Bundestagswahl 2025 – LSVD⁺-Wahlprüfsteine: Was wollen die Parteien für LSBTIQ* in Deutschland tun?
Forderungen des LSVD⁺ zu den Bundestagswahlen und Antworten der Parteien auf die Wahlprüfsteine

Die Reihenfolge der dargestellten Ergebnisse orientiert sich an der Größe der Stimmenanteile der Parteien bei der letzten Bundestagswahl im Jahr 2021 (Ergebnisse - Die Bundeswahlleiterin). Hier zur Grafik für Social Media.
(Hier direkt springen zu den Antworten der Parteien.)
- Demokratie und queere Strukturen stärken
Die Akzeptanz von Pluralität und die Prävention vor extremistischen Ideologien sind Teil des Schutzes unserer Demokratie. Dabei steht die liberale Demokratie weltweit unter Druck – auch in Deutschland. Mit der gegenwärtigen politischen Bildungsarbeit, Leuchtturmprojekten und zeitlich begrenzter Projektförderung allein kann dieser Situation nicht begegnet werden. Ein Gesetz zur Förderung unserer Demokratie kann das ändern und der Zivilgesellschaft den Rücken stärken. In jedem Fall muss eine neue Bundesregierung auskömmliche Mittel bereitstellen, um zivilgesellschaftliche Arbeit für Demokratie und Menschenrechte zu gewährleisten. Wenn sich der politische Wind in Kommunen und Ländern weiter dreht, werden diese ihrer Verantwortung allein kaum noch nachkommen können. Die unter der letzten Bundesregierung im Rahmen des Aktionsplans für die Akzeptanz von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt entstandenen Empfehlungen und Handlungspläne müssen auch von einer neuen Bundesregierung abgesichert und als Querschnittsaufgabe aller Bundesressorts mit finanziellen Mitteln hinterlegt werden. Das Amt des Queer-Beauftragten sollte verstetigt werden.
Wir wollen von den Parteien wissen
Wird sich Ihre Partei für eine Fortführung des "Aktionsplans Queer Leben" und für eine Verstetigung des*r Queerbeauftragten einsetzen? Inwieweit werden Sie sich für ein Gesetz zur Stärkung unserer Demokratie einsetzen und hierbei auch die queere Zivilgesellschaft strukturell fördern?
- LSBTIQ* vor Diskriminierung schützen
Aus den Schrecken der NS-Zeit haben die Eltern des Grundgesetzes eine Lehre gezogen. Auch wenn Artikel 1 GG eigentlich jede Form von Diskriminierung ausschließen soll, erfolgt ein spezifiziertes Diskriminierungsverbot in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes. LSBTIQ* sind bis heute als eine große NS-Opfergruppe nicht in Art. 3, Abs. 3 aufgenommen worden. Ein Anfangsfehler, der die Fortschreibung des Unrechts ermöglichte. Auch in der Bundesrepublik wurden zigtausende queere Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität verfolgt und diskriminiert. Es muss unstreitig klargestellt werden, dass alle LSBTIQ* unter dem vollen Schutz des Grundgesetzes stehen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz von 2006 schützt nicht alle von Diskriminierung Betroffenen, es ist nicht anwendbar auf alle Lebensbereiche und die Durchsetzung des Rechts ist für viele und in vielen Fällen kaum möglich. LSBTIQ* müssen zudem auch auf EU-Ebene durch eine neue Antidiskriminierungsrichtlinie geschützt werden, die alle Lebensbereiche und nicht nur die Arbeitswelt umfasst.
Wir wollen von den Parteien wissen
Wie wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, dass Art. 3, Abs. 3 GG so erweitert wird, dass er die gesamte queere Community explizit vor Diskriminierung schützt? Wie werden Sie die Rechte von Diskriminierung Betroffener auch im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und auf EU-Ebene stärken?
- LSBTIQ*-feindliche Gewalt verfolgen
LSBTIQ*-feindliche Hasskriminalität steigt wieder dramatisch an. Gleichzeitig bleibt der überwiegende Teil der Straftaten im Dunkelfeld. Deshalb fordern wir eine bundesweite Meldestelle für queerfeindliche Straftaten und die Umsetzung der Empfehlungen des Arbeitskreises „Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt“, die im Auftrag der Innenminister*innenkonferenz erstellt wurden. Die Ergänzung des Strafgesetzbuches um LSBTIQ*-feindliche Straftaten als weitere Beispiele für menschenverachtende Beweggründe war ein wesentlicher Meilenstein zum Schutz queerer Menschen. Nun muss auch die Rechtsanwendung dementsprechend angepasst werden, namentlich die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren sowie die Strafprozessordnung, denen die Beamt*innen bei ihrer täglichen Dienstausführung verpflichtet sind. Dort muss nun festgelegt werden, dass LSBTIQ*-Feindlichkeit als Motiv untersucht und in der Strafzumessung angemessen berücksichtigt werden muss. Außerdem fehlt es weiterhin an einem bundesweiten Meldesystem für LSBTIQ*-feindliche Gewalt, damit Personen bundesweit eine Anlaufstelle haben, um queerfeindliche Gewalt erfassen und sichtbar werden zu lassen.
