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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Datenschutz, Cybermobbing, Hate speech: Queer und sicher im Netz

Ratgeber: Was tun bei Cybermobbing und Hate Speech?

Online – das sind alle Jugendlichen in Deutschland. Für sie hat das Netz einen riesigen Stellenwert. LSBTIQ*-Jugendliche sind sogar länger online, aktiver in Foren, stellen häufiger selbst Inhalte ins Netz, bloggen und twittern mehr. Aber wenn sie die positiven Aspekte des Netzes nutzen möchten, müssen sie gleichzeitig damit rechnen, dort diskriminiert und belästigt zu werden.

Was tun bei Hate Speech sozialen Netzwerken und Cybermobbing? Wie kann ich meine Daten schützen?

Online – das sind alle Jugendlichen in Deutschland. Für sie hat das Netz einen riesigen Stellenwert. LSBTIQ*-Jugendliche sind dabei durchschnittlich sogar ca. 45 Minuten länger online sind als ihre cisgeschlechtlichen, heterosexuellen Peers. Sie sind aktiver in Foren, stellen häufiger selbst Inhalte ins Netz, bloggen und twittern mehr. Die Mehrheit verbringt zwischen zwei und fünf Stunden täglich aktiv im Netz.

Inhaltsverzeichnis

Ambivalente Erfahrungen: Von Empowerment bis Hate Speech

#1 Was kann ich persönlich für meine digitale Sicherheit tun? Was gehört alles zu digitaler Kompetenz?

#2 Was kann ich als Site-Administrator*in oder Forumsbetreiber*in tun?

#3 Umgang mit Hate Speech

#4 Was können Eltern tun?

#5 Was können Schule und Jugendarbeit tun?

#6 Was kann die Politik tun?

Ambivalente Erfahrungen: Von Empowerment bis Hate Speech

Besonders während des inneren Coming-outs spielt das Netz für sie eine große Rolle. Dort finden sie Infos zu sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Zugehörigkeit, die in ihrem Umfeld vielleicht wenig oder gar nicht verfügbar sind bzw. sie können sich informieren, ohne dass es jemand erfährt. Oftmals ist es der Ort, an dem sie mit anderen queeren Jugendlichen überhaupt in Kontakt treten können und Bestätigung, Verständnis und Ermutigung finden. Viele können im Netz offener sein als im analogen Umfeld.

Gleichzeitig ist es aber auch der Ort, an dem sie häufig Diskriminierung, soziale Exklusion und LSBTIQ*-Feindlichkeit erleben. Trans* und genderdiverse Jugendliche sind insgesamt häufiger Diskriminierungen ausgesetzt. Jede*r zweite von ihnen berichtet, dass sie online beleidigt, beschimpft oder lächerlich gemacht wurden. Von den jungen cisgeschlechtlichen Lesben, Schwulen und Bisexuellen sagen das 28 Prozent.

Studie: „Lauter Hass - leiser Rückzug“ von Das NETTZ, Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur, HateAid und den Neuen deutschen Medienmacher*innen als Teil des Kompetenznetzwerks gegen Hass im Netz (13. Februar 2024)

Mehr als die Hälfte der Internetnutzer*innen bekennt sich aus Angst vor Hass im Netz seltener zur eigenen politischen Meinung und beteiligt sich weniger an Diskussionen. Personen mit sichtbarem Migrationshintergrund und queere Menschen sind dort vermehrt Gewaltandrohungen und Beleidigungen ausgesetzt. Die Erhebung ist die in Deutschland seit 2019 umfangreichste Untersuchung zu Wahrnehmung, Betroffenheit und Folgen von Hass im Netz. Befragt wurden mehr als 3.000 Internetnutzer*innen in Deutschland ab 16 Jahren.

