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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Gefährdete LSBTI Gegenstand des Afghanistan-Untersuchungsausschusses

Bundestag setzt Untersuchungsausschuss zu Afghanistan ein und erkennt besondere Betroffenheit von LSBTI an

Pressemitteilung vom 08.07.2022

Berlin. 08.07.2022. In der vergangenen Nacht hat der Bundestag auf Antrag der Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Zusammenhang mit dem Abzug der Bundeswehr, weiterer NATO-Kräfte und diplomatischer Vertretungen nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan beschlossen. Der Bundestag erkannte ausdrücklich an, dass von diesen Entscheidungen auch LSBTI besonders betroffen waren und dass die Bundesregierung dieser Gruppe perspektivisch Unterstützung und Aufnahme zugesagt hat. Dazu erklärt Patrick Dörr aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD):

Der LSVD begrüßt, dass der Bundestag bei der Einsetzung des Afghanistan-Untersuchungsausschusses lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) in Afghanistan als besonders gefährdete Gruppe ausdrücklich benannt hat. LSBTI gehören zu den Gruppen, die nach der Machtübernahme durch die Taliban in Afghanistan in höchster Lebensgefahr schweben. Sie dürfen bei der Evakuierung nicht vergessen werden. Doch bei Bundesinnenministerin Faeser und Bundesaußenministerin Baerbock stoßen wir bisher auf taube Ohren mit unserer Forderung, auch gefährdete LSBTI bei dem im Koalitionsvertrag vereinbarten humanitären Aufnahmeprogramm explizit zu berücksichtigen. Die Zahlen geretteter LSBTI bewegen sich im Promillebereich: Unter den 21.500 bereits eingereisten Afghan*innen sind nach Behördenangaben nur 80 LSBTI. Von den über 1.800 Afghan*innen, die in den vergangenen Wochen eine Aufnahmezusage bekommen haben, wissen wir nur von zwei LSBTI. Gleichzeitig werden die von uns und anderen NGOs schon vor Monaten vorgelegten Listen mit akut gefährdeten LSBTI-Personen aktuell nicht geprüft, weil ihre Gefährdung nicht tätigkeitsbezogen ist.

In einem gemeinsamen Brief an Bundesaußenministerin Baerbock und Bundesinnenministerin Faeser forderte der LSVD im Mai 2022 gemeinsam mit 44 weiteren Organisationen, dass einer möglichst großen Anzahl gefährdeter LSBTI aus Afghanistan Schutz in Deutschland gewährt wird. Dem Auswärtigen Amt bzw. dem Bundesinnenministerium liegen seit Monaten Fälle mit Namen gefährdeter afghanischer LSBTI vor, die verzweifelt auf Rettung warten. Die von uns und anderen Organisationen beim Auswärtigen Amt eingereichten Fälle müssen endlich geprüft und einer möglichst großen Anzahl gefährdeter LSBTI aus Afghanistan Schutz in Deutschland gewährt werden. Insbesondere im Rahmen des gegenwärtigen sog. Überbrückungsprogramms von Auswärtigem Amt und Bundesinnenministerium muss auf das Kriterium des Menschenrechtsaktivismus mit Bezug auf LSBTI verzichtet werden. Denn: Bereits vor der Machtübernahme der Taliban waren queere Personen in Afghanistan einer massiven Verfolgung, auch in Form von Kriminalisierung, ausgesetzt. Öffentlichen Aktivismus für die Menschenrechte von LSBTI konnte es daher in Afghanistan nicht geben. Ihn als Kriterium anzulegen, würde LSBTI als eine der am meisten gefährdeten Personengruppen in Afghanistan faktisch ausschließen.

Hintergrund

Folter, Morde, außergerichtliche Hinrichtungen, Todesstrafe: Nach der Machtübernahme durch die Taliban schweben Lesben, Schwule, bisexuelle, trans*- und intergeschlechtliche Menschen (LSBTI) in Afghanistan in Lebensgefahr. Die Flucht in die benachbarten LSBTI-Verfolgerstaaten wie Iran und Pakistan bedeutet keine Sicherheit.

Dem Auswärtigen Amt liegen seit Monaten Fälle mit Namen gefährdeter afghanischer LSBTI vor, die verzweifelt auf Rettung warten. Doch bei Bundesaußenministerin Baerbock und Bundesinnenministerin Faeser stoßen wir bisher auf taube Ohren mit unserer Forderung, auch gefährdete LSBTI bei dem im Koalitionsvertrag vereinbarten humanitären Aufnahmeprogramm explizit zu berücksichtigen.

LSBTI werden auch bei der Familienzusammenführung zumindest im klassischen Asylsystem faktisch ausgeschlossen. Nur die als Eheleute und leibliche Kinder definierte „Kernfamilie“ wird berücksichtigt. Würden diese Maßstäbe auch bei der Aufnahme von LSBTI-Afghan*innen angelegt, würden gleichgeschlechtliche Paare dafür bestraft, dass ihre Beziehungen in Afghanistan lebensgefährlich sind und nicht rechtlich anerkannt werden. Auch hier darf Deutschland nicht die Diskriminierung im Herkunftsland in seinem eigenen Verwaltungshandeln fortsetzen. Gleichgeschlechtliche Paare, die im Herkunftsland verfolgt wurden, müssen vom Auswärtigen Amt bei der Familienzusammenführung mit Ehepaaren gleichgestellt werden!

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