Menu
Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Darstellung von LSBTI im Fernsehen und den Medien

Ergebnisse von Studien zu Diversität und Repräsentation

Mediale Repräsentationen von LSBTI haben maßgeblichen Einfluss auf gesellschaftliche Einstellungen zu LSBTI und auch auf die Selbstbilder. Gleichzeitig kommt diese Gruppe jedoch kaum bis gar nicht in der Berichterstattung oder den fiktionalen Programmen vor - das belegen die hier aufgeführten Studienergebnisse.

Fernbedienung

Repräsentationen sind politisch. Es geht nicht ausschließlich um Sichtbarkeit per se, sondern immer mehr auch um die Art und Weise der Sichtbarkeit: Wer wird wann wie wo repräsentiert – oder eben gerade nicht? Bei der Vermittlung von Anliegen und Alltag der Community haben Medienschaffende und Journalist*innen eine große Verantwortung.

Inhaltsverzeichnis

  1. Mediale Darstellung prägt Einstellungen zu und Selbstbilder von Lesben, Schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen
  2. Studienergebnisse: LSBTI sind in den Medien unterrepräsentiert
  3. 2021: Sichtbarkeit und Vielfalt: Fortschrittsstudie zur audiovisuellen Diversität – Ergebnisse zum Bereich TV
  4. 2020: Wie divers sind Netflix & Co, welche Geschlechterbilder gibts beim Streaming?
  5. 2017: Audiovisuelle Diversität? Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland.

1. Mediale Darstellung prägt Einstellungen zu und Selbstbilder von Lesben, Schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen

Die Mehrheit in Deutschland hat keinen persönlichen Kontakt zu (offen) lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans- und/oder intergeschlechtlichen Menschen. Ihr Wissen über LSBTI folglich ausschließlich aus anderen Quellen, d.h. viele kennen LSBTI nur aus Fernsehen oder der Berichterstattung. Mediale Repräsentationen von LSBTI haben damit einen maßgeblichen Einfluss auf gesellschaftliche Einstellungen zu LSBTI und auch auf die Selbstbilder.

Gleichzeitig kommt diese Gruppe jedoch kaum bis gar nicht in der Berichterstattung oder den fiktionalen Programmen vor - das belegen die hier aufgeführten Studienergebnisse. Trotz dieses Befundes würden es 45 % der Männer und 28 % der Frauen in Deutschland begrüßen, "wenn sexuelle Minderheiten etwas weniger Aufmerksamkeit für ihre sexuelle Orientierung in der Öffentlichkeit und in den Medien erführen".

Laut dem LGBT Survey von You Gov (2021) sind 61 % weder selbst queer noch haben sie queere Menschen in der Familie bzw. im engen Freund*innenkreis. (Zum Vergleich: 54 % der befragten Spanier*innen haben LSBTQ in der Familie bzw. im engen Freund*innenkreis.) Der LGBT+ Pride 2021 Global Survey von Ipsos kam 2021 zu dem Ergebnis, dass 60 % der Befragten keine persönliche Bekanntheit mit Lesben oder Schwulen haben, 80 % nicht mit bisexuellen Menschen und 89 % kennen keine trans* Personen persönlich.

2. Studienergebnisse: LSBTI sind in den Medien unterrepräsentiert

Inzwischen gibt es wenige Studien über die Häufigkeit der Darstellung von LSBTI insgesamt, die wir hier vorstellen. Dazu gehört „Sichtbarkeit und Vielfalt: Fortschrittsstudie zur Audiovisuellen Diversität" (2021), Wie divers sind Netflix & Co, welche Geschlechterbilder gibts beim Streaming? (2020) sowie Audiovisuelle Diversität? Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland (2017). Alle Studien wurden von der MaLisa-Stiftung initiiert und durch das Institut für Medienforschung an der Universität Rostock durchgeführt.

Allerdings sind uns keine großen Analysen bekannt über die Art und Weise der Darstellung von LSBTI in der deutschen Medienlandschaft oder Studien, die aus einer intersektionalen Perspektive auf die Unterschiedlichkeit innerhalb der queeren Communitiy fokussieren.

