermeintlichen negativen Auswirkungen rechtlicher Selbstbestimmung des Geschlechtseintrags bestimmt. Dies kann die Umsetzung von Selbstbestimmungsgesetzen beeinflussen oder gar stoppen. Aus diesem Grund hat die Organisation Trans Europe and Central Asia (TGEU) in der Studie "Self-Determination models in Europe - Practical experiences" Fakten und Erfahrungen aus neun europäischen Staaten, welche bereits seit einiger Zeit über ein Selbstbestimmungsgesetz verfügen, zusammengetragen und ausgewertet.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass keine der zuvor angebrachten Befürchtungen wahr geworden sind: Anträge auf Änderung des Geschlechtseintrags werden nicht aus betrügerischen oder missbräuchlichen Motiven gestellt und Quoten für die Gleichstellung von Frauen werden nicht untergraben. Zudem waren keine negativen Auswirkungen auf nach Geschlechtern getrennten Einrichtungen wie Frauenhäuser, Räumlichkeiten zum Umkleiden, Krankenhäuser oder Gefängnisse feststellbar. Außerdem werden mehrmalige Änderungen des Geschlechtseintrags nur in äußerst seltenen Fällen gestellt, wofür Ablehnung im familiären oder sozialen Umfeld die Hauptgründe darstellen.

Das Fazit der Studie ist klar: Anträge auf Änderung des Geschlechtseintrags werden erst nach sorgfältiger Überlegung gestellt, weswegen die positiven Effekte von Selbstbestimmungsgesetzen deutlich überwiegen. (5)

2. Welche Bedingungen existieren für eine Geschlechtsanerkennung in Ländern ohne Selbstbestimmungsgesetz?

In vielen Ländern ohne Selbstbestimmungsgesetz ist die Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens für trans* und nicht-binäre Personen - wie auch in Deutschland bis 2024 unter dem TSG - an bestimmte Bedingungen gebunden. Diese hängen von den lokalen Gesetzgebungen ab und können unter anderem folgende Maßnahmen beinhalten:

  • Zwang zu Sterilisation, geschlechtsangleichenden Operationen, Hormonbehandlungen (in Deutschland Voraussetzung bis 2011)
  • Zwang, sich scheiden zu lassen - vor allem in Ländern, in denen gleichgeschlechtliche Ehen nicht möglich sind (in Deutschland Voraussetzung bis 2008)
  • Verbot, Kinder zu bekommen
  • Diagnose einer psychischen Störung
  • Zeug*innen und/oder medizinische oder therapeutische Gutachten, die die Geschlechtsidentität bestätigen (in Deutschland Voraussetzung bis 2024)
  • eine "Testphase", in der die trans* Person für eine bestimmte Zeit in ihrer Geschlechtsidentität gelebt haben muss (6)

Solche Bedingungen für die Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens sind menschenrechtswidrig und verstoßen massiv gegen die Grundrechte von trans* und nicht-binären Personen. In Deutschland hat das Bundesverfassungsgericht deshalb die meisten der ursprünglich im TSG enthaltenen Vorschriften als verfassungswidrig erklärt. Mehr Informationen hierzu finden sich in unserem Beitrag "Das Selbstbestimmungsgesetz: Antworten zur Abschaffung des Transsexuellengesetzes (TSG) & §45B Personenstandsgesetz".

Welche dieser Bedingungen international gelten, variiert von Staat zu Staat und hat sehr unterschiedliche Verfahrensdauern zur Folge. Einen Überblick gibt die folgende Karte von ILGA World:

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Zur Veranschaulichung der verschiedenen Abstufungen gehen wir nun beispielhaft auf die Lage in Schweden, Tschechien und Polen ein.