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Hass im Netz kann alle treffen. Aber nicht alle gleich. Fast jede zweite Person (49 %) wurde schon einmal online beleidigt. Ein Viertel (25 %) der Befragten wurde mit körperlicher Gewalt und 13 % mit sexualisierter Gewalt konfrontiert. Besonders häufig betroffen sind nach eigenen Angaben Personen mit sichtbarem Migrationshintergrund (30 %), junge Frauen (30 %) und Menschen mit homosexueller (28 %) oder bisexueller (36 %) Orientierung. Fast jede zweite junge Frau (42 %) erhielt bereits ungefragt ein Nacktfoto.
     
  • Hass im Netz führt zum Rückzug aus demokratischen Diskursen. Mehr als die Hälfte der Befragten bekennt sich aus Angst im Netz seltener zur eigenen politischen Meinung (57 %), beteiligt sich seltener an Diskussionen (55 %) und formuliert Beiträge bewusst vorsichtiger (53 %). 82 % der Befragten fürchten, dass Hass im Netz die Vielfalt im Internet gefährdet. Mehr als drei Viertel (76 %) sind besorgt, dass durch Hass im Netz auch die Gewalt im Alltag zunimmt. Der Großteil (89 %) stimmt zu, dass Hass im Netz in den letzten Jahren zugenommen hat. Nur 5 % hat schon einmal Hass gegen sich selbst bei der Polizei angezeigt.
     
  • Plattformen müssen Verantwortung für Hass im Netz tragen. 86 % der Befragten finden, dass Social-Media-Plattformen mehr Verantwortung übernehmen müssen. 79 % stimmen der Aussage zu, dass diese Plattformen auch finanzielle Verantwortung für die durch Hass im Netz entstehenden gesellschaftlichen Schäden tragen sollten.

Was muss jetzt passieren?

Die Herausgeber*innen der Studie fordern daher bessere Unterstützung für Betroffene von Hass im Netz. Es brauche ein bundesweites Netzwerk von spezialisierten Beratungsstellen sowie geschulte Strafverfolgungsbehörden, die Betroffene ernst nehmen und nicht abweisen. Denn die Studie zeigt: Bislang nehmen Menschen, die Hass im Netz erleben, institutionelle Angebote nur in wenigen Fällen wahr. Notwendig sei daher die konsequente Anwendung bestehender Gesetze im Internet. Der europäische Digital Services Act (DSA) müsse schnell umgesetzt werden. Von Social-Media-Plattformen verlangen sie ein konsequentes Vorgehen gegen Hass sowie Verstöße gegen den Jugendmedienschutz. Für die durch Hass und Desinformation verursachten gesellschaftlichen Schäden müssten insbesondere sehr große Online-Plattformen künftig auch finanziell Verantwortung übernehmen. Außerdem fordern die Organisationen eine nationale Bildungsoffensive Medienkompetenz, die mit Mitteln in mindestens gleichwertiger Höhe des Digitalpakts von Bund und Ländern (6,5 Milliarden Euro) ausgestattet werden sollte. Zudem müssten die Zivilgesellschaft besser gefördert und Hassdynamiken im Netz kontinuierlich erfasst werden.

#1 Was kann ich persönlich für meine digitale Sicherheit tun? Was gehört alles zu digitaler Kompetenz?

Wissen um Datenschutz

  • sichere Passwörter (Passwortmanager, regelmäßig Passwörter ändern), sichere Browser
  • Mailprogramme, Messenger und Cloud-Dienste und Kollaborationsplattformen mit Servern in Deutschland bzw. in der EU + zweistufige Authentifizierung
  • Standort ausschalten
  • E-Mail-Verschlüsselung nutzen
  • Privatsphäre-Einstellungen in Apps und Sozialen Medien checken: eigenes Profil auf privat stellen
  • Bei Diensten, die keine Klarnamen erfordern, auch keine nutzen
  • Nicht bei jedem Dienst den gleichen Nickname benutzen, da man so leicht von Stalker*innen gefunden werden kann
  • Als Nickname nichts verwenden, was leicht auf dich rückschließen lässt (z.b. Spitznamen)

