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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD⁺)

Förderprogramm zur Integrationsstärkung für geflüchtete und migrantische Queers

Ziele, Reflexionen und Zukunft des LSVD⁺-Programms "Integration von queeren Geflüchteten und Migrant*innen stärken"

Queere Geflüchtete und Migrant*innen stehen häufig vor besonders großen Herausforderungen. Das Ziel des LSVD⁺-Programms "Integration von queeren Geflüchteten und Migrant*innen stärken" ist deshalb echte Teilhabe für queere Geflüchtete und Migrant*innen. Und zwar auch im ländlichen Raum und in Gebieten abseits der Metropolen wie Berlin oder Köln.

Queere Geflüchtete und Migrant*innen stehen häufig vor besonders großen Herausforderungen. In Unterkünften sind sie Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt. Betroffene verstecken mitunter aus Angst ihre geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung. In queeren Räumen wiederum sehen sie sich nicht selten rassistischen Vorurteilen ausgesetzt – oder es gibt einfach keine entsprechenden kultursensiblen und traumasensiblen Angebote. Dazu kommen gegebenenfalls auch noch Traumata durch Erlebnisse vor und/oder während der Flucht nicht nur, aber auch im Zusammenhang mit dem eigenen Queer-Sein.

Vor allem in sehr großen Städten gibt es bereits einige Organisationen, die diese Problematiken erkannt haben und Angebote für LSBTIQ* mit Flucht- oder Migrationsgeschichte – vor allem die Asylberatungsangebote für diese Zielgruppe nehmen zu, auch wenn diese immer noch nicht flächendeckend zur Verfügung stehen. Der Bedarf an Beratung und Unterstützung geht aber weit über die Asylverfahrensberatung hinaus. Gerade auf Grund der schwierigen Ausgangslage besteht für queere Menschen mit Flucht-/Migrationsgeschichte häufig die Gefahr, am Rande der Gesellschaft zurückgelassen zu werden. Internalisierte Ablehnung der eigenen Identität und ein mangelndes Zugehörigkeitsgefühl führen dazu, dass viele betroffene Personen nie richtig ankommen können. Es braucht also umfangreichere Beratung und Angebote. Und zwar auch im ländlichen Raum und in Gebieten abseits der Metropolen wie Berlin oder Köln.

Ziele

Unser Ziel ist echte Teilhabe für queere Geflüchtete und Migrant*innen. Gesellschaftliche Teilhabe geht über Sprachkenntnisse und grundlegende Rechte und Pflichten hinaus. Teilhabe meint vielmehr, dass man sich als gleichberechtigter Teil der Gesellschaft empfindet, das Gefühl hat, mitgestalten und am Diskurs teilnehmen zu können. Sprach- und Integrationskurse sind ein wichtiger Bestandteil, doch daneben braucht es aus unserer Sicht weitere Angebote, die auf diese Zielgruppen zugeschnitten sind.

Förderausschreibung 2024

Im Rahmen des Programms "Integration für queere Geflüchtet und Migrant*innen stärken" konnten wir dank der Unterstützung der Robert Bosch Stiftung das erste Mal selbst Projekte fördern. Die Förderausschreibung erschien im Januar 2024 und bis Ende März waren 34 Anträge auf Projektförderung bei uns eingegangen. Im April hat eine Kommission 11 Projekte aus 10 Bundesländern ausgewählt, die ihre Arbeit im Juni 2024 aufgenommen haben.

Die Themen reichten von Gruppenangeboten und Beratung über Freizeit- und Bildungsaktivitäten bis hin zu einer Studie über die Situation von trans* Geflüchteten. Auch Schulungsangebote für Fachpersonal gehörten zu den Programmen einiger Projekte. Bei einem Auftakttreffen am 07. und 08.06.2024 in Berlin konnten sich viele der Projektleiter*innen kennenlernen und intensiv austauschen.

