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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Bericht zu digitalen 32. LSVD-Verbandstag

Expert*innenkommission für LSBTI-feindliche Hasskriminalität und Solidarität mit polnischen LSBTI gefordert

Aus allen Ecken Deutschlands schalteten sich unsere Mitglieder am 10. Oktober zu, um unter dem Motto „Frei und sicher leben“ mit einer kleineren Agenda digital zu diskutieren, Beschlüsse zu fassen und den neuen Bundesvorstand zu wählen.

Mensch am Tisch mit Laptop

Es wäre so schön gewesen. Ursprünglich wollten wir uns alle im April auf einem großen Empfang beim Bundespräsidenten anlässlich des 30. Verbandsjubiläum begrüßen und anschließend zwei Tage lang persönlich über die politischen Entwicklungen und die Vielzahl an Verbandsaktivitäten austauschen. Doch Corona machte uns einen Strich durch die Rechnung.

Und so schalteten sich unsere Mitglieder stattdessen am 10. Oktober aus allen Ecken Deutschlands zu, um unter dem Motto „Frei und sicher leben“ mit einer kleineren Agenda digital zu diskutieren, Beschlüsse zu fassen und den neuen Bundesvorstand zu wählen.

Forderung: Hasskriminalität ernst nehmen und bekämpfen

Schwerpunkt war dieses Jahr der Kampf gegen homophobe und transfeindliche Hasskriminalität. Laut Bundesregierung gab es 2019 mindestens 576 Fälle von Hasskriminalität gegen LSBTI, darunter 151 Gewalttaten. Dies ist nur die Spitze des Eisbergs. Viele Fälle werden aus unterschiedlichsten Gründen von den Betroffenen nicht angezeigt oder der Statistik für Politisch motivierte Kriminalität aufgrund von Unkenntnis oder fehlender Sensibilität in der Polizei nicht zugeordnet. Die Dunkelziffer wird von offizieller Seite mit bis zu 90% angegeben. Trotzdem ist diese Gewalt auf keiner innen- und kriminalpolitischen Agenda.

Nach einer Videobotschaft des Präsidenten des Bundeskriminalamtes Holger Münch diskutierten der Berliner Kriminaldirektor Wolfram Pemp, Şefik_a Gümüş (Landeskoordination Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben, Schwule und Trans* in NRW), LSVD-Bundesvorstand Günter Dworek und Roman Heggli (Pink Cross, Schweiz), wie dem Kampf gegen LSBTI-feindliche Gewalt effektiv begegnet und das Anzeigeverhalten sowie die Erfassung bei diesen
Taten verbessert werden können.

In einem anschließenden Beschluss fordert der LSVD neben Sofortmaßnahmen im staatlichen Handeln und der Gesetzgebung die Einsetzung einer Expert*innenKommission durch die Bundesregierung. Diese soll eine systematische Bestandsaufnahme aller Erscheinungsformen von LSBTI-Feindlichkeit und damit verbundener Hasskriminalität erarbeiten sowie Empfehlungen für einen Nationalen Aktionsplan entwickeln. Bestandteil dieses Aktionsplans muss ein Bund-Länder-Programm gegen LSBTI-feindliche Gewalt sein.

30 Jahre Deutsch-Polnischen Vertrag für LSBTI-Solidarität nutzen

Mehr Solidarität mit polnischen LSBTI fordert der LSVD in einer weiteren Resolution. In Polen findet ein Kulturkampf mit immer bedrohlicheren Auswirkungen auf LSBTI statt. Die Regierungspartei PiS, Bischöfe der katholischen Kirche und Initiativen christlich-fundamentalistischer Gruppen dämonisieren LSBTI als Gefahr für Kinder, Familien und die polnische Identität.

Aber die deutsche Bundespolitik hält sich mit Kritik weitgehend zurück. Das anstehende 30-jährige Jubiläum des Deutsch-Polnischen Nachbarschaftsvertrags muss jedoch genutzt werden, diesem menschenverachtenden Treiben ein Ende zu setzen und die Zusammenarbeit
und Unterstützung mit allen menschenrechtsorientierten Kräften zu intensivieren. Das gilt ebenfalls für die länderübergreifende Kulturarbeit, die über 300 bestehenden Städte- und Gemeindepartnerschaften sowie den binationalen zivilgesellschaftlichen Austausch.

Wahlen zum Bundesvorstand

Bei der Abstimmung für den Bundesvorstand wurden Günter Dworek, Henny Engels, Christian Rudolph und Stefanie Pawlak wiedergewählt, neugewählt wurden Patrick Dörr und Andre Lehmann. Weiterhin gehören dem nun zehnköpfigen, ehrenamtlichen Gremium die
2019 für eine zweijährige Amtszeit gewählten Axel Hochrein, Gabriela Lünsmann, Helmut Metzner und Alfonso Pantisano an.

Obgleich der Verbandstag wichtige politische Themen setzen konnte und auch technisch reibungslos ablief, so kann er als digitales Format das persönliche Diskutieren und gegenseitige Bestärken, die freundschaftlichen Gespräche am Rande und das Netzwerken in den Pausen nicht ersetzen. Hoffen wir, dass das 2021 wieder möglich sein wird.

Markus Ulrich
LSVD-Pressesprecher

Der Beitrag erschien auch in der neuen Ausgabe der LSVD-Zeitschrift respekt! vom Februar 2021.