Wir wollen von den Parteien wissen
Wie werden Sie sich für ein bundesweites Meldesystem für LSBTIQ*-feindliche Gewalt einsetzen? Wie werden Sie die Strafprozessordnung anpassen? Wie planen Sie die Lücken im Schutz vor Konversionsmaßnahmen und beim Schutz intergeschlechtlicher Kinder zu schließen?
- Regenbogenfamilien im Abstammungsrecht anerkennen
Nach wie vor besteht die gravierende Diskriminierung queerer Familien im Abstammungsrecht. Ein Kind, das in die Ehe von einer Frau und einem Mann hineingeboren wird, hat automatisch und unabhängig von der genetischen Verwandtschaft zum rechtlichen Vater zwei rechtliche Elternteile. Dies gilt nicht für Kinder queerer Eltern. Immer noch hat ein Kind, das in die Ehe von zwei Frauen hineingeboren wird, zunächst einmal nur einen rechtlichen Elternteil. Die erforderliche Stiefkindadoption diskriminiert queere Elternkonstellationen und die Kinder, die in ihnen aufwachsen. Trans*, nicht-binäre und intergeschlechtliche Eltern werden nicht oder nur unter Verletzung ihrer geschlechtlichen Identität als rechtliche Eltern anerkannt. Die Diskriminierung von Regenbogenfamilien muss endlich ein Ende haben, gerade auch wegen des Wohlergehens der in ihnen aufwachsenden Kinder..
Wir wollen von den Parteien wissen
Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass Zwei-Mütter-Familien und Familien, deren zweiter Elternteil nicht männlich ist, von Geburt an rechtlich anerkannt werden? Wie werden Sie dafür sorgen, dass Personen nach Änderung von Geschlechtseintrag/Namen korrekt ins Geburtenregister eingetragen werden?
- Gründung von Regenbogenfamilien rechtlich ermöglichen
Die geltenden Verbote von Eizellspende und Leihmutterschaft müssen überprüft werden. Für die Eizellabgabe muss zügig ein Gesetzesentwurf vorgelegt und ein klarer rechtlicher Rahmen geschaffen werden, der die reproduktive Selbstbestimmung und den notwendigen Schutz der abgebenden Personen und die Rechte der Kinder sicherstellt. Leihmutterschaft kann insbesondere für zwei cisgeschlechtliche Männer einen Weg zur Familiengründung darstellen. Der LSVD⁺ spricht sich daher für die Zulassung der altruistischen Leihmutterschaft und für die Möglichkeit aus, die Rahmenbedingungen in einer Kinderwunschvereinbarung rechtsverbindlich zu regeln. Als Menschenrechtsverband stellen wir dabei hohe Anforderungen an Aufklärung, Beratung und Verrechtlichung des Verhältnisses zwischen austragender Person und Wunscheltern, um den oft herrschendem Machtgefälle entgegenzuwirken. Wir fordern zudem, dass ein rechtliches Institut unterhalb der Elternschaft eingeführt wird, mit dem Familienkonstellationen, in denen mehr als zwei Personen Sorgearbeit leisten, rechtlich abgesichert werden. Darüber hinaus sollte in der kommenden Legislatur die Elternschaft für bis zu vier Personen geöffnet wird.
Wir wollen von den Parteien wissen
Wie wird sich Ihre Partei für die Legalisierung von Eizellspende und Leihmutterschaft einsetzen? Wie werden Sie überdies Familien mit mehr als zwei Sorge-Personen anerkennen und rechtlich absichern, und werden Sie hierbei auch die Elternschaft für bis zu vier Personen öffnen?
- Verfolgte LSBTIQ* in Deutschland aufnehmen
Die Menschenrechtslage für LSBTIQ* hat sich in Afghanistan, Georgien, Iran, Irak, Russland und Teilen Afrikas dramatisch zugespitzt. Der LSVD⁺ strebt daher an, dass ein eigenes Bundesaufnahmeprogramm für die besonders verwundbare Gruppe der LSBTIQ* einrichtet wird. Vor dem Hintergrund der deutschen Verfolgung von LSBTIQ* würde Deutschland so seiner historischen Verantwortung gerecht. Ein Aufnahmeprogramm für LSBTIQ* würde verdeutlichen, dass wir Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern nicht hinnehmen, sondern den verfolgten LSBTIQ* helfen.
