Bisexuelle und pansexuelle Personen in Deutschland: Diskriminierung und Gewalterfahrungen
Erfahrungen mit Coming-out, Offenheit, Hassgewalt und Diskriminierung im Alltag

Am 14. Mai 2024 wurden die Ergebnisse des dritten großen LGBTI-Survey veröffentlicht - die größte ihrer Art. Die Online-Studie von der EU-Grundrechteagentur (FRA) beruft sich auf über 100.000 Antworten von queeren Menschen aus 30 Ländern (27 EU-Staaten, Albanien, Serbien und Nordmazedonien).
Aus Deutschland haben sich etwa 17.000 Menschen an der Umfrage beteiligt. Etwa 22% der Befragten waren bisexuelle (ca. 3.800) und etwa 15 % pansexuelle (ca. 2.500) Personen. Hier veröffentlichen wir die Ergebnisse zu ihren Erfahrungen im Alltag, mit Diskriminierung und Hassgewalt. Einen Überblick über die allgemein zu Deutschland bekanntgegebenen Ergebnisse findet sich hier.
Inhaltsverzeichnis
- Coming-out und Offenheit im Alltag
- Erfahrungen mit Hassgewalt
- Erfahrungen mit Diskriminierung
- Erfahrungen am Arbeitsplatz
- Gesundheitliche Lage und Diskriminierung im Gesundheitswesen
- Diskriminierung an der Schule
1. Coming-out und Offenheit im Alltag
Wann hast du zum ersten Mal gemerkt, dass du LSBTIQ* bist?
bisexuelle Personen | pansexuelle Personen | |
5 Jahre oder jünger | 1 % | 3 % |
6-9 Jahre | 3 % | 6 % |
10-14 Jahre | 34 % | 35 % |
15-17 Jahre | 28 % | 24 % |
18-24 Jahre | 24 % | 19 % |
25-34 Jahre | 8 % | 8 % |
35-54 Jahre | 2 % | 3 % |
55 Jahre oder älter | 0 % | 0 % |
Wann hast du zum ersten Mal jemandem erzählt, dass du LSBTIQ* bist?
bisexuelle Personen | pansexuelle Personen | |
noch nie | 7 % | 4 % |
10-14 Jahre | 12 % | 15 % |
15-17 Jahre | 26 % | 26 % |
18-24 Jahre | 35 % | 31 % |
25-34 Jahre | 15 % | 16 % |
35-54 Jahre | 4 % | 7 % |
55 Jahre oder älter | 1 % | 1 % |
Offenheit im Alltag
- 30 % der bisexuellen und 29 % der pansexuellen Personen vermeiden es oft oder immer, mit der Beziehungsperson Händchen zu halten.
- Am Arbeitsplatz sind 40 % der bisexuellen und 23 % der pansexuellen Personen nicht geoutet.
- In der Schule sind 57 % der bisexuellen und 53 % der pansexuellen Personen ungeoutet.
- 16 % der bisexuellen und 22 % der pansexuellen Personen vermeiden oft oder immer bestimmte Plätze und Orte aus Angst vor Gewalt oder Belästigung.
Wo meiden es bisexuelle bzw. pansexuelle Personen aus Angst vor Gewalt und Belästigung offen zu sein?
bisexuelle Personen | pansexuelle Personen | |
Zuhause | 8 % | 5 % |
Familie | 28 % | 23 % |
Schule | 12 % | 11 % |
Arbeitsplatz | 32 % | 28 % |
Café, Restaurant, Club | 18 % | 19 % |
öffentlicher Nahverkehr | 35 % | 38 % |
auf der Straße | 32 % | 36 % |
Gesundheitswesen | 16 % | 19 % |
2. Erfahrungen mit Hassgewalt
5 % der bisexuellen und 7 % der pansexuellen Personen haben in den letzten 12 Monaten Belästigungen und Gewalt aufgrund ihrer Sexualität erfahren. 12% der bisexuellen und 19 % der pansexuellen Personen wurden in den letzten fünf Jahren wegen ihrer Sexualität angegriffen.
Wo passierte der letzte physische bzw. sexualisierte Angriff?
bisexuelle Personen | pansexuelle Personen | |
Zuhause | 6 % | 6 % |
Arbeitsplatz | 4 % | 1 % |
Café, Restaurant, Club | 15 % | 10 % |
öffentlicher Nahverkehr | 19 % | 19 % |
auf der Straße | 47 % | 58 % |
Schule/Uni | 3 % | 2 % |
Wer waren die Täter*innen beim letzten Angriff?
- Zu 64 % wurden bisexuelle und zu 58 % wurden pansexuelle Personen von Einzelttäter*innen und nicht von mehreren angriffen.
- Bei bisexuellen waren es zu 88 % und bei pansexuellen Personen zu 89 % männliche Täter.
- Zu 58 % kannten bisexuelle und zu 66 % kannten pansexuelle Personen die Täter*in nicht.
Erfahrungen mit Belästigung aufgrund der Sexualität
- 49 % der bisexuellen und 66 % der pansexuellen Personen haben in den letzten 12 Monaten Belästigung aufgrund ihrer Sexualität erfahren.