Austausch und Vernetzung

Um eine nachhaltige Verbesserung der Beratungs- und Unterstützungslandschaft zu begünstigen, gab es 3 Online-Austauschrunden sowie Sprechstunden und Fortbildungsangebote. Im Programm wurden Informationen z.B. zu Veranstaltungen, wissenswerten Neuerungen und Fördermöglichkeiten gesammelt, zusammengetragen und an die Projekte weiterverteilt. Aus der Betreuung und Begleitung der Projekte sind viele Erkenntnisse und wichtige Erfahrungen entstanden, die uns bei der weiteren Arbeit begleiten werden. Zum Abschluss haben sich die Projektmitarbeitenden in Köln zu einer Abschlussveranstaltung in Köln getroffen, so konnten sich alle noch einmal austauschen und im Rahmen eines Workshops gemeinsam auf die Projektarbeit zurückblicken und Erfolge herausarbeiten.

Intersektionalität

Ein weiterer spannender Aspekt des Programms war der intersektionale Ansatz. Die geförderten Organisationen waren nicht alle in ihrem Grundsatz queer – und dennoch hatten alle einen gleichen Nenner. Die Möglichkeit, zwischen queeren, migrantischen und feministischen Organisationen zusammenzuarbeiten und Verknüpfungspunkte zu finden, war für alle äußerst gewinnbringend. 

Aus der Begleitung und Betreuung der Förderprojekte nehmen wir viele neue Erfahrungen und Erkenntnisse für die Zukunft mit.

Wirksame Angebote

Als sehr wirksam erwiesen haben sich zum Beispiel Gruppenangebote, die einen Safer Space und Anschluss bieten und so helfen können, ein größeres Selbstbewusstsein aufzubauen – geschultes Fachpersonal kann in solchen Gruppen darüber hinaus beratend tätig sein.

Das gilt auch für Workshops, die noch wichtige Informationen zum Beispiel zu den eigenen Rechten im Zusammenhang mit Diskriminierung, Arbeit oder gesundheitlichen Themen vermitteln. Freizeit-, Kunst- und Kulturangebote können ebenso dazu beitragen, Traumata zu verarbeiten, Selbstwirksamkeit zu erlangen und zu lernen. Zugeschnittene kultur- sowie queersensible Beratungsangebote sind und bleiben ein wichtiger Eckpfeiler in diesem Bereich.

Es hat sich herausgestellt, dass Onlineangebote in diesem Bereich sehr gut angenommen werden, sowie zum Beispiel die Verbreitung von Informationen über Messengerdienste, aber auch Beratungen per Videokonferenz.

Peer-to-Peer

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Förderung von Peer-to-Peer Angeboten. Ein wichtiger Schritt zu einer diskriminierungsfreien Gesellschaft ist es, Raum zu geben sich einzubringen. Dazu gehört auch diskriminierte Minderheiten dabei zu unterstützen und zu ermächtigen, sich selbst zu organisieren, Wissen weiterzugeben und eigene Safer Spaces zu schaffen – ob nun in Form ehrenamtlichen Engagements oder der Gründung eigener Vereine und Organisationen. Darüber hinaus bauen Peer-to-Peer Angebote Hemmschwellen bei der Zielgruppe ab und bieten somit mehr Zugang.

Zukunft

Die ausgewählten Förderprojekte wurden im Januar 2025 abgeschlossen – mitunter laufen die Projekte ohne Förderung auf ehrenamtlicher Basis weiter. Einige Projekte konnten sich Anschluss-Förderungen durch andere Mittelgeber*innen sichern.

Wir freuen uns sehr, auch 2025 wieder eine Projektförderung anbieten zu können. So können wir viel Gelerntes aus dem ersten Programm zum Einsatz bringen, mehr Vernetzung bieten und vor allem eine Reihe neuer Projekte in anderen Regionen fördern.

Chantal Müller
Projektleiterin
IQGMS – Integration von queeren Geflüchteten und Migrant*innen stärken