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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD⁺)

Frei und sicher leben

Homophobe und transfeindliche Hasskriminalität entschieden bekämpfen

Trotz vieler rechtlicher und gesellschaftlicher Fortschritte kann es sehr gefährlich sein, im öffentlichen Raum als LSBTI erkannt oder dafür gehalten zu werden. Allein der Anblick einer trans* Person oder eines gleichgeschlechtlichen Paares kann Gewalttäter*innen motivieren, brutal zuzuschlagen.

Mensch mit verschmierten Regenbogen im Gesicht

Tagtäglich werden in Deutschland Menschen angepöbelt, bedroht und angegriffen, weil die Täter*innen ihren Hass auf LSBTI in Gewalt ausleben. Trotz vieler rechtlicher und gesellschaftlicher Fortschritte kann es sehr gefährlich sein, im öffentlichen Raum als LSBTI erkannt oder dafür gehalten zu werden. Allein der Anblick einer trans* Person oder eines gleichgeschlechtlichen Paares kann Gewalttäter*innen motivieren, brutal zuzuschlagen.

Bundesregierung bislang Totalausfall

Laut dem neuen LSBTI-Survey der EU-Grundrechteagentur vermeidet es fast jede*r zweite der Befragten aus Deutschland oft oder immer, in der Öffentlichkeit Händchen zu halten. Besonders groß wird die Bedrohung durch Anfeindungen auf der Straße und im Öffentlichen Nahverkehr erlebt. Wenn vor jedem verliebten Blick, vor einem Kuss im öffentlichen Raum zuerst die Umgebung gecheckt werden muss, ob jemand Wildfremdes einem womöglich anspucken oder ins Gesicht schlagen könnte, ist das eine erhebliche Einschränkung der Freiheit einer großen Bevölkerungsgruppe.

Aber wo bleibt der Aufschrei? Noch nie hat ein Bundesinnenminister eine LSBTI-feindliche Gewalttat explizit öffentlich verurteilt. Noch nie war LBSTI-feindliche Hasskriminalität ein Thema auf einer Innenministerkonferenz. Auch das im Juni 2020 beschlossene „Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“ schreibt diesen Ausschluss fort. Aber wenn homophobe und transfeindliche Hasskriminalität nicht ausdrücklich im Gesetz benannt ist, werden diese Motive in der Praxis der polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen kaum Beachtung finden.

LSVD-Verbandstag fordert: Gewalt gegen LSBTI auf die Agenda setzen

Mit einer auf dem Verbandstag verabschiedeten Resolution fordern wir eine Haltungsänderung ein. Das Thema Gewalt gegen LSBTI gehört auf die innenpolitische Agenda und muss einen angemessenen Stellenwert in der Kriminalpolitik, bei Erfassung, Prävention und Strafverfolgung erhalten.

Die Bundesregierung muss als ersten Schritt unverzüglich eine Expert*innen-Kommission einsetzen. Diese soll eine Bestandsaufnahme aller Erscheinungsformen von LSBTI-Feindlichkeit und damit verbundener Hasskriminalität erarbeiten sowie Empfehlungen für einen Nationalen Aktionsplan entwickeln, der seinen Namen auch verdient. Bestandteil dieses Aktionsplans muss ein Bund-Länder-Programm gegen LSBTI-feindliche Gewalt sein, das neben kriminologischer Forschung auch die Entwicklung zielgenauer Konzepte zu Prävention, zur Aus- und Fortbildung von Polizei und Justiz sowie zur Unterstützung von Opferhilfe-Einrichtungen beinhaltet. Länder und Kommunen müssen die Arbeit von LSBTI-Anti-Gewalt-Projekten angemessen fördern.

Notwendige Sofortmaßnahmen im staatlichen Handeln und in der Gesetzgebung

Als Sofortmaßnahmen im staatlichen Handeln fordert der LSVD, eine Reform der polizeilichen Erfassungsmethoden, wirksame Gewaltschutzkonzepte für Geflüchtetenunterkünfte und die sichtbare Inklusion von LSBTI in alle bestehende Programme gegen Mobbing und Gewalt sowie bei der Umsetzung des „Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ (Istanbul-Konvention). Auch in der Gesetzgebung sind sofortige Schritte möglich und nötig. Es braucht bundesgesetzliche Grundlagen gegen Hasskriminalität, die Homophobie und Transfeindlichkeit nicht länger aussparen.

Gerade in einer Zeit, in der Hass und Hetze wieder deutlich lautstärker geworden sind, braucht es auch eine klare verfassungsrechtliche Absicherung, dass staatliche Ausgrenzung, Unterdrückung und Verfolgung in Deutschland nie wiederkehren können. Deshalb muss Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes endlich um ein ausdrückliches Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Identität ergänzt werden, auch als Handlungsauftrag gegen LSBTI-Feindlichkeit.

Günter Dworek
LSVD-Bundesvorstand

Der Beitrag erschien auch in der neuen Ausgabe der LSVD-Zeitschrift respekt! vom Februar 2021.

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