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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD⁺)

Elterngeld, Elternzeit und Kinderkrankengeld für gleichgeschlechtliche Paare und Regenbogenfamilien

Ansprüche bestehen schon vor der Stiefkindadoption!

Partner*innen haben ab Geburt Anspruch auf Elterngeld, Elternzeit und Kinderkrankengeld, wenn sie mit dem Kind in einem Haushalt leben und das Kind selbst betreuen und erziehen. Auch Sonderurlaub für Beamt*innen ist möglich.

Hände von Baby und erwachsener Person

Viele Regenbogenfamilien leben in Familienkonstellationen, die nicht dem gesetzlich vorgesehenen Schema "Mutter und Vater ab Geburt" entsprechen. Kinder von lesbischen und schwulen Eltern bzw. gleichgeschlechtlichen Paaren haben bis zum Abschluss der Stiefkindadoption in der Regel nur einen rechtlichen Elternteil. Manche homosexuellen und bisexuellen Paare entscheiden sich für eine Mehrelternkonstellation, in denen es neben zwei rechtlichen Elternteilen auch soziale Elternteile gibt. Auch in Familien mit einem trans- oder intergeschlechtlichen Elternteil ist teilweise erst eine Stiefkindadoption erforderlich, bevor das Kind einen zweiten rechtlichen Elternteil hat.

Wer in Regenbogenfamilien Anspruch auf Elterngeld, Elternzeit und Kinderkrankengeld hat, ist für jeden Beteiligten individuell zu bestimmen. Die Ansprüche hängen unter anderem davon ob, ob jemand rechtlicher Elternteil ist, mit dem rechtlichen Elternteil verheiratet, verpartnert oder unverheiratet zusammenlebt, ob eine Stiefkindadoption geplant ist und ob man mit dem Kind in einem Haushalt lebt und es selbst betreut und erzieht. Teilweise sind noch weitere Voraussetzungen zu erfüllen. Dieser Beitrag möchte Licht ins Dunkel bringen.

Inhalt

  1. Elterngeld und Elternzeit für gleichgeschlechtliche Paare und Regenbogenfamilien

2. Kinderkrankengeld für gleichgeschlechtliche Paare und Regenbogenfamilien

3. Sonderurlaub zur Betreuung des gemeinsamen Kindes (öffentlicher Dienst Berlin)

4. Weiterlesen

1. Elterngeld und Elternzeit für gleichgeschlechtliche Paare und Regenbogenfamilien

Elterngeld und Elternzeit sind im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) geregelt. Grundlegende Informationen zum Elterngeld gibt es beim Familienportal des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Dort gibt es auch einen Elterngeldrechner. Das Familienportal enthält ebenfalls Informationen zur Elternzeit.

Wer berechtigt ist, Elterngeld zu beantragen, ist in § 1 BEEG geregelt. Wer berechtigt ist, Elternzeit zu beantragen, ist in § 15 BEEG geregelt. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch besteht, hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Grundsätzlich gilt immer: Anspruchsberechtigte müssen

  • im gleichen Haushalt wie das Kind leben und
  • dieses selbst betreuen und erziehen.

Für Elterngeld müssen Anspruchsberechtigte zusätzlich

  • ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben und
  • keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausüben.

Sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, können Anspruchsberechtigte sein:

  1. Rechtliche Elternteile,
  2. Ehegatt*innen des rechtlichen Elternteils,
  3. eingetragene Lebenspartner*innen des rechtlichen Elternteils und
  4. unverheiratete Partner*innen des rechtlichen Elternteils, wenn eine Stiefkindadoption angestrebt wird.

Nachfolgend werden die Voraussetzungen im Einzelnen erläutert.

a. Rechtliche Elternteile

Rechtliche Elternteile haben Anspruch auf Elterngeld, wenn sie

  • einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben,
  • im gleichen Haushalt wie das Kind leben,
  • dieses selbst betreuen und erziehen und
  • keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausüben.

Das ergibt sich aus § 1 Abs. 1 BEEG.

Rechtliche Elternteile haben Anspruch auf Elternzeit, wenn sie

  • mit ihrem Kind in einem Haushalt leben und
  • dieses Kind selbst bestreuen und erziehen.