Art der letzten Belästigung aufgrund der Sexualität
bisexuelle Personen | pansexuelle Personen | |
Beleidigung oder Bedrohung | 65 % | 67 % |
Gewaltandrohung | 8 % | 11 % |
beleidigende oder drohende Gesten oder unangemessenes Anstarren | 44 % | 48 % |
verfolgt werden | 8 % | 11 % |
beleidigende oder drohende E-Mails oder Textnachrichten | 7 % | 6 % |
Hasskommentare im Internet | 12 % | 14 % |
Folgen von Hasskriminalität für die Betroffenen
- 2 % der bisexuellen und 3 % der pansexuellen Personen mussten medizinisch versorgt werden, nachdem sie Hasskriminalität erfahren haben.
- 3 % der bisexuellen und 3 % der pansexuellen Personen waren danach arbeitsunfähig.
- 23 % der bisexuellen und 30 % der pansexuellen Personen hatten danach Angst vor die Tür zu gehen oder bestimmte Orte aufzusuchen.
- 37 % der bisexuellen und 46 % der pansexuellen Personen berichteten von anschließenden psychischen Problemen (Depression, Angst u.a.).
- 2 % der bisexuellen und 3 % der pansexuellen Personen hatten anschließend finanzielle Probleme.
- 42 % der bisexuellen und 32 % der pansexuellen Personen gaben an, dass das Erlebnis bei ihnen keine Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden hatte.
Lediglich 15 % der bisexuellen und 14 % der pansexuellen Personen haben den letzten physischen Angriff oder sexualisierte Gewalterfahrung bei der Polizei angezeigt.
- 41 % der bisexuellen und 39 % der pansexuellen Personen fanden den Vorfall nicht schlimm genug.
- 47 % der bisexuellen und 56 % der pansexuellen Personen glaubten nicht, dass eine Anzeige was bringen würde.
- 38 % der bisexuellen und 47 % der pansexuellen Personen haben kein Vertrauen in die Polizei.
- 15 % der bisexuellen und 15 % der pansexuellen Personen stellten keine Anzeige aus Angst vor negativen Folgen / vor Täter*in.
- 24 % der bisexuellen und 17 % der pansexuellen Personen verzichteten auf eine Anzeige, weil sie sich schämten.
- 24 % der bisexuellen und 42 % der pansexuellen Personen stellten keine Anzeige aus Angst vor einer queerfeindlichen Reaktion der Polizei.
- 2 % der bisexuellen und 1 % der pansexuellen Personen stellten keine Anzeige aufgrund ihres Aufenthaltsstatus.
3. Erfahrungen mit Diskriminierung
32 % der befragten bisexuellen und 49 % der pansexuellen Personen wurden in mindestens einem von mehr als acht Lebensbereichen in den letzten 12 Monaten diskriminiert, weil sie LSBTIQ* sind. 93 % der bisexuellen und 91 % der pansexuellen Befragten haben den letzten Vorfall nicht gemeldet.
Wo fand die letzte Diskriminierung statt?
bisexuelle Personen | pansexuelle Personen | |
Jobsuche | 2 % | 3 % |
Arbeitsplatz | 27 % | 21 % |
Wohnungssuche | 5 % | 7 % |
Soziale Dienste/ Gesundheitsdienste | 14 % | 19 % |
Schule/Uni | 14 % | 12 % |
Café, Restaurant, Club | 24 % | 18 % |
Geschäft | 7 % | 8 % |
Ämter/Öffentlicher Dienst | 5 % | 9 % |
Beim Vorzeigen von offiziellem Dokument, das das Geschlecht ausweist | 2 % | 3 % |
Wie viele der Befragten haben in den letzten 12 Monaten Diskriminierung in den folgenden Lebensbereichen erlebt, weil sie LSBTIQ* sind?
bisexuelle Personen | pansexuelle Personen | |
Jobsuche | 4 % | 13 % |
Arbeitsplatz | 16 % | 23 % |
Wohnungssuche | 7 % | 19 % |
Soziale Dienste/ Gesundheitsdienste | 12 % | 27 % |
Schule/Uni | 11 % | 23 % |
Café, Restaurant, Club | 14 % | 22 % |
Geschäft | 7 % | 16 % |
Beim Vorzeigen von offiziellem Dokument, das das Geschlecht ausweist | 2 % | 13 % |
4. Erfahrungen am Arbeitsplatz
Am Arbeitsplatz sind 40 % der bisexuellen und 23 % der pansexuellen Personen nicht geoutet. Bei der Jobsuche haben 4% der bisexuellen und 13 % der pansexuellen Personen in den letzten 12 Monaten Diskriminierung erfahren. 16 % der bisexuellen und 23 % der pansexuellen Personen wurden im letzten Jahr am Arbeitsplatz diskriminiert.
