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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

"Ein Held unserer Community"

Rede von Axel Hochrein, LSVD-Bundesvorstand und Vorstand der Hirschfeld-Eddy-Stiftung

Manfred Bruns war ein Realist, der sich mit ungerechten Situationen nicht abgab, Lösungen suchte und fand, um etwas zu ändern. Und dieser Fähigkeit verdanken wir auch, dass die Hirschfeld-Eddy-Stiftung, die LSBTI-Menschenrechtsstiftung des LSVD gegründet wurde.

Axel Hochrein bei der LSVD-Gedenkfeier für Manfred-Bruns

Verehrte Anwesende,

„Wie es weitergeht, ist offen. Aber 85 Jahre ist ja auch ein hohes Alter. Wenn es jetzt zu Ende ginge, hätte ich nicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben. Und ich habe im Hinblick auf die Gleichberechtigung alles erreicht, was ich wollte.“

Das schrieb mir Manfred ein paar Monate vor seinem Tod. Und diese Zeilen drücken einiges über ihn und sein Wesen aus. Schon während der letzten Jahre, kam von Manfred immer wieder die Aufforderung, dafür Sorge zu tragen, dass Ersatz da ist, wenn er, wie er es nannte „ausfällt“, um hinzuzufügen, „damit müsst ihr in meinem Alter jederzeit rechnen“.

Dabei sprach er von seinem eigenen Tod, als ginge es um einen Dritten. Diese gefühlte Außensicht auf sein Leben zeigte er auch, wenn er uns am Rande der vielen gemeinsamen Tagungen aus seinem Leben erzählte. Wenn es um die unglaublichen Verletzungen und Diskriminierungen ging, die er erfuhr, als er sich als schwul geoutet hatte.

Von Kollegen die sich in der Kantine des Bundesgerichtshofes nicht mehr mit ihm an einen Tisch setzen wollten. Von dem angestrengten Disziplinarverfahren gegen ihn, von der Tatsache, dass er auf Grund seines Outings als erpressbar und damit als Sicherheitsrisiko galt.

Aber wieso sollte ein schwuler Bundesanwalt, der den Schritt des Outings selbst gegangen ist, denn noch erpressbar sein? In solchen Erzählungen kam dann von Manfred eine seiner Lieblingsausdrücke, um eine vollkommen unhaltbare Argumentation zu beschreiben, das Wort „absurd“. „Das war natürlich alles absurd“, sagte er. „Ich bin dann halt zum Mittagessen in ein Lokal gegangen“.

Manfred Bruns war ein Realist, der sich mit ungerechten Situationen nicht abgab, Lösungen suchte und fand, um etwas zu ändern. Und dieser Fähigkeit verdanken wir auch, dass die Hirschfeld-Eddy-Stiftung, die LSBTI-Menschenrechtsstiftung des LSVD gegründet wurde.

Die internationale Vernetzung und Zusammenarbeit mit ausländischen LSBTI* Organisationen begann im LSVD sehr früh. Aus der Zusammenarbeit, zuerst mit Freundinnen und Freunden in angrenzenden Ländern in Ost-Europa, erwuchsen erste gemeinsame Projekte, wie zum Beispiel GaySolidarnoc, für die Unterstützung und Zusammenarbeit mit polnischen Aktivistinnen und Aktivisten.

Die Erkenntnis, dass wir zur Aufrechterhaltung und Ausweitung dieser Aktivitäten neue Ressourcen und Drittmittelgebende erschließen müssen, die uns in dieser Arbeit unterstützen, brachte die Idee zur Gründung einer Stiftung auf. Und es war eben Manfred Bruns, der eine schnelle Umsetzung dieser Idee ermöglichte. Nämlich indem er die Möglichkeit, der juristisch nicht selbständigen Stiftung erkannte und als Lösung vorschlug.

So konnten wir als Stiftung, anstatt uns jahrelang erst einmal um die Beschaffung eines notwendigen Stiftungskapitals zu kümmern, 2007 mit der Arbeit und ersten Projekten beginnen. Manfred war dabei nicht nur ein wichtiger Initiator, sondern einer der Gründungsstifter und bis 2018 in unserem Stiftungsrat.

In dieser Zeit, und darüber hinaus, bis zu seinem Tod hat er sich um die vielfältigen juristischen Angelegenheiten und Belange der Stiftung unermüdlich gekümmert. Gerade die Situation als juristisch nicht selbständige Stiftung hat immer wieder zu kniffligen Herausforderungen geführt, die Dank Manfreds Hilfe gelöst werden konnten.

Aus dem operativen Geschäft der Stiftung, der Projekt-Auswahl und Abwicklung hielt er sich heraus, war aber immer der Rat gebende und aktuell informierte und interessierte Ansprechpartner im Hintergrund.

Ihm, der aus eigener Erfahrung durchlebt hat, was es bedeutet ein Leben zu führen, in welchem die eigene Homosexualität unterdrückt und verborgen gelebt werden musste, was die Kriminalisierung von Homosexualität bedeutet, als drohendem Ausschluss aus der Gesellschaft und damit dem sozialen Abstieg und Ausgrenzung waren Bürger- und Menschenrechte gerade für verfolgte Minderheiten deshalb ein innerstes Anliegen.

Sein juristisches Fachwissen nutzte er dabei für die demokratische Rechtsgestaltung, als Grundlage für den rechtlichen Rahmen, der aus Benachteiligung Einzelner, Gleichberechtigung und gleiches Recht für Alle bringen sollte.

Aber darüber hinaus, eben nicht nur in der abstrakten Rechtsgestaltung und Entwicklung, sondern in der Begleitung und Hilfe bei der Durchsetzung einer solchen Gleichberechtigung für Einzelne, setzte er die Schaffenskraft seiner oft langen Arbeitstage.