Das ergibt sich aus § 15 Abs. 1 BEEG. Nicht sorgeberechtigte Elternteile bedürfen für die Beantragung von Elternzeit der Zustimmung des sorgeberechtigten Elternteils (§ 15 Abs. 1 S. 2 BEEG).

b. Ehegatt*innen

Der Ehegatte oder die Ehegattin des rechtlichen Elternteils, der oder die selbst kein rechtlicher Elternteil des Kindes ist, hat einen Anspruch auf Elterngeld, wenn er oder sie

  • einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
  • das Kind in seinen oder ihren Haushalt aufgenommen hat,
  • das Kind selbst betreut und erzieht und
  • keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.

Das ergibt sich aus § 1 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 BEEG. 

Ein Anspruch auf Elternzeit besteht, wenn der Ehegatte oder die Ehegattin

  • das Kind in seinen oder ihren Haushalt aufgenommen hat und
  • das Kind selbst betreut und erzieht.

Das ergibt sich aus § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b) in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Nr. 2 BEEG. Für die Beantragung bedarf es der Zustimmung des sorgeberechtigten Elternteils (§ 15 Abs. 1 S. 2 BEEG).

Die Ansprüche bestehen trotz der binären Gesetzesformulierung (Ehegatte oder Ehegattin) unabhängig von der Geschlechtsidentität der Eheleute, also auch für Ehegatt*innen ohne Geschlechtseintrag oder mit diversem Geschlechtseintrag.

Die Ansprüche bestehen unabhängig davon, ob eine Stiefkindadoption angestrebt wird oder nicht. Wenn also zum Beispiel ein verheiratetes Frauenpaar zusammen ihren Kinderwunsch realisiert und das Kind von der Ehegattin der leiblichen Mutter in einem gemeinsamen Haushalt betreut und erzogen wird, hat die Ehegattin ab Geburt Ansprüche auf Elterngeld und Elternzeit, wenn sie die weiteren Voraussetzungen erfüllt.

c. Eingetragene*r Lebenspartner*innen

Es gilt das gleiche wie bei Eheleuten.

d. Unverheiratete*r Partner*innen

Sofern der Partner oder die Partnerin nicht mit dem rechtlichen Elternteil verheiratet oder verpartnert ist, besteht ein Anspruch auf Elterngeld und Elternzeit nur, wenn eine (Stiefkind-) Adoption angestrebt wird.

Der unverheiratete Partner bzw. die unverheiratete Partnerin hat Anspruch auf Elterngeld, wenn er oder sie

  • einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
  • mit einem Kind in einem Haushalt lebt, das er oder sie mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen hat,
  • das Kind selbst betreut und erzieht und
  • keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.

Das ergibt sich aus § 1 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 BEEG.

Der unverheiratete Partner bzw. die unverheiratete Partnerin hat Anspruch auf Elternzeit, wenn er oder sie

  • mit einem Kind in einem Haushalt lebt, das er oder sie mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen hat und
  • das Kind selbst betreut und erzieht.

Das ergibt sich aus § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b) in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Nr. 1 BEEG. Für die Beantragung bedarf es der Zustimmung des sorgeberechtigten Elternteils (§ 15 Abs. 1 S. 2 BEEG).

Die Ansprüche bestehen trotz der binären Gesetzesformulierung (Ehegatte oder Ehegattin) unabhängig von der Geschlechtsidentität der Partner*innen, also auch für Partner*innen ohne Geschlechtseintrag oder mit diversem Geschlechtseintrag.

Unverheiratete Partner*innen können seit dem 31.03.2021 das Kind ihres*r Partner*in als Stiefkind adoptieren (§ 1766a BGB). Sofern die Voraussetzungen für eine Stiefkindadoption ohne Heirat vorliegen (insbesondere das vierjährige eheähnliche Zusammenleben, vgl. § 1766a Abs. 2 BGB), können daher nach unserer Rechtsauffassung auch unverheiratete Partner*innen Elterngeld und Elternzeit beantragen, wenn sie mit dem Kind in einem Haushalt leben und eine Stiefkindadoption anstreben. Dafür wird vermutlich erforderlich sein, dass bereits der Adoptionsantrag gestellt wurde - mit diesem kann die geplante Adoption nachgewiesen werden.

