Diskriminierung und Gewalt gegen lesbische Frauen
Coming-out, Offenheit und Diskriminierungserfahrungen im Alltag, Hasskriminalität

Am 14. Mai 2024 wurden die Ergebnisse des dritten großen LGBTI-Survey veröffentlicht - die größte ihrer Art. Die Online-Studie von der EU-Grundrechteagentur (FRA) beruft sich auf über 100.000 Antworten von queeren Menschen aus 30 Ländern (27 EU-Staaten, Albanien, Serbien und Nordmazedonien).
Aus Deutschland haben sich etwa 17.000 Menschen an der Umfrage beteiligt. Etwa 20% der Befragten waren lesbische Frauen (ca. 3.400). Hier veröffentlichen wir die Ergebnisse zu ihren Erfahrungen im Alltag, mit Diskriminierung und Hassgewalt. Einen Überblick über die allgemein zu Deutschland bekanntgegebenen Ergebnisse findet sich hier.
Vergleich zu 2019
Am 14. Mai 2020 hat die EU-Grundrechteagentur (FRA) die Ergebnisse des zweiten großen LGBTI-Survey veröffentlicht. An der Onlineumfrage hatten sich knapp 140.000 Menschen aus 30 Ländern (28 EU-Staaten inkl. Großbritannien, Serbien und Nordmazedonien) beteiligt, davon über 16.000 aus Deutschland. Die Zahlen von 2019 stellen wir für die direkte Vergleichbarkeit dahinter, wenn sie erhoben sind.
EL*C Observatory on Lesbophobia
Darüber hinaus veröffentlichte das Netzwerk Eurocentralasian Lesbian* Community (EL*C) im Mai 2024 den Bericht "EL*C Observatory on Lesbophobia", der Gewaltvorfälle gegenüber Lesben und weiteren queeren Frauen aus dem Jahr 2023 analysiert.
Inhaltsverzeichnis
- Coming-out und Offenheit im Alltag
- Erfahrungen mit Hassgewalt
- Erfahrungen mit Diskriminierung
- Erfahrungen am Arbeitsplatz
- Gesundheitliche Lage und Diskriminierung im Gesundheitswesen
- Diskriminierung an der Schule
1. Coming-out und Offenheit im Alltag
Wann hast du zum ersten Mal gemerkt, dass du lesbisch bist?
2023 | 2019 | |
5 Jahre oder jünger | 3 % | 2 % |
6-9 Jahre | 6 % | 4 % |
10-14 Jahre | 37 % | 34 % |
15-17 Jahre | 25 % | 26% |
18-24 Jahre | 19 % | 22 % |
25-34 Jahre | 7 % | 8 % |
35-54 Jahre | 3 % | 3 % |
55 Jahre oder älter | 0 % | 0 % |
Wann hast du zum ersten Mal jemandem erzählt, dass du lesbisch bist?
2023 | 2019 | |
noch nie | 2 % | 2 % |
10-14 Jahre | 14 % | 10 % |
15-17 Jahre | 27 % | 26 % |
18-24 Jahre | 36 % | 40 % |
25-34 Jahre | 13 % | 16 % |
35-54 Jahre | 6 % | 5 % |
55 Jahre oder älter | 0 % | 0 % |
Offenheit im Alltag
- 29% der lesbischen Frauen vermeiden es oft oder immer, mit ihrer Partnerin Händchen zu halten (2019: 28%).
- Am Arbeitsplatz sind 15% der lesbischen Frauen nicht geoutet (2019: 7%).
- In der Schule sind 54% der lesbischen befragten Frauen ungeoutet (2019: 53%).
- 24% der lesbischen Frauen vermeiden oft oder immer bestimmte Plätze und Orte aus Angst vor Gewalt oder Belästigung (2019: 20%).
An welchen Orten meiden es lesbische Frauen aus Angst vor Gewalt und Belästigung offen zu sein?
2023 | 2019 | |
Zuhause | 4 % | 3 % |
Familie | 14 % | 13 % |
Schule | 7 % | 8 % |
Arbeitsplatz | 22 % | 22 % |
Café, Restaurant, Club | 19 % | 24 % |
öffentlicher Nahverkehr | 42 % | 49 % |
auf der Straße | 41 % | 49 % |
Gesundheitswesen | 13 % | 13 % |
2. Erfahrungen mit Hassgewalt
7% der lesbischen Frauen haben in den letzten 12 Monaten Belästigungen und Gewalt erfahren (2019: 5 %). 18% der lesbischen Frauen wurden in den letzten fünf Jahren angegriffen, weil sie lesbisch sind (2019: 13 %).
