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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD⁺)

Interview mit dem Polizeibeauftragten des Bundes beim Deutschen Bundestag, Uli Grötsch

Ansprechpartner für Bürger*innen sowie für die Polizeibeschäftigten des Bundes

Uli Grötsch ist seit März 2024 der erste Polizeibeauftragte des Bundes beim Deutschen Bundestag. In dieser Funktion ist für alle Polizeien des Bundes - die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt und die Polizei beim Deutschen Bundestag - nicht aber für die Landespolizeien zuständig.

Nach dem Polizeibeauftragtengesetz hat er die Aufgabe, strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen bei den Polizeibehörden des Bundes und mögliches Fehlverhalten von Polizeibeschäftigten im Einzelfall zu untersuchen. Als Polizeibeauftragte ist er Ansprechpartner sowohl für Bürger*innen als auch für die Polizeibeschäftigten des Bundes. Er wird aufgrund ihrer Eingaben, aber auch nach eigenem Ermessen tätig. Bei der Ausübung seiner Aufgaben ist er weisungsungebunden und unabhängig. Alle Bürger*innen können sich vertraulich an ihn wenden, Polizeibeschäftigte auch ohne Einhaltung des Dienstweges. Der Polizeibeauftragte berichtet dem Parlament einmal im Jahr über seine Arbeit. Sein erster Jahresbericht ist Anfang Juli erschienen. Weitere Informationen sind unter www.polizeibeauftragter.de abrufbar.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, die Situation zwischen der Polizei und der Community zu verbessern? Welche Rolle spielen dabei Sensibilisierung und Ausbildung von Beamt*innen der Bundespolizei und wie sind Sie in dort eingebunden?

Die Aus- und Fortbildung für die Polizeien des Bundes hat für mich in der Tat eine Schlüsselfunktion. Mithilfe guter Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten können die Beamt*innen für den diskriminierungsfreien Umgang mit der queeren Community sensibilisiert werden. Diversität könnte dabei ein eigener Baustein in der Ausbildung sein. Es geht aber nie nur in eine Richtung: innerhalb der Polizei müssen wir noch stärker in den Dialog kommen. Aber gleichzeitig sollten wir auch bei der Community für die Arbeit der Polizeien um Verständnis werben. Denn der Alltag der Polizist*innen ist von zahlreichen Herausforderungen geprägt, die mitgedacht werden sollten.

Wer kann sich konkret mit welchen Fällen bei Ihnen melden und welche Schritte erfolgen nach einer Meldung? Ist die Meldung anonym möglich? Wird auf das Hinweisgeber*innenschutzgesetz deutlich verwiesen und was passiert, wenn Vorgesetzte es nicht einhalten und die meldende Person Repressalien erleidet?

Alle Bürger*innen sowie alle Polizeibeschäftigten des Bundes können sich an mich wenden: schriftlich, mündlich oder auch telefonisch. Fälle von Bürger*innen bearbeiten wir, wenn sie selbst betroffen waren und wenn es Hinweise auf grundsätzliches Fehlverhalten oder Fehlentwicklungen bei den Polizeibehörden des Bundes gibt. Eine Eingabe behandeln wir auf Wunsch vertraulich, allerdings können wir keine anonymen Anfragen annehmen. Das heißt, dass wir dafür einen Namen, Adresse und den Sachverhalt, der nicht länger als sechs Monate zurückliegen darf, kennen müssen. Wenn die Bürger*innen einverstanden sind, wird eine Untersuchung eingeleitet, die die Gründe – beispielsweise für ein queerfeindliches Verhalten eines Polizisten – aufklären soll. Dabei ist es mir wichtig, beide Seiten zu hören, um am Ende nach Möglichkeit zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Hier kommt es aber immer auf den Einzelfall an. Es können sich auch Polizeibeschäftigte bei mir melden, wenn sie zum Beispiel selbst Diskriminierung erfahren haben oder etwa queerfeindliche Äußerungen mitbekommen haben. Eine solche Eingabe kann ohne Einhaltung des Dienstweges geschehen und der Person dürfen dadurch keine dienstlichen Nachteile entstehen. Der Dienstweg muss dabei selbstverständlich nicht eingehalten werden. Das möchte ich immer wieder betonen, denn ich bin als Polizeibeauftragter unabhängig. Wir prüfen dann, ob es Anhaltspunkte für strukturelle Mängel und Fehlentwicklungen oder mögliches Fehlverhalten im Einzelfall von Kolleg*innen und Vorgesetzten gibt und reagieren entsprechend.

Wie gehen Sie in den Anfragen mit intersektionalen Verknüpfungen von Diskriminierungen um – beispielsweise von queeren Menschen mit Rassismuserfahrungen?

Ich setze mich für eine moderne und diverse Polizei ein, die der Lebenswirklichkeit in Deutschland gerecht wird und diese widerspiegelt. Dafür wünsche ich mir mehr Polizeibeamt*innen mit Einwanderungsgeschichte, einen größeren Frauenanteil, auch in Führungspositionen und eben auch Beschäftigte mit LSBTIQ*-Background. Je mehr Wissen es um mögliche Diskriminierungen gibt, umso besser können wir etwas dagegen tun.

Nach einem Jahr im Amt – können Sie eine Bilanz ziehen, was Meldungen aus der queeren Community betrifft? Von welchem Dunkelfeld gehen Sie aus und wo sehen Sie die größten Hürden, dass Menschen sich nicht an Sie wenden?

In meinem Jahresbericht gehe ich beispielsweise näher auf den Fall einer transidenten Person bei einer Luftsicherheitskontrolle am Flughafen ein. Dabei steht der Vorwurf im Raum, dass die Polizei bei der Durchsuchung keine Rücksicht auf das Geschlecht der zu durchsuchenden Person genommen habe. Der Fall zeigt, es geht hier auch immer darum, die Situation meines Gegenübers besser zu verstehen, um adäquat reagieren zu können. Deswegen sind Schulungen sowie Fortbildungen zum Umgang mit queeren Menschen so wichtig und deswegen setze ich mich dafür ein, dass hier schon bei der Ausbildung gelernt wird, wie man sich in einer solchen Situation angemessen verhält. Das ist für beide Seiten wichtig.

Es ist und bleibt eine wichtige Aufgabe für mich, dass sowohl die Bürger*innen als auch die Polizeibeschäftigten erst einmal wissen, dass es mich als unabhängige Ansprechstelle seit März 2024 gibt und dass man sich niedrigschwellig an mich wenden und gut und vertrauensvoll mit mir zusammenarbeiten kann. So kann ich dazu beitragen, das Dunkelfeld etwas "heller" zu machen.

Welche Herausforderungen sehen Sie beim Umgang mit trans* Personen und wie begegnen Sie diesen? z.B. bei einer polizeilichen Durchsuchung, Inhaftierung, o.ä.?

Seitens der Polizei sind hier Sensibilität und Empathie eines jeden Beamten oder jeder Beamtin gefordert. Gerade in herausfordernden und stressigen Situationen im Einsatz ist das nicht immer einfach. Hier kann es schon hilfreich sein, wenn die Polizist*innen wissen, welche Situationen auf sie zukommen können und wie sie darauf angemessen reagieren können, etwa dass die trans* Personen vorher gefragt werden, ob sie von einer Polizistin oder einem Polizisten durchsucht werden wollen. Die Präferenz sollte dann respektiert werden. Hier klar zu handeln, ist wichtig, damit solche Situationen für beide Seiten gut verlaufen.

Danke für das Interview!

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