Schweden

Am 17.04.2024 hat das Parlament in Schweden das Verfahren zur rechtlichen Anerkennung des Geschlechts vereinfacht. Das aktualisierte Gesetz bedeutet, dass trans* Personen ihren Geschlechtseintrag in offiziellen Dokumenten leichter ändern können und keine medizinische Diagnose mehr benötigen. Allerdings basiert das aktualisierte Gesetz nicht auf dem Selbstbestimmungsrecht, und trans* Personen benötigen weiterhin ein ärztliches Attest, um ihr rechtliches Geschlecht zu ändern. (7)

Tschechien

Bisher müssen sich trans* Personen in Tschechien sterilisieren lassen, um ihren amtlichen Geschlechtseintrag und Namen ändern zu können. Voraussetzungen für diese Operation sind die Zustimmung eines medizinischen Expert*innenkommitees und ein schriftlicher Antrag. Am 7. Mai 2024 entschied das tschechische Verfassungsgericht jedoch, dass der Zwang zur Sterilisierung gegen die Menschenwürde verstößt. Das Gericht verpflichtete den Gesetzgeber daraufhin, das Gesetz bis Mitte 2025 entsprechend zu ändern. (8)

Polen

In Polen existieren keine einheitlichen gesetzlichen Regelungen dafür, wie ein Geschlechtseintrag rechtlich geändert werden kann. Dies macht den Prozess sehr langwierig, kostspielig und kompliziert. Denn zum einen werden mehrere medizinische Untersuchungen benötigt. Zum anderen müssen trans* Personen ihre Eltern verklagen, da diese ihnen laut Rechtsprechung das falsche Geschlecht zugewiesen hätten. In zahlreichen Fällen führt dieser Weg dazu, dass die Eltern den Prozess ihrer Kinder behindern und verzögern und sich das Verhältnis innerhalb der Familie verschlechtert. Außerdem müssen sich bereits verheiratete trans* Personen vor ihrer legalen Geschlechtsanpassung scheiden lassen, da es die gleichgeschlechtliche Ehe in Polen nicht gibt. (9) (10)

3. Wie sehen Verbote von rechtlichen Geschlechtsanerkennungen aus?

In vielen Ländern ist eine Änderung des Geschlechtseintrags oder Vornamens für trans* Personen rechtlich nicht möglich. Andere Staaten gehen jedoch noch einen Schritt weiter, indem sie die (rechtliche) Transition von trans* und nicht-binären Personen explizit verbieten. Um zu veranschaulichen, wie solche Verbote im konkreten Fall aussehen können und angewendet werden, gehen wir beispielhaft auf die Situationen in Russland, Ungarn und Burundi ein.

Russland

Im Juni 2023 wurde in Russland ein trans*feindliches Gesetz erlassen, das es trans* und nicht-binären Personen verbietet ihren Geschlechtseintrag im Pass ändern zu lassen. Zusätzlich wurden damit auch geschlechtsangleichende Operationen und Maßnahmen de facto verboten. Bestehende Ehen müssen außerdem annulliert werden, trans* Personen kann das Sorgerecht entzogen werden und sie dürfen keine Kinder mehr adoptieren oder zur Pflege aufnehmen. Mehr zur Lage queerer Menschen in Russland.

Ungarn

In Ungarn wurde eine rechtliche Anerkennung der Geschlechtsidentität von trans* Personen im Mai 2020 durch ein Gesetz unmöglich gemacht, das die Kategorie "Geschlecht" auf allen standesamtlichen Dokumenten mit der Kategorie "Geschlecht bei der Geburt" ersetzt. 2021 schrieb Ungarn zudem in der 9. Änderung seiner Verfassung fest, dass das bei der Geburt zugeschriebene Geschlecht einem Faktor entspricht, "der nicht geändert werden kann".

Burundi

In Burundi wird die Änderung des Geschlechtseintrags auf einem Verwaltungsdokument als Fälschung dieses Dokuments und dementsprechend als eine Straftat angesehen. (11)

4. In welchen Ländern ist ein nicht-binärer Geschlechtseintrag möglich?

Auch viele nicht-binäre Menschen möchten ihren Geschlechtseintrag in offiziellen Dokumenten an ihre Geschlechtsidentität außerhalb der Binarität anpassen. Manche Länder machen dies bereits möglich.

