Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. März 2019 zum Ausschluss derStiefkindadoption in nichtehelichen Familien
Stellungnahme des LSVD vom 27. September 2019
Sehr geehrter Herr Dr. Meyer,
haben Sie vielen Dank, dass Sie uns Gelegenheit geben, zu dem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz Stellung zu nehmen. Uns sind folgende Punkte aufgefallen:
1. Zu Art. 1 Nr. 2 (§ 1766a Abs. 1 BGB-E)
Wir sind der Meinung, dass die Annahme von Kindern des nichtehelichen Partnersnicht nur Paaren ermöglicht werden soll, die mit dem Kind in einer „verfestigten Lebensgemeinschaft“ in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben, sondern allen eheähnlichen Lebensgemeinschaften, gleichgültig wie lange sie zusammenleben.
Denn wenn verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften mit einem leiblichen Kind der Frau in einem Haushalt zusammenleben und bis zur Stiefkindadoption nicht mindestens zwei Jahre warten wollen (§1766a Abs. 2 Nr.1 BGB-E), können sie diese Frist dadurch umgehen, dass der Mann mit Zustimmung der Frau seine Vaterschaft an dem Kind anerkennt.
Dasselbe gilt für verschiedengeschlechtliche Lebensgemeinschaften, bei denen das Kind aus einer früheren nicht ehelichen Lebensgemeinschaft stammt.
Lebensgemeinschaften, die mit einem Kind in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben, können diesen Ausweg nur dann nicht wählen, wenn es sich um die Lebensgemeinschaft von zwei Frauen handelt oder wenn das Kind ein Kind des Mannes ist. Die erste Fallgruppe wird aber demnächst wohl auch wegfallen, wenn das Abstammungsrecht an die „Öffnung der Ehe für alle“ angepasst wird. Wir nehmen an, dass dann auch die Anerkennung der Mutterschaft zugelassen wird.
Es bleiben somit nur die verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften übrig, bei denen das Kind ein Kind des Mannes ist, die die Wartefrist nicht umgehen können.
Davon abgesehen fragt es sich, ob es - vom Kindeswohl her beurteilt - für das Kind günstiger ist, dass die Stiefkindadoption schon erfolgt war, wenn sich die Partner trennen, mit denen es in einem gemeinsamen Haushalt zusammenlebt.
Wenn die Stiefkindadoption vor der Trennung noch nicht erfolgt war, haben nur der leibliche und der rechtliche Elternteil das Sorgerecht. Die gemeinsame Ausübung des Sorgerechts ist mangels rechtlicher Elternbeziehung des anderen Partners zum Kind ausgeschlossen. Selbst wenn der andere Partner das Kind persönlich betreut hatte und zu ihm eine enge Bindung entwickelt hat, kommt eine Teilhabe am Sorgerecht nicht in Betracht. Dem anderen Partner verbleibt einzig ein Umgangsrecht nach §1685 Abs. 2 BGB.
Wenn die Stiefkindadoption dagegen schon erfolgt war, hat das Kind die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Partner (§ 1754 Abs. 1 BGB) und diesen stünde die gemeinsame elterliche Sorge zu (§ 1754 Abs. 3 Alt. 1 BGB). Die Verteilung des Sorgerechts und des darin enthaltenen Rechts zur Aufenthaltsbestimmung können dann unter Berücksichtigung des Kindeswohls von Fall zu Fall angemessen geregelt werden.
Es ist deshalb für das Wohl des Kindes besser, wenn die Stiefkindadoption schon erfolgt war, als die Partner sich trennten, vorausgesetzt natürlich, dass zwischen dem Kind und dem Stiefelternteil auch tatsächlich ein Eltern-Kind-Verhältnis besteht.
Das ist in der Regel durch das geltende Recht hinreichend gewährleistet. Denn die Adoption soll in der Regel erst ausgesprochen werden, wenn der Annehmende das Kind eine angemessene Zeit in Pflege gehabt hat (§ 1744 BGB). Als angemessen gilt in der Regel ein „Probejahr“ (siehe den nachfolgenden Abschnitt). Bei Stiefkindadoptionen durch Ehegatten, Lebenspartner oder eheähnliche Partner wird deshalb das Familiengericht die Adoption in der Regel erst aussprechen, wenn das Kind schon ein Jahr in der neuen Familie gelebt hat. Dann aber können das Jugendamt und das Familiengericht einigermaßen zuverlässig beurteilen, ob zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht.