Wo passierte der letzte physische bzw. sexualisierte Angriff?
2023 | 2019 | |
Zuhause | 7 % | 5 % |
Arbeitsplatz | 5 % | 5 % |
Café, Restaurant, Club | 14 % | 18 % |
öffentlicher Nahverkehr | 18 % | 15 % |
auf der Straße | 47 % | 51 % |
Schule/Uni | 3 % | 1 % |
Wer waren die Täter*innen beim letzten Angriff?
- Zu 65% wurden sie von Einzelttäter*innen und nicht von mehreren angriffen (2019: 65 %).
- Zu 88% waren es männliche Täter (2019: 90 %).
- Zu 62% kannten sie die Täter*in nicht (2019: 63 %).
Art der letzten Belästigung aufgrund der Sexualität
- Beleidigung oder Bedrohung: 64 %
- Gewaltandrohung: 8 %
- beleidigende oder drohende Gesten oder unangemessenes Anstarren: 53 %
- Verfolgt werden: 8 %
- Beleidigende oder drohende E-Mails oder Textnachrichten: 4 %
- Hasskommentare im Internet: 9 %
Folgen von Hasskriminalität für die Betroffenen
- 3 % mussten medizinisch versorgt werden, nachdem sie Hasskriminalität erfahren haben (2019: 6 %)
- 3 % waren danach arbeitsunfähig (2019: 1 %)
- 21 % hatten danach Angst vor die Tür zu gehen oder bestimmte Orte aufzusuchen (2019: 17 %)
- 38% berichteten von anschließenden psychischen Problemen (Depression, Angst u.a.) (2019: 28 %)
- 3 % hatten anschließend finanzielle Probleme (2019: 1 %)
- 39 % gaben an, dass das Erlebnis bei ihnen keine Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden hatte (2019: 50 %)
Lediglich 7 % der lesbischen Frauen haben den letzten physischen Angriff oder sexualisierte Gewalterfahrung bei der Polizei angezeigt (2019: 10 %).
- 42 % fanden den Vorfall nicht schlimm genug (2019: 51 %)
- 44 % glaubten nicht, dass eine Anzeige was bringen würde (2019: 47 %)
- 33 % haben kein Vertrauen in die Polizei (2019: 14 %)
- 9 % stellten keine Anzeige aus Angst vor negativen Folgen / vor Täter*in (2019: 5 %)
- 15 % verzichteten auf eine Anzeige, weil sie sich schämten (2019: 12 %)
- 25% stellten keine Anzeige aus Angst vor einer queerfeindlichen Reaktion der Polizei (2019: 15 %)
- 1% stellten keine Anzeige aufgrund ihres Aufenthaltsstatus (2019: 0 %)
3. Erfahrungen mit Diskriminierung
45% der befragten Lesben wurden in mehr als acht Lebensbereichen in den letzten 12 Monaten aufgrund ihres Lesbischseins diskriminiert (2019: 45%). 93% der Befragten haben den letzten Vorfall nicht gemeldet (2019: 94 %).
Wo fand die letzte Diskriminierung statt?
2023 | 2019 | |
Jobsuche | 2 % | 3 % |
Arbeitsplatz | 22 % | 21 % |
Wohnungssuche | 8 % | 11 % |
Soziale Dienste/Gesundheitsdienste | 15 % | 12 % |
Schule/Uni | 9 % | 13 % |
Café, Bar, Restaurant, Club | 22 % | 31 % |
Geschäft | 9 % | 8 % |
Ämter/Öffentlicher Dienst | 9 % | - |
Beim Vorzeigen von offiziellem Dokument, das das Geschlecht ausweist | 3 % | 1 % |
Wie viele der Befragten haben Diskriminierung in den folgenden Lebensbereichen aufgrund der Sexualität in den letzten 12 Monaten erlebt?
2023 | 2019 | |
Jobsuche | 8 % | 8 % |
Arbeitsplatz | 20 % | 20 % |
Wohnungssuche | 18 % | 18 % |
Soziale Dienste/Gesundheitsdienste | 18 % | 14 % |
Schule/Uni | 17 % | 18 % |
Café, Bar, Restaurant, Club | 21 % | 25 % |
Geschäft | 14 % | 14 % |
Beim Vorzeigen von offiziellem Dokument, das das Geschlecht ausweist | 6 % | 2 % |
4. Erfahrungen am Arbeitsplatz
Am Arbeitsplatz sind 15 % der lesbischen Frauen nicht geoutet (2019: 7 %). Bei der Jobsuche haben 8% in den letzten 12 Monaten Diskriminierung erfahren (2019: 8 %). 20% wurden im letzten Jahr am Arbeitsplatz diskriminiert (2019: 20 %).