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Die Regelungen in den verschiedenen Staaten sind hierzu jedoch sehr unterschiedlich:

  • Eine selbstbestimmte Änderung zu einem nicht-binären Geschlechtseintrag ist in folgenden Ländern unter einem Selbstbestimmungsgesetz möglich: Neuseeland, Malta, Island, Argentinien und Deutschland (ab 1. November 2024: Nicht-binäre Personen können neben „männlich“ und „weiblich“ zwei weitere Eintragungsformen wählen: Sie können den Geschlechtseintrag „divers“ eintragen lassen oder den Geschlechtseintrag komplett streichen lassen.)
  • In Pakistan und Nepal ist es möglich, einen nicht-binären Geschlechtseintrag zu bekommen. Dieser stellt jedoch die einzige Möglichkeit dar, seinen Geschlechtseintrag zu ändern. Folglich ist es trans* Personen nicht möglich, ihren Geschlechtseintrag zu "Mann” oder “Frau” ändern zu lassen.
  • In Indien ist es selbstbestimmt möglich, einen nicht-binären Geschlechtseintrag zu erlangen. Die Änderung zu "Frau” oder “Mann” ist für trans* Personen jedoch nicht selbstbestimmt möglich, da sie eine geschlechtsangleichende Operation voraussetzt.
  • In Dänemark ist es theoretisch möglich, einen nicht-binären Geschlechtseintrag selbstbestimmt zu erlangen. Praktisch ist das Verfahren jedoch mit einem komplizierten administrativen Prozess verbunden. Zudem existiert keine geschlechtsneutrale Option für die auf einem binären System basierende Sozialversicherungsnummer.
  • In den USA, Spanien, Brasilien und Australien gibt es keine national einheitliche Rechtsprechung zu neutralen Geschlechtseinträgen. Die Möglichkeit diese zu erlangen, ist demnach nur in bestimmten Gebieten der Länder möglich.
  • In Kanada ist das Erlangen eines nicht-binären Geschlechtseintrags möglich, die konkreten Bestimmungen dafür variieren jedoch lokal.
  • In den Niederlanden, Österreich und Kenia ist ein nicht-binärer Geschlechtseintrag nur für intergeschlechtliche Menschen möglich. (12)

5. In welchen Ländern werden trans* und nicht-binäre Menschen kriminalisiert?

Es gibt weltweit nur wenige Staaten, die trans* und nicht-binäre Personen explizit kriminalisieren. Dies geschieht meist über sogenannte "Crossdressing-Gesetze", die es Personen verbieten "sich als das andere Geschlecht auszugeben". Trans* und nicht-binäre Menschen sowie Personen, die als solche wahrgenommen werden, sind in diesen Ländern dem Risiko ausgesetzt verhaftet und strafrechtlich verfolgt zu werden.

ILGA World identifizierte 2019 die folgenden dreizehn Staaten, in denen trans* und nicht-binäre Personen kriminalisiert werden: Brunei, Gambia, Indonesien, Jordanien, Kuwait, Libanon, Malawi, Malaysia, Nigeria, Oman, Südsudan, Tonga und die Vereinigten Arabischen Emirate. Zusätzlich wird der Iran genannt, dessen "Islamic Penal Code" zwar etwas vager formuliert ist, jedoch genauso schwere Konsequenzen für Personen hat, die die vorherrschenden Geschlechternormen überschreiten. (13) Seit 2023 werden trans* Menschen auch in Russland kriminalisiert, wodurch wir derzeit insgesamt von 15 kriminalisierenden Ländern ausgehen.

Trans* und nicht-binäre Personen sind jedoch auch in Staaten, in denen Homosexualität kriminalisiert wird, der Gefahr ausgesetzt verhaftet und strafrechtlich verfolgt zu werden. Denn zum einen können trans* und nicht-binäre Personen natürlich auch homo-, bi-, pansexuell oder queer sein. Zum anderen herrschen in diesen Ländern sehr binäre Vorstellungen von Geschlecht vor. Dies hat zur Folge, dass Personen, die nicht den örtlichen Geschlechternormen entsprechen, unabhängig von ihrer tatsächlichen sexuellen Orientierung, Gefahr laufen als queer gelesen und anhand der entsprechenden Gesetze bestraft zu werden. (14) Mehr zur Kriminalisierung von Homosexualität.