Bewusstes Teilen von Informationen

  • Faustregel: „Erst denken, dann posten!“ 
  • Welche Informationen teile ich da eigentlich durch mein Profilbild bzw. meine Bio/ Profilbiographie?
  • Informationen wie Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Geburtstag, Wohnort, sexuelle Orientierung, geschlechtliche Identität, Dead Names oder eigener Standort sollten nicht öffentlich und mit jedem geteilt werden, ebenso wo ich wann hingehe, oder wann und für wie lange ich in den Urlaub fahre
  • Mit welchen Infos oute ich mich (ungewollt)? Mit welchen Likes? Was verraten Posts und getaggte Fotos von anderen über mich?
  • Oute ich vielleicht andere durch meine Posts oder Tagging?
  • Wofür stelle ich PushUp-Nachrichten ab? Was können andere durch das Format der PushUp-Nachricht erkennen?

Welche Bilder teile ich öffentlich oder privat? Welche Infos geben diese Fotos über mich raus?

  • Möchte ich Fotos vor, in bzw. nach Transition posten und teilen?
  • Bilder verraten mitunter, in welcher Stadt oder Straße du wohnst bzw. Orte, an denen du dich regelmäßig aufhältst
  • Fotos, auf denen man erkennen kann, wo du gerade bist, lieber zeitversetzt teilen, um nicht vor Ort von Personen überrascht zu werden, die du nicht spontan treffen magst
  • Was verraten Posts und getaggte Fotos von anderen über mich, meine Identität oder z.B. meinen Aufenthaltsort?
  • Versende ich Nacktfotos mit Gesicht?
  • Habe ich die Bildrechte?

Vorsicht bei Anfragen von dir unbekannten Accounts und Profilen

  • Klicke nicht auf verdächtige Links in Nachrichten von Accounts, die du nicht kennst
  • Überprüfe, wem du neu folgst bzw. welche Freundschaftsanfragen du annimmst

#2 Was kann ich als Site-Administrator*in oder Forumsbetreiber*in tun?

Nettikette im Team abstimmen

  • respektvoller Umgang miteinander
  • keine Diskriminierung (nicht nur auf LSBTIQ*-Feindlichkeit abheben, sondern auf alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und diese auch explizit benennen)
  • User*innen nicht nur als Opfer von Diskriminierung, sondern auch als mögliche Täter*innen ansprechen
  • Konsequenzen von Verstößen definieren: Wann blockiere ich jemanden, wann lösche ich einen Kommentar?
  • Leitfaden für eventuelle Vorfälle aufstellen

Nettikette deutlich kommunizieren und sichtbar machen

  • z.B. auf der Homepage oder in der Willkommensnachricht

Durchsetzung dieser Nettikette

  • sichtbares Moderieren statt Ignorieren schafft Vertrauen bei User*innen 
  • Ressourcen für aktives Community Management bereitstellen und Verstöße konsequent ahnden
  • Ansprechbarkeit signalisieren
  • bei einer gezielten Spamattacke schalte zur Not die Kommentarfunktion vorrübergehend aus
  • Blocke Accounts, die hasserfüllte Kommentare abgeben oder euch mit Nachrichten belästigen

#3 Umgang mit Hate Speech

Als Betroffene*r

  • Gibt es Vertrauenspersonen, an die man sich wenden kann?
  • Gibt es jemanden, die den Account für mich übernehmen, Posts löschen und Profile blockieren kann? 
  • Stelle deinen Account vorrübergehend auf privat oder stelle die Kommentarfuntion ab
  • Screenshots (inklusive Datum und Uhrzeit, und am besten von dem gesamten Computerbildschirm) abspeichern (Anleitung für rechtssichere Screenshots von Hate Aid)
  • rechtssichere Screenshots von Hate Speech veröffentlichen, allerdings nur mit Schwärzung des Bildes bzw. des Namens
  • Seitenbetreiber taggen
  • Anzeigen: z.B. bei den OnlineWachen der Bundesländer
  • rechtliche oder psychologische Beratung suchen (z.B. Hate Aid oder die Meldestelle REspect! Gegen Hetze im Netz)
  • Hassbeiträge / Profile bei den entsprechenden Sozialen Netzwerken melden; laut Netzwerkdurchsetzungsgesetz müssen diese innerhalb von 24 Stunden reagieren und bei erkennbaren Rechtsverstößen den Hassbeitrag löschen.

