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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Referentenentwurf eines Gesetzes zum Schutz von Kindern vor geschlechtsverändernden operativen Eingriffen

Stellungnahme des LSVD vom 18. Februar 2020

Das generelle Verbot von Eingriffen an den inneren und äußeren Geschlechtsmerkmalen von Kindern mit Ausnahme qualifizierter medizinischer Notwendigkeit ist aus unserer Sicht zu begrüßen. Zu den nunmehr vorgelegten Regelungen nehmen wir kritisch Stellung.

Sehr geehrte Frau Dr. Drews-Hardach,

wir bedanken uns für die Gelegenheit, zu dem Referentenentwurf eines Gesetzes zum Schutz von Kindern vor geschlechtsverändernden operativen Eingriffen Stellung zu nehmen.

Der LSVD begrüßt, dass das Bundesjustizministerium nunmehr einen Referentenentwurf vorlegt, der die im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode vereinbarte gesetzliche Klarstellung, dass „geschlechtsangleichende medizinische Eingriffe an Kindern nur in unaufschiebbaren Fällen und zur Abwendung von Lebensgefahr zulässig sind“ nun rechtlich umsetzt.

Die Forderung, intergeschlechtliche Menschen nicht in das Korsett der binären Geschlechterordnung zu zwängen, sondern deren Recht auf freie Entfaltung und Entwicklung ihrer Persönlichkeit und insbesondere deren Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit Geltung zu verschaffen, ist eine langjährige Forderung des LSVD.

Zu den nunmehr vorgelegten Regelungen nehmen wir kritisch Stellung:

Das generelle Verbot von Eingriffen an den inneren und äußeren Geschlechtsmerkmalen von Kindern mit Ausnahme qualifizierter medizinischer Notwendigkeit ist aus unserer Sicht zu begrüßen. Auch die verfahrensrechtliche Absicherung durch die Einführung einer familiengerichtlichen Genehmigung halten wir für sinnvoll.

Begriffsbestimmung

Problematisch ist aus unserer Sicht die Verwendung der Begriff des „geschlechtsverändernden“ Eingriffs in § 1631c BGB-E. Der Begriff suggeriert, dass es vorliegend mit den Zuschreibungen „weiblich“, „männlich“ und „divers“ drei klar voneinander abgegrenzte Geschlechter gibt. Dies ist nicht zutreffend und führt daher bereits im Bereich des vorliegenden Tatbestandes zu erheblicher Rechtsunsicherheit bei der Frage, wann ein Eingriff die Grenze eines der Geschlechter überschreitet und damit eine Veränderung darstellt. Unklar ist zudem, wem die Definitionsmacht in diesen Fragen zukommen soll, da auch die Medizin hier keine eindeutigen Abgrenzungen bereitzustellen in der Lage ist.

Darüber hinaus birgt der Begriff des „geschlechtsverändernden Eingriffs“ insbesondere in der Abgrenzung zum „geschlechtsangleichenden Eingriff“ das Risiko der Fortschreibung der aktuellen Praxis nicht zwingend erforderlicher medizinischer Eingriffe unter Umgehung des Regelungszwecks, indem diese als lediglich geschlechtsangleichend definiert werden. Somit ist bereits in der Vorschrift selbst ein erhebliches Missbrauchsrisiko angelegt und die Unbestimmtheit und das damit verbundenen Auslegungserfordernis führen absehbar zu Problemen in der Rechtsanwendung.

Generelle Verbotsregelung

Um dies zu vermeiden, erscheint es aus unserer Sicht geboten, nicht nur geschlechtsangleichende und geschlechtsverändernde Eingriffe zu verbieten, sondern sämtliche Operationen an den inneren und äußeren Geschlechtsorganen bei allen Kindern, sofern diese nicht aufgrund einer erheblichen Gesundheitsgefahr oder einer Lebensgefahr geboten sind. Aus systematischen Gründen wäre selbstverständlich zu ergänzen, dass § 1631d BGB unberührt bleibt.

Darüber hinaus bedarf es der Klarstellung, dass pubertätsaufschiebende Hormonbehandlungen und eine endokrinologische Versorgung unter Einbeziehung des einwilligungsfähigen aufgeklärten Kindes von der Regelung ausgenommen bleiben.

Flankierendes Beratungsangebot

Die Erfahrungen in der Vergangenheit haben gezeigt, dass die Eltern intergeschlechtlicher Kinder und auch die Betroffenen selber im Zusammenhang mit der Einwilligung in operative Eingriffe verunsichert sind, nicht über ausreichend Informationen verfügen und sich häufig einem erheblichen Druck zur Einwilligung von Seiten der behandelnden Ärztinnen und Ärzte ausgesetzt sehen. Es ist daher dringend erforderlich, umfassenden Informationen und geeigneten Beratungsangebote einschließlich einer Peer-Beratung zur Verfügung zu stellen, um medizinisch umfassend aufgeklärte und selbstbestimmte Entscheidungen zu ermöglichen.

Zusätzlich zu der gesetzlichen Verbotsregelung ist daher dringend auch die Flankierung durch geeignete und besonders qualifizierte Beratungsangebote erforderlich, die ihrerseits gesetzlich strukturell abzusichern ist.

Mit freundlichen Grüßen

Gabriela Lünsmann
Fachanwältin für Familienrecht und LSVD-Bundesvorstand

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