6. Wie können trans* und nicht-binäre Personen rechtlich vor Gewalt geschützt werden?

6.1 Welche Gewalterfahrungen machen trans* und nicht-binäre Personen weltweit?

Trans* und nicht-binäre Personen erfahren weltweit überproportional viel Gewalt und Diskriminierung und das nicht nur in Staaten, welche ihre Existenz explizit kriminalisieren. Auch in vielen Ländern, welche gemeinhin  als „sicher“ galten, wird zunehmend mehr Hassrede gegen trans* und nicht-binäre Menschen verzeichnet. Diese findet auf vielen verschiedenen Ebenen statt: in der Politik, Religionen, Gesellschaft oder den Medien und sie führt nicht selten zu organisierten und teils brutalen Kampagnen. (15)

Eine große Rolle spielen dabei sogenannte Anti-Trans* bzw. Anti-Gender Bewegungen, welche derzeit weltweit rasant an Bedeutung gewinnen. Diese versuchen durch Einflussnahme auf den gesellschaftlichen Diskurs und politische Entscheidungsträger*innen bereits erlangte Rechte für trans* und nicht-binäre Personen wieder rückgängig zu machen bzw. geplante Gesetze aufzuhalten. Einen ausführlichen Einblick über die Organisation, Narrative und Verbindungen von solchen Anti-Gender Bewegungen in Europa und Zentralasien gibt der Report “Landscape Analysis: What we know on anti-gender movement measures and actors targeting trans people across Europe and Central Asia.” von TGEU.

Der zunehmende Einfluss von Anti-Trans* bzw. Anti-Gender Bewegungen hat zur Folge, dass immer mehr Gewalt und Diskriminierung gegenüber trans* und nicht-binären Personen verzeichnet wird. Dies zeigt unter anderem das Trans Murder Monitoring, das jedes Jahr zum Trans Day of Remembrance alle weltweit gemeldeten Mordfälle an trans* Personen des letzten Jahres dokumentiert: Für den Zeitraum zwischen dem 1. Oktober 2023 und dem 30. September 2024 verzeichnete der Report 350 ermordete trans* und geschlechtsdiverse Personen, welche unter anderem auf fehlende oder ungenügend umgesetzte Gesetze gegen Hasskriminalität zurückgeführt werden. Die verzeichnete tödliche Gewalt richtet sich dabei fast ausschließlich gegen trans* Frauen oder trans*feminine Personen (94% der gemeldeten Mordopfer) sowie Schwarze Menschen und People of Colour (93% der gemeldeten Mordfälle). (16)

6.2 Welche Gesetze schützen trans* und nicht-binäre Personen vor Gewalt?

Eine wichtige Maßnahme, um trans* und nicht-binäre Personen vor Gewalt zu schützen, sind Gesetze gegen Hassrede und Hasskriminalität. Diese sollten sowohl die Geschlechtsidentität als auch den Geschlechtsausdruck als Beweggründe für Hassrede und Hasskriminalität anerkennen.

Gesetze gegen Hasskriminalität

Es gibt grundsätzlich zwei Wege, wie Staaten Hasskriminalität aufgrund der Geschlechtsidentität oder des Geschlechtsausdrucks des Opfers strafrechtlich belangen:

  • Die Schädigung von Personen aufgrund ihrer Geschlechtsidentität oder ihres Geschlechtsausdrucks wird als eigene Straftat anerkannt.
  • Es werden Rechtsvorschriften eingeführt, die es der Justiz erlaubt eine Strafe zu erhöhen, wenn die Straftat durch die Geschlechtsidentität oder den Geschlechtsausdruck des Opfers motiviert war. Auf welche Straftaten solche Rechtsvorschriften, die oft als "erschwerende Umstände" bezeichnet werden, angewendet werden können, variiert. So können sie nur für bestimmte Straftaten gelten oder generell alle Delikte eines Strafgesetzbuchs umfassen. (17)