Wie oft haben die lesbischen Befragten in den letzten fünf Jahren am Arbeitsplatz eine allgemeine negative Einstellung gegenüber LSBTIQ* erlebt?
2023 | 2019 | |
immer | 2 % | 2 % |
oft | 17 % | 14 % |
selten | 44 % | 48 % |
nie | 36 % | 36 % |
5. Gesundheitliche Lage und Diskriminierung im Gesundheitswesen
Allgemeines gesundheitliches Befinden
2023 | 2019 | |
sehr gut | 25 % | 30 % |
gut | 48 % | 51 % |
ausreichend | 20 % | 15 % |
schlecht | 7 % | 4 % |
Vorhandensein von Langzeiterkrankungen oder gesundheitlichen Problemen, die länger als sechs Monate andauerten/andauern.
- 43 % ja (2019: 34 %)
- 57 % nein (2019: 66 %)
Psychische Gesundheit / Wohlbefinden
- Auf einer Skala von 0 bis 10 bezüglich der Zufriedenheit mit ihrem Leben gaben lesbische Frauen durchschnittlich einen Wert von 6,7 an (2019: 7,2)
- 17 % der Lesben gaben an sich in den letzten 2 Wochen immer oder die meiste Zeit niedergeschlagen oder depressiv gefühlt zu haben (2019: 12 %). Bei 12 % war dies mehr als die Hälfte der Zeit der Fall (2019: 10 %). Nur 14 % fühlten sich nie niedergeschlagen oder depressiv (2019: 22 %).
- Im letzten Jahr hatten 1 % immer und 10 % oft Suizidgedanken. Bei 21 % war dies selten und bei 68 % nie der Fall.
- 15 % der lesbischen Befragten haben schon einmal versucht sich das Leben zu nehmen.
Bei 18% der lesbischen Frauen fand die letzte erlebte Diskriminierung bei der Inanspruchnahme von sozialen Diensten bzw. Gesundheitsdiensten statt (2019: 12 %).
Welche diskriminierenden Erlebnisse wurden bei der Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten gemacht?
2023 | 2019 | |
Hürden beim Zugang | 5 % | 5 % |
mussten nach negativer Erfahrung Ärzt*in wechseln | 6 % | 4 % |
vermieden medizinische Behandlung aus Angst vor Diskriminierung | 6 % | 4 % |
besondere Bedürfnisse wurden ignoriert | 11 % | 8 % |
unangebrachte Neugierde / kommentare | 16 % | 14 % |
unter Druck gesetzt, sich einer bestimmten medizinischen / psychologischen Maßnahme zu unterziehen | 4 % | 1 % |
haben nie Gesundheitsdienste beansprucht | 2 % | 3 % |
haben Gesundheitsdienste gemieden | 6 % | 4 % |
Behandlung wurde verweigert | 3 % | - |
haben keine der genannten Vorfälle erlebt | 70 % | 72 % |
6. Diskriminierung an der Schule
Offenheit an der Schule
- 54 % der lesbischen Befragten verstecken ihre Sexualität an der Schule (2019: 53 %).
- 38% der lesbischen Befragten gehen teilweise offen mit ihrer Sexualität um (2019: 40 %).
- 8% der lesbischen Befragten sind sehr offen mit ihrem Lesbischsein (2019: 7 %)
Diskriminierung und Mobbing an der Schule
- 17% der lesbischen Befragten wurden in den letzten 12 Monaten durch Personal einer Schule / Universität diskriminiert (2019: 18 %).
- Bei 9 % der lesbischen Befragten hat der letzte Diskriminierungsvorfall an der Schule / Universität stattgefunden (2019: 13 %).
- Während ihrer Schulzeit wurden 58 % der lesbischen Befragten von Mitschüler*innen und 13 % von Lehrkräften oder anderem Schulpersonal beleidigt, bedroht oder lächerlich gemacht (insgesamt 2019: 42 %).
- 29 % der lesbischen Befragten haben in der Schule oft oder immer gegen sie gerichtete negative Kommentare oder negatives Verhalten erlebt (2019: 28 %)
Unterstützung aus dem Umfeld
- Dass in der Schulzeit jemand sie und ihre Rechte als queere Personen unterstützt und verteidigt hätte, erlebten 30 % der lesbischen Befragten immer oder oft (2019: 25 %). Bei 37 % war dies nie der Fall (2019: 43 %).
- 73 % der lesbischen Befragten geben an, dass an ihrer Schule nie LSBTIQ*-Themen adressiert worden sind.
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