Als Bürgerrechtsverband verteidigt der LSVD⁺ mit Nachdruck das Grundrecht auf Asyl und die Schutzrechte, die in der Genfer Flüchtlingskonvention verbrieft sind. Laut Bundesverfassungsgericht dürfen nur Staaten als sicher eingestuft werden, in denen alle Personen- und Bevölkerungsgruppen vor Verfolgung sicher sind. Mit dem verfassungswidrigen Festhalten an der Listung der LSBTIQ*-Verfolgerstaaten Ghana und Senegal sowie von Georgien wird dem Druck rechtsradikaler Kräfte nachgegeben, anstatt ein Konzept für eine menschenrechtskonforme Asylpolitik zu verfolgen.
Wir wollen von den Parteien wissen
Wie werden Sie sich dafür einsetzen, dass LSBTIQ* Schutzsuchende per Resettlement und einem gesonderten Bundesprogramm angemessen aufgenommen werden? Inwieweit werden Sie dafür sorgen, dass LSBTIQ* Verfolgerstaaten nicht als "sichere Herkunftsländer" oder "sichere Drittstaaten" gelistet werden?
- LSBTIQ*-Communitys im Ausland unterstützen
Wir erleben national und international Angriffe auf die demokratischen Grundordnungen. Besonders davon betroffen sind Minderheiten wie die LSBTIQ* Community. LSBTIQ*-Rechte sind Menschenrechte und stehen nicht zur Disposition. Dies gilt auch für die Verantwortung Deutschlands in der Welt. Deshalb muss Deutschland in seiner auswärtigen Politik und der Entwicklungszusammenarbeit die Menschenrechte verteidigen und stärken.
Das Kabinett hat 2021 das “LSBTI-Inklusionskonzept der Bundesregierung für die Auswärtige Politik und die Entwicklungszusammenarbeit” verabschiedet. Damit wird ausdrücklich die Tatsache anerkannt, dass die Auswärtige Politik und die Entwicklungszusammenarbeit eine Schutzverpflichtung auch gegenüber LSBTI* in den Partnerländern haben. Leider ist das Konzept nicht rechtlich bindend. Mindestens 0,5 % der Gelder in der bilateralen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit sollten in LSBTIQ*-spezifische Projekte fließen.
Wir wollen von den Parteien wissen
Wie werden Sie das "LSBTI-Inklusionskonzept der Bundesregierung für die Auswärtige Politik und Entwicklungszusammenarbeit" fortführen? Wie werden Sie dafür sorgen, dass mindestens 0,5 % der Gelder für die bilaterale staatliche Entwicklungszusammenarbeit in LSBTIQ* spezifische Projekte fließen?
- Rechte von trans*, inter und nicht-binären Personen wahren
Das Selbstbestimmungsgesetz ist ein menschenrechtlicher Fortschritt, der jahrzehntelange Bevormundung beendet und das verfassungsmäßige Recht auf Selbstbestimmung stärkt. Gleichzeitig muss es an einigen Stellen nachgebessert werden, an denen der Bundestag transfeindlichen Narrativen nachgegeben hat, anstatt Selbstbestimmung konsequent umzusetzen. Das Selbstbestimmungsgesetz in seiner jetzigen Form gewährt nur unzureichende Selbstbestimmung von nicht-männlichen Elternteilen und für besonders vulnerable Personen wie Minderjährige, Geschäftsunfähige und Staatenlose, beinhaltet unnötige Fristen, behandelt trans* Frauen und nicht-binäre Menschen beim Spannungs- und Verteidigungsfall anders und nicht alle beim Passgesetz gleich. Die Kostenübernahme von geschlechtsangleichenden Maßnahmen durch gesetzliche Krankenversicherungen muss gestärkt werden. Das Urteil des Bundessozialgerichts vom 19.10.2023, das zur Kostenübernahme für geschlechtsangleichende Operationen von nicht-binären Personen eine neue Richtlinie bzw. Empfehlung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss voraussetzt, verstärkt an dieser Stelle den Handlungsdruck.
Wir wollen von den Parteien wissen
Wie werden Sie das Selbstbestimmungsgesetz nachbessern und bestehende Diskriminierungen (z. B. Wehrdienst, Hausrecht, Sperrfrist) beseitigen? Wie werden Sie eine angemessene gesundheitliche Versorgung und Kostenübernahme geschlechtsangleichender Maßnahmen durch die Krankenkassen sicherstellen?
---
Was haben die Parteien geantwortet?
Trotz Anfrage haben die folgenden Parteien auch nach vier Wochen keine Antworten auf die Wahlprüfsteine gegeben: AfD und BSW. Zur Positionierung der Parteien BSW und AfD, die unsere Wahlprüfsteine unbeantwortet ließen, lohnt sich der Blick in die Wahlprogramme der beiden Parteien. Unsere Einschätzungen finden sich jeweils unter Wahlprüfstein 1.