LSBTI sind in den Medien unterrepräsentiert. Zwar ist es unmöglich, eine genaue Anzahl zu benennen, denn die sexuelle Orientierung bzw. Geschlechtsidentität aller Menschen wird nicht erhoben und niemand kann die Angaben überprüfen, da sich nicht alle LSBTI outen. Befragungen kommen daher zu unterschiedlichen Ergebnissen zwischen 7 und 14 % und stellen eher eine Mindestanzahl dar. 

Eine europaweite Umfrage des Berliner Meinungsforschungsinstituts Dalia Research vom Oktober 2016 kam zu dem Ergebnis, dass sich 7,4 % der Befragten als LGBT identifizieren, 10,9 % der Befragten beschrieben sich als nicht ausschließlich heterosexuell, 6,8 % gaben an, sowohl heterosexuelle als auch homosexuelle Neigungen zu haben. Eine repräsentative Befragung von YouGov im Juni 2021 kam zu dem Ergebnis, dass sich 7 % der in Deutschland lebenden Menschen als lesbisch, schwul, bisexuell oder trans* identifizieren. Laut dem LGBT+ Pride 2021 Global Survey von Ipsos identifizieren 3 % als trans* und 11 % als nicht-heterosexuell. (siehe für alle aufgeführten Zahlen: Was denkt man in Deutschland über Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen? bzw. Was ist Homosexualität? Antworten zu Lesben und Schwulen). 

2021: Sichtbarkeit und Vielfalt: Fortschrittsstudie zur audiovisuellen Diversität – Ergebnisse zum Bereich TV

Die Nachfolgestudie "Sichtbarkeit und Vielfalt: Fortschrittsstudie zur audiovisuellen Diversität – Ergebnisse zum Bereich TV" wurde erneut von der MaLisa Stiftung initiiert und unter der Leitung von Prof. Dr. Elizabeth Prommer vom Institut für Medienforschung der Universität Rostock durchgeführt. Die Ergebnisse wurden im Oktober 2021 veröffentlicht.

Ausgewertet wurden mittels einer repräsentativen Stichprobe die Produktionen von 17 TV-Vollprogrammen- und vier Kinder-TV-Sendern für 2020. Insgesamt wurden rund 25.000 Protagonist*innen und Hauptakteur*innen aus 3.000 TV-Sendungen sowie rund 8.000 aus 3.800 Kinder-TV-Produktionen analysiert. Die Ergebnisse beziehen sich bei den TV-Vollprogrammen auf deutsche Produktionen sowie solche mit deutscher Beteiligung aus der fiktionalen und non-fiktionalen Unterhaltung und Information. Für den Bereich Kinderfernsehen wurden Produktionen aus allen Ländern einbezogen. 

1. Lesbische, schwule und bisexuelle Menschen sind auch 2020 im deutschen Fernsehen unterrepräsentiert

Lesbische, schwule und bisexuelle Menschen sind auch 2020 im deutschen Fernsehen unterrepräsentiert

  • In den fiktionalen TV-Produktionen sind nur rund 2 Prozent der Protagonist*innen als homosexuell oder bisexuell lesbar (nur 24 von 1.329 Figuren). In der Studie von 2016 waren insgesamt 9 fiktionale Figuren als LSB zu erkennen.
  • von den 24 Figuren waren 15 weiblich und 9 männlich.
  • Rund 70 Prozent waren als heterosexuell erkennbar, bei rund 27 Prozent der Protagonist*innen war die sexuelle Orientierung nicht erkennbar. Zum Vergleich: Laut einer repräsentativen Studie von IPSOS von 2021 ordnen sich rund 11 Prozent der Deutschen als nicht heterosexuell ein.

