Polen: Steigenden Hass stoppen, LSBTI verteidigen. Politik und Zivilgesellschaft müssen Solidarität mit polnischen LSBTI zeigen
Beschluss des 32. LSVD-Verbandstags am 10. Oktober 2020
In Polen findet ein Kulturkampf mit immer bedrohlicheren Auswirkungen auf Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) statt. Politiker*innen der Regierungspartei PiS, Bischöfe der katholischen Kirche und Initiativen christlich-fundamentalistischer Gruppen dämonisieren LSBTI als Gefahr für Kinder, Familien und die polnische Identität. Mit ihren Angriffen befeuern sie alltäglichen Hass und Gewaltattacken, die Lebenssituation für LSBTI in Polen ist gefährlich. So etwas darf mitten in Europa nicht folgenlos bleiben.
Gefährlicher Allianz aus Regierungspartei, katholischer Kirche und fundamentalistischen Gruppen Einhalt gebieten
Gemeinden rühmen sich als „LSBTI-freie Zonen“ oder verabschieden eine sogenannte „Kommunale Charta der Familienrechte“. Der vorgebliche Schutz von Familie, Ehe und Kindern zeigt unverhohlen, wer erwünscht ist und wer nicht, wer schützenswert ist und wer nicht. Diese Beschlüsse verstoßen gegen die EU-Grundrechtecharta und sind eine Einladung zu Hass und Gewaltexzessen.
Ultrakatholische Initiativen sammeln Unterschriften gegen das Demonstrations- und Versammlungsrecht von LSBTI und können dabei mit der Unterstützung von Bischöfen rechnen. Viele hetzen regelmäßig mit, warnen in hasserfüllten Predigten vor der „Regenbogenpest“ und bezeichnen Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit als gefährliche „erfundene ideologische Ideen“.
Im polnischen Parlament werden sexuelle und reproduktive Rechte massiv angegriffen. Sexualkundeunterricht an Schulen soll verboten und die Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt wieder aufgekündigt werden. Der polnische Außenminister diffamiert die Akzeptanz von LSBTI als „Zivilisation des Todes“, und der wiedergewählte polnische Präsident sieht in LSBTI keine Menschen, sondern lediglich eine Ideologie gefährlicher als der Kommunismus.
Deutschland darf nicht schweigen, sondern muss LSBTI und ihre Rechte verteidigen
Dieser ansteigende Hass muss umgehend gestoppt werden. Wir fordern die deutsche Politik zu konsequentem Handeln und die Zivilgesellschaft zu Solidarität mit der polnischen Community auf. Die Zeit mahnender Worte ist vorbei, es braucht konkrete Maßnahmen, um diesem menschenverachtenden Treiben ein Ende zu setzen. Die Zusammenarbeit und Unterstützung mit allen progressiven, liberalen und menschenrechtsorientierten Kräften muss intensiviert werden.
Viele deutsche Spitzenpolitiker*innen halten sich bislang mit ihrer Kritik weitgehend zurück. Dieses Schweigen muss beendet werden. Deutschland muss sich, gerade in der Zeit der Ratspräsidentschaft, innerhalb der EU dafür einsetzen, dass die anhaltende Hetze und konstanten Angriffe nicht folgenlos bleiben. Die Bewilligung von Geldern muss an die Einhaltung der EU-Grundrechtecharta und explizit auch an den Schutz von LSBTI geknüpft werden. EU-Förderprogramme sollten um die Bekämpfung von LSBTI-Feindlichkeit als Regelthema ergänzt werden. Im EU-Ministerrat muss Deutschland seinen unverantwortlichen Widerstand gegen die horizontale Antidiskriminierungsrichtlinie endlich aufgeben und einen EU-weiten Schutz unterstützen. Wir begrüßen und unterstützen ausdrücklich die Initiative des Europastaatsministers Michael Roth zur Einführung des Rechtsstaatschecks innerhalb der EU.
30jähriges Jubiläum des Deutsch-Polnischen Vertrags nutzen
2021 wird das 30jährige Jubiläum des Deutsch-Polnischen Vertrags über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit begangen. Artikel 2 verurteilt klar Diskriminierung und Hass. Die Verteidigung von Respekt und Akzeptanz muss Eingang in die Feierlichkeiten zum Jubiläum finden.
Das gilt ebenfalls für die länderübergreifende Kulturarbeit, die über 300 bestehenden Städte- und Gemeindepartnerschaften sowie den binationalen zivilgesellschaftlichen Austausch. Vom Jugendverband bis zur freiwilligen Feuerwehr bestehen auch Kontakte nach Polen und damit die Möglichkeit, aktiv zu werden. Diese Kontakte müssen genutzt werden, um sich für Akzeptanz einzusetzen, gegen Hetze Einspruch zu erheben und LSBTI zu stärken. Insbesondere die Deutsche Bischofskonferenz sollte sich bei ihren polnischen Amtskollegen für eine Beendigung der Hetze gegen LSBTI einsetzen. Antidemokratische Initiativen dürfen keine Unterstützung in der katholischen Kirche finden.
Wir alle sind aufgefordert, ein offenes und demokratisches Polen zu unterstützen und alldiejenigen, die sich für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Vielfalt in Polen einsetzen, nicht allein zu lassen. Denn unser Nachbarland steht an einem Scheideweg.
Resolution: "Polen: Steigenden Hass stoppen, LSBTI verteidigen" als pdf
(beschlossen auf dem 32. LSVD-Verbandstag, 10. Oktober 2020)