Wie oft haben die befragten bisexuellen und pansexuellen Personen in den letzten fünf Jahren am Arbeitsplatz eine allgemeine negative Einstellung gegenüber LSBTIQ* erlebt?
bisexuelle Personen | pansexuelle Personen | |
immer | 3 % | 3 % |
oft | 20 % | 21 % |
selten | 42 % | 46 % |
nie | 35 % | 30 % |
5. Gesundheitliche Lage und Diskriminierung im Gesundheitswesen
Allgemeines gesundheitliches Befinden
bisexuelle Personen | pansexuelle Personen | |
sehr gut | 23 % | 19 % |
gut | 47 % | 42 % |
ausreichend | 23 % | 26 % |
schlecht | 7 % | 12 % |
sehr schlecht | 0 % | 1 % |
Vorhandensein von Langzeiterkrankungen oder gesundheitlichen Problemen, die länger als sechs Monate andauerten/andauern.
- Bisexuelle Personen: 48 % ja; 51 % nein
- Pansexuelle Personen: 55 % ja, 45 % nein
Psychische Gesundheit / Wohlbefinden
- Auf einer Skala von 0 bis 10 bezüglich der Zufriedenheit mit ihrem Leben gaben bisexuelle Personen durchschnittlich einen Wert von 6,5 und pansexuelle Personen einen Wert von 6,2 an.
- 19 % der bisexuellen und 24 % der pansexuellen Personen gaben an sich in den letzten 2 Wochen immer oder die meiste Zeit niedergeschlagen oder depressiv gefühlt zu haben. Bei 14 % der bisexuellen und 16 % der pansexuellen Befragten war dies mehr als die Hälfte der Zeit der Fall. Nur 10 % der bisexuellen und 9 % der pansexuellen Personen fühlten sich nie niedergeschlagen oder depressiv.
- Im letzten Jahr hatten 1 % der bisexuellen und 2 % der pansexuellen Personen immer Suizidgedanken. Bei 10 % der bisexuellen und 14 % der pansexuellen Befragten war dies oft der Fall. 62 % der bisexuellen und 51 % der pansexuellen Befragten äußerten, dass sie nie Suizidgedanken hatten.
- 13 % der bisexuellen und 20 % der pansexuellen Personen haben schon einmal versucht sich das Leben zu nehmen.
Bei 14 % der bisexuellen und 19 % der pansexuellen Befragten fand die letzte erlebte Diskriminierung bei der Inanspruchnahme von sozialen Diensten bzw. Gesundheitsdiensten statt.
Welche diskriminierenden Erlebnisse wurden bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten gemacht?
bisexuelle Personen | pansexuelle Personen | |
Hürden beim Zugang | 2 % | 8 % |
mussten nach negativer Erfahrung Ärzt*in wechseln | 3 % | 9 % |
vermieden medizinische Behandlung aus Angst vor Diskriminierung | 5 % | 11 % |
besondere Bedürfnisse wurden ignoriert | 6 % | 15 % |
unangebrachte Neugierde / Kommentare | 11 % | 21 % |
unter Druck gesetzt, sich einer bestimmten medizinischen / psychologischen Maßnahme zu unterziehen | 2 % | 7 % |
haben nie Gesundheits-dienste beansprucht | 1 % | 2 % |
haben Gesundheitsdienste gemieden | 6 % | 11 % |
Behandlung wurde verweigert | 1 % | 4 % |
haben keine der genannten Vorfälle erlebt | 78 % | 61 % |
6. Diskriminierung an der Schule
Offenheit an der Schule
- 57 % der bisexuellen und 53 % der pansexuellen Befragten verstecken ihre Sexualität an der Schule.
- 38 % der bisexuellen und 41 % der pansexuellen Befragten gehen teilweise offen mit ihrer Sexualität um.
- 5 % der bisexuellen und 5 % der pansexuellen Personen sind immer offen mit ihrer Sexualität.
Diskriminierung und Mobbing an der Schule
- 11 % der bisexuellen und 23 % der pansexuellen Personen wurden in den letzten 12 Monaten durch Personal einer Schule / Universität diskriminiert.
- Bei 14 % der bisexuellen und 12 % der pansexuellen Befragten hat der letzte Diskriminierungsvorfall an der Schule / Universität stattgefunden.
- Während ihrer Schulzeit wurden 62 % der bisexuellen und 64 % der pansexuellen Personen von Mitschüler*innen beleidigt, bedroht oder lächerlich gemacht. 8 % der bisexuellen und 12 % der pansexuellen Befragten erfuhren dies von Lehrkräften oder anderem Schulpersonal.
- 23 % der bisexuellen und 31 % der pansexuellen Personen haben in der Schule oft oder immer gegen sie gerichtete negative Kommentare oder negatives Verhalten erlebt.
Unterstützung aus dem Umfeld
- Dass in der Schulzeit jemand sie und ihre Rechte als queere Personen unterstützt und verteidigt hätte erlebten 32 % der bisexuellen und 27 % der pansexuellen Befragten immer oder oft. Bei 33 % der bisexuellen und 40 % der pansexuellen Personen war dies nie der Fall.
- 63 % der bisexuellen und 68 % der pansexuellen Befragten geben an, dass an ihrer Schule nie LSBTIQ*-Themen adressiert worden sind.
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