2. Geschlechterverhältnis ist weiterhin unausgewogen. Das liegt vor allem an den nicht-fiktionalen Formaten.

Verschränkung der Kategorie Geschlecht mit anderen Diversitätsmerkmalen

  • Das Geschlechterverhältnis ist weiterhin unausgewogen. Auf eine Frau kommen über alle TV-Programme hinweg nach wie vor rund zwei Männer. Der Grund liegt vor allem in einer deutlichen Überrepräsentation von Männern als Moderatoren und Experten im non-fiktionalen Bereich. In den fiktionalen TV-Produktionen von 2020 ist das Geschlechterverhältnis nahezu ausgewogen.
  • Das Kinderfernsehen ist insgesamt immer noch unausgewogen. In Produktionen des Jahres 2020 werden aber mehr weibliche Protagonist*innen und Figuren sichtbar.

3. Fernsehen bildet nicht die Bevölkerung ab: Auch Migrationshintergrund und Zuschreibungen der ethnischen Herkunft sowie Behinderung sind ebenfalls unterrepräsentiert

  • Während 26 Prozent der Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund haben, kann er in den TV-Programmen nur 11 Prozent der Protagonist*innen und Hauptakteur*innen zugeschrieben werden. Schwarze Menschen und People of Colour sind ebenfalls unterrepräsentiert: Während sie schätzungsweise rund 10 Prozent der Bevölkerung stellen, können nur rund 5 Prozent der Protagonist*innen oder Hauptakteur*innen als Schwarz oder People of Color gelesen werden.
  • Der Anteil an Protagonist*innen, die als Menschen mit Migrationshintergrund, Schwarze oder Persons of Colour lesbar waren, ist in fiktionalen TV-Geschichten am höchsten.
  • In der Bevölkerung haben schätzungsweise rund 6 Prozent eine sichtbar schwere Behinderung. In den untersuchten Programmen traf dies jedoch nur auf 0,4 Prozent der Protagonist*innen und Hauptakteur*innen zu.

Weitere Ergebnisse: pdf-Präsentation der Ergebnisse von der Pressekonferenz am 05.10.2021

2020: Wie divers sind Netflix & Co, welche Geschlechterbilder gibts beim Streaming?

2020 gab es eine Auswertung der Geschlechterdarstellungen und Diversität in Streaming- und Video-On-Demand-Angeboten initiiert von der MaLisa-Stiftung. Gegenstand der Untersuchung waren knapp 200 Serien von Streaming-Anbietern wie Netflix, Amazon Prime, Sky und TNT Deutschland, die zwischen Januar 2012 und Juli 2019 auf den Plattformen veröffentlicht wurden. Dabei handelte es sich sowohl um deutsche als auch um Produktionen aus anderen Ländern. Die Studie wurde gefördert durch die Film- und Medienstiftung NRW, die MaLisa Stiftung und das ZDF

1. Die untersuchten Streaming-Angebote zeigen auch vielfältige sexuelle Lebensentwürfe.

wie_oft_gibt_es_queere_rollen_oder_lesbische,_schwule,_bisexuelle_figuren.jpg

  • Unter den Figuren, bei denen eine sexuelle Orientierung erkennbar ist, sind 9 % LSBQ (Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Queer).
  • Allerdings ist zu vermuten, dass Personen, deren sexuelle Orientierung nicht erkennbar ist, vom Publikum aufgrund heteronormativer Vorannahmen eher als heterosexuell gelten und nicht als LSBQ gelesen werden.
  • Die für das gesamte Angebot konstatierte Unterrepräsentation von Frauen fand sich auch bei den LSBQ-Figuren: Lesben wurden dabei weniger oft gezeigt als Schwule.
  • Nicht-binäre und Figuren mit anderen Geschlechtsidentitäten tauchen so gut wie gar nicht auf: Sie sind in den Produktionen aller Länder nur in neun von 1.911 Fällen (0,5 %) in zentralen Rollen zu sehen. In deutschen Produktionen sind sie gar nicht vertreten.