Wenn das der Fall ist, wäre es nicht sachgemäß, die Stiefkindadoption allein deshalb noch weiter hinauszuschieben, um abzuwarten, ob die Partnerschaft Bestand hat.
2. Zu Art. 1 Nr. 2 (§ 1766a Abs. 2 Nr. 1 BGB-E)
Der Referentenentwurf geht davon aus, dass eine verfestigte Lebensgemeinschaft inder Regel nur vorliegt, wenn das Paar „mindestens zwei Jahre" eheähnlich zusammengelebt hat. Eine Probezeit von „mindestens zwei Jahre“ entspricht aber- wie schon erwähnt - nicht der Praxis der Jugendämter und der Familiengerichte. Wir haben in den vergangenen 14 Jahren viele Frauenpaare bei der Stiefkindadoption von Kindern beratend begleitet, die in die Partnerschaft hineingeboren worden waren. Ob auch in solchen Fällen dem Ausspruch der Stiefkindadoption gemäß § 1744 BGB "eine Probezeit" vorausgehen muss, ist streitig. Wenn aber die Jugendämter und Familiengerichte die Einhaltung einer Probezeit für notwendig hielten, haben alle eine Probezeit von einem Jahr für ausreichend angesehen. Es wurde dann formuliert, dass zunächst das „Probejahr“ abgewartet werden müsse.
Dagegen ist die Verwendung des Wortes „eheähnlich“ in § 1766a Abs. 2 Nr. 1BGB-E nicht zu beanstanden. Nichtehelich zusammenlebende Lebenspartner können keine Lebenspartnerschaft mehr eingehen, sondern nur noch eine gleichgeschlechtliche Ehe. Sie lieben deshalb ebenfalls „eheähnlich“ zusammen.
3. Zu Art 1 Nr. 2 (§ 1766a Abs. 2 Nr. 2 BGB-E)
Bei den unter dieser Nummer genannten „Eltern eines gemeinschaftlichen Kindes“ handelt es sich um die schon erwähnten verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, bei denen das Kind rechtlich ein Kind des Mannes ist. Diesen Lebensgemeinschaften ist eine Umgehung der Vorschrift nicht möglich, weil unser Abstammungsrecht zurzeit noch keine Mutterschaftsanerkennung kennt.
4. Zu Art. 1 Nr. 2 (§ 1741 Abs. 2 Satz 1 BGB)
§ 1766a BGB erklärt die Vorschriften des „Untertitels 1, Annahme Minderjähriger" im Wege der Generalsverweisung auf Personen für anwendbar, die eheähnlich in einem gemeinsamen Haushalt leben. In der Begründung (Seite 11) wird ausgeführt, dass durch die Verweisung § 1741 Abs. 2 Satz 3 BGB in Bezug genommen werde. § 1741 Abs. 2 Satz 1 BGB wird in der Begründung nicht erwähnt. Das ist missverständlich. Wir meinen, dass die Vorschrift aufgrund der Verweisung wie folgt zu lesen ist: „Wer nicht verheiratet ist oder nicht in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit seinem Partner in einem Haushalt lebt, kann ein Kind nur allein annehmen.“
5. Zu Art. 2 Nr. 2 (Art. 22 Abs. 1 EGBGB)
Die Auslegung des Art. 22 Abs. 1 Satz 2 EGBG i.V.m. Art. 17b Abs. 5 Satz 1 EGBGB hat der Praxis Probleme bereitet. Wir begrüßen es deshalb, dass Art. 22 Abs. 1 EG-BGB so geändert werden soll, dass die Annahme von Kindern im Inland deutschem Recht und im Übrigen dem Recht des Staates unterliegen soll, in dem der Anzunehmende zum Zeitpunkt der Annahme seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred Bruns
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof a.D.