In Deutschland wurden 2023 „geschlechtsspezifische“ sowie "gegen die sexuelle Orientierung gerichtete" Tatmotive als weitere Beispiele für menschenverachtende Beweggründe ausdrücklich in die Strafgesetze zu Hasskriminalität (§ 46 StGB) aufgenommen. "Geschlechtsspezifische" Beweggründe umfassen dabei auch solche Motive, die sich gegen die trans*- oder intergeschlechtliche Identität des Opfers richten. (18)

Gesetze gegen Hassrede

Gesetze, die die Anstiftung zu Hass, Gewalt oder Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität oder des Geschlechtsausdrucks verbieten, variieren sehr in ihrer exakten Formulierung und in den Anwendungsbereichen. Die Rechtsprechung mancher Länder belangt Hassrede oder Äußerungen, die Menschen zu Gewalt anstiften können. In anderen Staaten beinhalten die Gesetze noch weitere Begriffe wie Belästigung, Diskriminierung oder Intoleranz. In einigen Ländern ist es zudem verboten, soziale Gruppen zu verleumden, entwürdigen oder zu demütigen. (19)

Einen Überblick über die Existenz von Gesetzen gegen Hasskriminalität und -rede in Europa gibt die folgende Karte von TGEU:

tgeu-trans-rights-map-2025-hate-speech-_-crime-en.png

Weiterführendes

Fußnoten

(1) Richard Köhler (2022): Self-determination models in Europe: Practical experiences, TGEU, S. 10.
(2) Christine Goodwin . /. Vereinigtes Königreich, EGMR, 11.07.2002 - 28957/95
(3) Ecuador Scores a Legislative Victory for LGBTQ+ Rights - Vital Strategies
(4) Alle Informationen dieser Auflistung basieren auf: Legal Frameworks | Legal Gender Recognition (ILGA World Database), Stand: 07.01.2025
(5) TGEU (2023): Gender Self-determination Actually Works! Study Finds.
(6) Legal Frameworks | Legal Gender Recognition (ILGA World Database), Stand: 07.01.2025
(7) TGEU (2024): Historic first step: Swedish Parliament simplifies gender recognition process but doesn’t go far enough
(8) Kachlíková, Markéta (2024): Verfassungsgericht: Tschechien muss Zwangssterilisation bei Geschlechtsänderung abschaffen, Radio Prague International.
(9) Kuner, Lisa & Dehnen, Elias (2021): Gehen oder bleiben?, Amnesty International.
(10) Enough is Enough! (2021): Die Situation von Trans*-Menschen und Genderqueers in Polen.
(11) Legal Frameworks | Legal Gender Recognition (ILGA World Database), Stand: 07.01.2025
(12) ebd.
(13) ILGA World: Chiam, Zhan; Duffy, Sandra; González Gil, Matilda; Goodwin, Lara & Mpemba Patel, Nigel Timothy (2020): Trans Legal Mapping Report 2019: Recognition before the law, S. 10.
(14) ILGA World: Botha, Kellyn (2023): Our identities under arrest: A global overview on the enforcement of laws criminalising consensual same-sex sexual acts between adults and diverse gender expressions, 2nd Edition, S. 23.
(15) ILGA World (2023): New report highlights severe spikes in arrests and prosecutions of LGBT and gender-diverse people in 2023.
(16) ILGA World (2024): Trans Day of Remembrance 2024 joint statement: We honour the lives of our siblings and demand safety amidst growing hate and anti-trans movements.
(17) Legal Frameworks | Hate crime law (ILGA World Database), Stand: 07.01.2025
(18) BMFSFJ (2023): Hasskriminalität gegen queere Menschen wird zukünftig besser geahndet.
(19) Legal Frameworks | Prohibition of incitement to violence, hatred or discrimination (ILGA World Database), Stand: 07.01.2025.