Da das nichteheliche Adoptionsrecht noch recht neu ist, kann es sein, dass die Elterngeldstellen noch keine Erfahrung damit haben und den Antrag ablehnen. Dann sollte auf die neue Rechtslage des § 1766a BGB, auf die angestrebte Stiefkindadoption und auf § 1 Abs. 3 Nr. 1 BEEG hingewiesen werden.

e. Samenspender / samenspendende Person

Ein Samenspender, der keine rechtliche Elternschaft anstrebt und mit der Geburtsmutter nicht verheiratet oder verpartnert ist, kann weder Elterngeld noch Elternzeit beantragen, selbst, wenn er mit dem Kind in einem Haushalt lebt und das Kind selbst betreut und erzieht. Das gilt für alle samenspendenden Personen, unabhängig von ihrem Geschlechtseintrag.

2. Kinderkrankengeld für gleichgeschlechtliche Paare und Regenbogenfamilien

Ein Anspruch auf Kinderkrankengeld besteht auch für Stiefkinder und für Kinder, die als Stiefkind adoptiert werden sollen. 

Gesetzlich versicherte Arbeitnehmer*innen haben gem. § 45 Abs. 1 SGB V Anspruch auf Kinderkrankengeld,

  • wenn es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, dass sie zur Beaufsichtigung, Betrauung oder Pflege ihres erkrankten und versicherten Kindes der Arbeit fernbleiben,
  • eine andere in ihrem Haushalt lebende Person das Kind nicht beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann und
  • das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist.

Bei dem erkrankten Kind muss es sich nicht um das eigene Kind handeln. Gemäß § 10 Abs. 4 SGB V besteht auch ein Anspruch auf Kinderkrankengeld, wenn ein Stiefkind, Enkelkind, Pflegekind oder ein Kind, das mit dem Ziel der Adoption in den Haushalt aufgenommen wurde, erkrankt.

Stiefkinder sind die Kinder des*der Ehegatt*in oder des*der eingetragenen Lebenspartner*in.

In Familien, in denen eine Stiefkindadoption angestrebt wird, besteht schon vor der Stiefkindadoptin ein Anspruch des oder der Partnerin des rechtlichen Elternteils. Es reicht, dass das Kind „mit dem Ziel der Adoption in den Haushalt aufgenommen“ wurde.

3. Sonderurlaub zur Betreuung des gemeinsamen Kindes (öffentlicher Dienst Berlin)

Das VG Berlin hat im September 2021 entschieden, dass Berliner Beamt*innen Anspruch auf Sonderurlaub zur Betreuung von Stief- und Pflegekindern haben (VG Berlin, Urt. v. 09.09.2021, VG 36 K 68/19). Das heißt, der Anspruch besteht auch ohne Stiefkindadoption. Voraussetzung ist, dass eine tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft besteht.

Geklagt hatte eine Berliner Beamtin, deren eingetragene Lebenspartnerin mithilfe einer künstlichen Befruchtung und einer Samenspende ihren gemeinsamen Sohn geboren hatte. Die Lebenspartnerin erkrankte in der Folge so schwer, dass die Klägerin die Betreuung des in ihrem Haushalt lebenden Sohns übernehmen musste. 

Das Gericht entschied, dass die Klägerin Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub nach der Berliner Sonderurlaubsverordnung habe, obwohl sie keine rechtliche Elternschaftstellung innehatte. Das Grundgesetz schütze die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft von Eltern und Kindern als Familie und setze nicht den Bestand rechtlicher Verwandtschaft voraus. Eine Ungleichbehandlung zwischen der Betreuung leiblicher bzw. angenommener Kinder und der Betreuung von Stief- und Pflegekindern verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot (Art. § Abs. 1 GG) und gegen den Schutz der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG).

Das Urteil gilt nur für Berliner Landesbeamte. Da das VG Berlin seine Argumentation auf das Grundgesetz gestützt hat, steht zu hoffen, dass die Behörden und Verwaltungsgerichte der anderen Bundesländer ähnlich entscheiden.

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