Als Zeug*in

#4 Was können Eltern tun?

  • Vertrauensperson sein
  • ihr LSBTIQ*-Kind akzeptieren und stärken 
  • Kinder sensibilisieren und über Internet-Mobbing aufklären
  • sich für die Apps- und Internetnutzung des Kindes interessieren
  • bei digitaler Kompetenz mitlernen und mit gutem Beispiel vorangehen
  • „Sharenting“ vermeiden (d.h. nicht leichtfertig Informationen und Bilder über eigene oder andere Kinder in Sozialen Medien posten, sondern deren Persönlichkeitsrechte beachten)

#5 Was können Schule und Jugendarbeit tun?

Digitale Kompetenz lehren

  • Thematisierung in der Schule (etwa Nutzung von WhatsApp-Gruppen für Klassen)
  • Projekttage, -wochen zu digitaler Kompetenz und Datenschutz
  • klare Regeln zur Handynutzung: Wo und wann keine Nutzung an der Schule?
  • Empathie im digitalen Raum
  • Aufklärung über die Strafbarkeit bestimmter Aussagen
  • Aus- und Fortbildung für Lehrkräfte, Sozial- und Jugendarbeiter*innen

Diskriminierungskritische bzw. diskriminierungssensible Pädagogik

  • LSBTIQ*-sensible Vertrauenspersonen und klar benannte Anlaufstellen
  • hauptamtliche Ansprechpersonen an Schulen 
  • nicht nur Antidiskriminierung, sondern alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit explizit benennen
  • Aus- und Fortbildung für Lehrkräfte, Sozial- und Jugendarbeiter*innen

Digitalisierung von Jugendarbeit, Sozialarbeit und LSBTIQ*-Arbeit

  • Wissen um Suchmachinenoptimierung (SEO), damit vertrauenswürdige Infos und Angebote besser im Netz gefunden werden (www.feministclickback.org) 
  • Digitalisierung ermöglicht ortsunabhängige Beratung bzw. neue Formen der Beratung und Angebote (Chats, Webinare u.a.)

#6 Was kann die Politik tun?

Die Politik bewegt sich im Spannungsfeld von Datenschutz und Anonymität im Netz auf der einen, Möglichkeiten von Strafverfolgung auf der anderen Seite. Diese Ambivalenz der Klarnamenspflicht stellt sich insbesondere auch für trans* Personen.

  • vereinfachte und transparente Meldeverfahren für Hate Speech auf Webseiten, Netzwerken und Apps
  • zusätzliche Stellen und Expertise bei Polizei und Justiz für Prävention und
    Ahndung von Cyberkriminalität, Hate Speech
  • Fortbildung, Expert*innen, Finanzierung zur Verfügung stellen
  • LSBTIQ*-sensible Anlaufstellen und Unterstützung sichern
  • flächendeckendes Internet gewährleisten 

Links zum Thema „Hass im Netz“ / Hate Speech

Diese Empfehlungen basieren u.a. auf den Ergebnissen des Fachforums "Queer und sicher im Netz" auf dem dritten bundesweiten Regenbogenparlament „Akzeptanz von LSBTI* in Jugendarbeit und Bildung“ mit Dr. Claudia Krell (Deutsches Jugendinstitut), Sarah Bast (Gorizi, Bundesweites Portal für junge Lesben, Frauenzentrum Mainz), Pavlo Hrosul (Kampagne #NoHateMe, Stoppt digitales Mobbing). Moderiert wurde das Fachforum von Markus Ulrich (LSVD-Pressesprecher). Die Broschüre mit den Ergebnissen und Handlungsempfehlungen des 3. Regenbogenparlaments "Akzeptanz für LSBTI* in Jugendarbeit und Bildung" kann hier heruntergeladen werden oder aber so lange der Vorrat reicht per Mail an presse@lsvd.de kostenfrei bestellt werden.

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