Dazu gehört für ihn auf internationaler Ebene explizit die Anerkennung der sexuellen Identität als Verfolgungsgrund im Asylrecht, ebenso wie die Begleitung binationaler gleichgeschlechtlicher Partnerschaften.

Schon weit vor 2015 hat Manfred zahllosen Asylsuchenden LSBTI*-Menschen zu ihrem Recht verholfen und für viele gleichgeschlechtliche, binationale Paare vor deutschen Gerichten deren Recht erstritten. In den letzten Jahren hat sich dieser persönliche Einsatz noch deutlich vermehrt, in Folge des Anstiegs der Zahlen an Geflüchteten und Asylsuchenden.

Den Antrieb für seinen oft bis zur Erschöpfung gehenden Einsatz beschrieb er anlässlich seiner Dankesrede für die Kompassnadel 2017:“Das Schönste für mich ist aber, dass ich über viele Jahre hinweg zahllosen Ratsuchenden mit meinem Rat habe helfen können. Sie waren oft ganz verzweifelt, weil ihnen niemand eine klare und verbindliche Antwort hatte geben können.“

Diese ganz persönliche und direkte Art der Hilfe hat aus Manfred Bruns, dem anerkannten und außergewöhnlichen Juristen, Bürger und Menschenrechtler, den persönlichen Glücksbringer für viele gleichgeschlechtlich liebenden Menschen oder in der Vollendung ihrer sexuellen Identität verzweifelten Transgendern gemacht.

Das Ziel, rechtliche Gleichstellung für Lesben, Schwule und Transgender zu erstreiten, war für ihn eben keine Frage, die es nur innerhalb der deutschen Grenzen zu lösen galt. Gründungs-Auftrag und Ziel der Hirschfeld-Eddy-Stiftung ist deshalb die Stärkung und Unterstützung von LSBTI-Menschenrechtsverteidigern weltweit, aber auch in der Aufklärung und Sensibilisierung für diese Aufgabe in Deutschland.

Für Manfred war der weltweite Einsatz für eine Entkriminalisierung der Homosexualität und Ächtung der Homophobie und Transfeindlichkeit eine dauerhafte Verpflichtung der internationalen Politik Deutschlands.

Die Entwicklung der Hirschfeld-Eddy-Stiftung in Laufe der letzten 12 Jahre, ihre Arbeit und Hilfe, die sie leisten konnte haben Manfred immer gefreut. Dass er ein neues Kapitel, das eine Stärkung der Arbeitsfähigkeit der Stiftung durch die erstmalige Projektförderung aus dem Haushalt des BMJV im kommenden Jahr, nicht mehr miterleben kann, ist traurig.

Die Ziele der Stiftung sind auch ein Auftrag und Vermächtnis an uns.  Daran wird uns immer auch der 3. Band der Schriftenreihe der Stiftung, die als juristische Festschrift für Manfred Bruns unter dem Titel „Vom Verbot zur Gleichberechtigung“ erschien erinnern. Wir konnten sie ihm anlässlich der Verleihung des 1. Antidiskriminierungspreise des Bundes durch die ADS und dem fünfjährigen Jubiläum der Stiftung 2012 überreichen.

Was in Deutschland für Homosexuelle gelang, vom Verbot zur Gleichberechtigung, muss weltweit das Ziel bleiben. Übrigens war die Erstellung der Festschrift eine der wenigen Vorgänge, von denen der ansonsten immer bestens informierte Manfred nichts wusste. Was neben der ehrlichen Freude über seine juristische Festschrift auch die Frage mit sich brachte: „Wie habt ihr denn das geschafft, ohne dass ich etwas mitbekommen habe“.

Als ich in Vorbereitung auf heute auch noch einmal die Bilder des damaligen Festabends angeschaut habe, zeigen diese einen sich sichtlich wohl fühlenden Preisträger im Kreis auch vieler jungen Menschen.

Genau dieses weit von einem altersbedingten Abstand zur jüngeren Generationen geprägte Verhalten von Manfred, sein stets aufgeschlossenes Interesse und Neugier bei neuen und jungen Kollegen und Kolleginnen, die Tatsache dass er als Webmaster jahrelang für die Homepages des Verbandes und der Stiftung tätig war, und somit bei digitalen Fragen oft besser informiert war als die vermeintlich Jüngeren, hat ihn stets und vollkommen, trotz seines Alters, in unserem Kreis vollkommen integriert.

Und wenn er dann nebenbei erzählt hat, dass er zur Vermeidung häuslicher Pflichten, zu denen ihn sein Partner Axel heranziehen wollte, einen Saug-Roboter angeschafft hat, war genau das auch ein Beweis für eine Aussage, mit der er 2017 bei der Verleihung der Kompassnadel alle Anwesenden bezaubert hat:

„Ich meine deshalb, dass meine homosexuelle Orientierung, die mich zunächst jahrelang sehr bedrückt hat, letztlich ein großes Glück für mich war, sonst wäre ich nämlich ein stinklangweiliger, engstirniger konservativer Hetero geblieben.“

So aber hat Manfred Bruns seinen Platz als Vater des modernen Gleichstellungsrechtes in Deutschland in den Geschichtsbüchern, und sein Platz als Held unserer Community ist ihm auf Dauer sicher.

Bei uns, lieber Manfred, den Mitarbeitenden und ehrenamtlichen Vorständen im LSVD und Hirschfeld-Eddy-Stiftung, die wir die Ehre und Freude hatten, Jahre und jahrzehntelang gemeinsam mit Dir kämpfen zu dürfen, hast Du einen Platz in unseren Herzen. Wir vermissen Dich.

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