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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Bundesgerichtshof beschränkt die Anwendung des § 45b Personenstandsgesetz auf inter* Personen

LSVD hält den anhaltenden Verweis von trans* Menschen auf das diskriminierende Gerichtsverfahren nach dem TSG für verfassungswidrig

Pressemitteilung vom 25.05.2020

Berlin, 25. Mai 2020. Der Bundesgerichtshof hat mit seiner am 22. Mai 2020 veröffentlichten Entscheidung vom 22. April 2020 (BGH XII ZB 383/19) die seit Anfang 2019 mögliche Änderung des Personenstandes durch Antrag beim Standesamt ausdrücklich auf inter* Personen mit dem ärztlich nachgewiesenen Fehlen einer eindeutig weiblichen oder männlichen körperlichen Geschlechtszuordnung beschränkt. Dazu erklärt Gabriela Lünsmann, Mitglied im Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD):

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) sieht in der Unterscheidung zwischen trans- und intergeschlechtlichen Menschen bei den Verfahren zur Änderung des Geschlechtseintrags, die sich in dem aktuellen Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) findet, einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Artikel 3 Grundgesetz.

Die vom BGH vorgenommene Differenzierung zwischen inter* Personen mit sogenannter beweisbarer „biologischer Uneindeutigkeit“ einerseits und Personen mit sogenannter „empfundener Intersexualität“ und trans* Personen andererseits ist fachlich nicht begründbar. Die Argumentation des BGH wertet die empfundene Geschlechtsidentität von inter* und trans* Personen gegenüber einer angeblichen eindeutigen und beweisbaren „biologischen Uneindeutigkeit“ ab und verkennt, dass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in zahlreichen Entscheidungen der empfundenen Geschlechtsidentität dasselbe Gewicht zugemessen hat, wie der in § 45b PStG verwendeten Formulierung der „Variante der Geschlechtsentwicklung“.

Diese Unterscheidung in inter* und trans* Personen unterschiedlicher Klassen ist in keiner Weise geeignet, die dramatisch unterschiedlichen Rechtsfolgen zu begründen, die mit dem Antragsverfahren vor dem Standesamt einerseits und dem Gerichtsverfahren mit umfangreicher psychiatrischer Begutachtung andererseits verbunden sind. Die vom BGH als Rechtfertigung angeführte Gefahr von „beliebigen Personenstandswechseln“ im Falle einer einfachen Änderungsmöglichkeit durch Antrag entbehrt jeder Grundlage. Es ist zu hoffen, dass das BVerfG die Entscheidung des BGH korrigiert.

Die Entscheidung des BGH macht aber auch ein weiteres Mal den dringenden Reformbedarf im Personenstandsrecht deutlich. Das in weiten Teilen vom BVerfG für verfassungswidrig erklärte Transsexuellengesetz (TSG) muss zeitnah neu gefasst werden. Zu dem hierzu vom Bundesjustizministerium im Mai 2019 vorgelegten Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Änderung des Geschlechtseintrags gab es zahlreiche konstruktive Verbesserungsvorschläge der beteiligten Sachverständigen und Verbände. Auf diese Grundlage muss nun endlich zeitnah eine Reform erfolgen.

Der LSVD fordert, dass eine Vornamens- und Personenstandsänderung allein auf Antrag beim Standesamt ermöglicht wird; ohne Zwangsberatungen, Gutachten, ärztliche Atteste oder Gerichtsverfahren. Das Offenbarungsverbot hinsichtlich des früheren Vornamens oder Personenstandes muss gestärkt und Verstöße sollten wirksam sanktioniert werden. Es braucht einen gesetzlichen Anspruch auf Neuausstellung von Zeugnissen und Arbeitsdokumenten bei Namens- bzw. Personenstandsänderung. Inter* und trans* Familien müssen nach der Änderung des Geschlechtseintrages bei Geburt eines Kindes die Wahl haben, mit welchem Namen und welchem Personenstand sie in die Geburtsurkunde ihres Kindes eingetragen werden.

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