2. Frauen kommen weniger oft vor als Männer und werden weniger in ihrer Unterschiedlichkeit und Vielfalt gezeigt

frauen_weniger_oft_in_zentralen_rollen_zu_sehen_als_m__nner.jpg

  • Nicht nur im linearen TV-Programm, sondern auch in deutschen Streaming-Serien kommen auf eine Frauenfigur circa zwei männliche Hauptrollen. So beträgt ihr Anteil in zentralen Rollen in deutschen Produktionen lediglich 35 %. Der globale Durchschnittswert für Produktionen mit einer weiblichen Hauptrolle liegt bei 42 %. Nicht-binäre und Personen mit anderen Geschlechtsidentitäten kommen kaum vor (0,5 %).
  • Auch die Vielfalt von Frauenfiguren in Streaming-Angeboten ist eingeschränkt: Frauen sind nicht nur seltener zu sehen, sondern zudem überwiegend jung, haben genormte schlanke Körper und werden seltener homosexuell dargestellt als Männer.
  • In Streaming-Angeboten werden sie entlang tradierter Geschlechterbilder besetzt – überwiegend in Romantik-Formaten (49 %) und in Berufen, die ihre emotionale Kompetenz betonen.

wie_werden_frauen_in_den_serien_dargestellt.jpg

3. Fehlende ethnische Diversität - in deutschen Produktionen sind die zentralen Rollen meist weiß.

  • In deutschen Produktionen sind 89 % der zentralen Rollen "weiß" besetzt, keine ist als Schwarz oder asiatisch zu lesen, 11 % können dem Mittleren Osten zugerechnet werden.
  • In global produzierten Streaming-Angeboten gibt es zwar mehr Diversität, aber rund 63 % sind „weiß“ besetzt. Des Weiteren sind circa 12 % Latino/Latina repräsentiert. Weitere 10 % sind als asiatisch zu lesen, 8 % als Schwarz. 3 % können Südasien und 2 % dem Mittleren Osten zugeordnet werden.

2017: Audiovisuelle Diversität? Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland.

Primärer Fokus der Studie von Prof. Dr. Elizabeth Prommer und Christine Linke vom Institut für Medienforschung der Universität Rostock ist die Darstellung von Frauen und Männer im deutschen Fernsehen und Kino, sowohl was die Häufigkeit angeht als auch die Art und Weise der Repräsentation. Dafür wurden über 3.500 Stunden Fernsehprogramm aus dem Jahr 2016 sowie über 800 deutschsprachigen Kinofilmen aus den vergangenen sechs Jahren analysiert und ausgewertet.

1. Sexuelle Diversität wird im deutschen Fernsehen nicht sichtbar.

  • 60% der Protagonist*innen sind heterosexuell.
  • Bei 40% der Protagonist*innen ist die Sexualität nicht erkennbar bzw. wird nicht thematisiert.
  • In nur wenigen Fällen kamen manifest erkennbar homosexuelle oder bisexuelle Protagonist*innen oder Akteur*innen vor.

2. Weitere zentrale Ergebnisse

  • Frauen sind deutlich unterrepräsentiert. Über alle Fernsehprogramme hinweg kommen auf eine Frau zwei Männer. Einzige Ausnahme sind Daily Soaps. sie sind repräsentativ für die tatsächliche Geschlechterverteilung in Deutschland.
  • Im Kinderfernsehen ist die Kluft noch gravierender: Insgesamt gilt: nur eine von vier Figuren ist weiblich. Bei imaginären Figuren kommt auf eine weibliche Tierfigur neun männliche.
  • Wenn Frauen vorkommen, dann als junge Frauen. Frauen ab Mitte 30 verschwinden immer stärker von den Bildschirmen. Am größten ist der Unterschied in der non-fiktionalen TV-Unterhaltung: Hier kommen jenseits der 40 auf eine Frau vier Männer, jenseits der 50 auf eine Frau acht Männer.
  • Männer erklären die Welt, d.h. Moderator*innen, Journalist*innen, Expert*innen und sprecher*innen sind sowohl bei TV-Information als auch bei nonfiktionaler Unterhaltung überwiegend männlich.
  • Über alle Programme wird bei 8% der Hauptakteur*innen und Protagonist*innen ein Migrationshintergrund (z.B. durch Bezugnahme auf Herkunftsland, Sprache, Aufenthaltsstatus, Religion usw.) erkennbar. Im Kinder-TV sind es 11%, im fiktionalen Programm sind es 10%. Laut Statistischem Bundesamt liegt der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in der Bevölkerung bei derzeit 21%.

Weiterlesen