LSBT in Honduras: Erfahrungen von Gewalt, Tod und Einsamkeit
Bericht von Donny Reyes vom Vereins Asociación LGTB Arcoiris (Regenbogen)
Im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe „Crossings and Alliances“ hatten wir den LSBT-Menschenrechtsverteidiger Donny Reyes aus Honduras zu Gast.
Asociación LGTB Arcoiris wurde 2003 gegründet
Er berichtete von seinen persönlichen Erfahrungen mit Verfolgung und Flucht aus dem mittelamerikanischen Land, über die Arbeit und Ziele seines Vereins Asociación LGTB Arcoiris (Regenbogen), sowie über Bündnisse und Erwartungen an Deutschland.
2003 gründete Donny die Asociación LGTB Arcoiris. Seither leisten er und sein Team ehrenamtliche Arbeit vor allem in den Armenvierteln im Süden der Hauptstadt Tegucigalpa. Unterstützung für Miete und Unkosten erhalten sie von Hivos aus den Niederlanden. Sie engagieren sich in der Bildungs- und Sensibilisierungsarbeit für die Belange von LSBT. Donny betont wie schwierig das ist, „in einem repressiven Staat, einem Land, das geprägt ist vom patriarchalen, machistischen und frauenfeindlichen Denken, das die Kirche propagiert.“ Hinzu kommen die Trostlosigkeit, „die vielen Morde an Freunden, die Erfahrungen von Gewalt, Tod und Einsamkeit“.
Verhaftungen, Misshandlungen und sexuelle Gewalt durch Polizei
2007 wird Donny verhaftet und im Gefängnis misshandelt und mehrmals vergewaltigt. Er stellt Strafanzeige gegen einige Polizisten aus der Hauptstadt. Eine Premiere in dem mittelamerikanischen Land. „Sieben harte, traurige Jahre sind seitdem vergangen“, sagt Donny und schildert seinen Kampf. Jahrelang ließ er nicht locker und pochte darauf, dass seine Anzeige ernst genommen werde und Ermittlungen stattfinden würden. Vergeblich. Stattdessen wurde er telefonisch bedroht, auf dem Weg ins Büro von einem bewaffneten Motorradfahrer verfolgt und bedrängt. Mehrmals verließ Donny in den letzten Jahren seine Heimat und suchte vorübergehend Schutz in Nachbarländern.
Fall ging bis vor die interamerikanische Menschenrechtskommission
Donny brachte seinen Fall bis vor die Interamerikanische Menschenrechtskommission, die Honduras aufforderte, für Donnys Sicherheit zu sorgen und Maßnahmen zu seinem Schutz einzuleiten. Ein Richter sprach die Polizisten allerdings letztlich frei. Stattdessen trage Donny aufgrund seines „unmoralischen“ Lebenswandels selbst die Verantwortung für das, was ihm angetan wurde.
Die honduranische Presse stempelte ihn als Nestbeschmutzer und Krawallmacher ab und setzte ihn damit erneut großen Gefahren aus. Schließlich stellten die Behörden eine Polizistin und drei Monate später einen homophoben Polizisten zu seinem Schutz ab. Diesen lehnte Donny ab. Seitdem erhielt er wieder Todesdrohungen. Als dann noch in diesem Frühjahr im Büro von Arcoiris eingebrochen und Computer gestohlen wurden, nahm er die Einladung der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte nach Deutschland an. Seit dem lebt er hier und kann berichten.
Die Gewalttaten der mit der Drogenmafia verbandelten Jugendbanden (maras) hat in Honduras haarsträubende Ausmaße angenommen. So gilt das wirtschaftliche Zentrum San Pedro Sula als die Stadt mit der höchsten Mordrate weltweit. Die Gewalt der Drogenmafia sei von der staatlichen Repression nicht zu trennen. Es handele sich um ein nicht zu entwirrendes Phänomen, eine wahre Spirale der Gewalt.
Militärputsch von 2009 brutalisierte die Gesellschaft
Ein einschneidendes Jahr sei 2009 gewesen. Die Bewegung spricht von einem Davor und einem Danach. Der Militärputsch gegen den in sozialer Hinsicht progressiven Präsidenten Zelaya im Juni 2009 führte zu einer enormen Militarisierung der Gesellschaft. Der Gewalt und Drogenkriminalität wurden damals Tür und Tor geöffnet. Seither werden Bauernführer und Gewerkschafterinnen, Umweltaktivisten und Frauenrechtlerinnen verstärkt zur Zielscheibe staatlicher und paramilitärischer Repression. Auch die Zahl der Opfer homo- und transphober Hassverbrechen sprang nach 2009 sprunghaft an. Viele Menschenrechtsverteidigerinnen und bekannte Aktivisten wie Walter Tróchez oder Erick Martínez wurden ermordet.
Und dennoch lassen Donny und seine Freunde sich nicht einschüchtern. Unter ständiger Gefahr schließen sie Bündnisse mit anderen verfolgten Gruppen, Gewerkschaften, Menschenrechtsorganisationen und Frauenverbänden, informieren und klären auf. „Wir, erzählen von unseren Erlebnissen, was hier passiert. Wir legen Zeugnis ab und suchen Unterstützung. In Nicaragua, wo die Lage viel besser ist, lernen wir beispielhafte Arbeit kennen, die wir hier versuchen zu übernehmen.“ Wichtig sind die Universitäten. „Dort laufen wir offene Türen ein mit unseren Anliegen. Da herrschen ein kritischer Geist und eine offene Atmosphäre. Wir können uns einbringen und angehende Lehrkräfte für LSBT sensibilisieren.“
Deutschland kann durch Botschaft unterstützen: Diplomatische Kontakte erhöhen Sicherheit
Von Deutschland und Europa erwartet Donny Solidarität. „Informiert Eure Regierung, schreibt Briefe über die Lage in Honduras, damit sie aktiv werden.“ Es sei von großer Bedeutung, dass Arcoiris und andere LSBT-Organisationen regelmäßige Kontakte zu den Botschaften unterhalten, eingeladen werden zu deren Veranstaltungen und persönliche Kontakte knüpfen können. Das erhöhe ihren persönlichen Schutz. „Es geht nicht nur um Geld. Begleitung und ideelle Unterstützung sind genauso wichtig. Wenn die Leute sehen, dass ich mit Diplomaten einen Kaffee trinken gehe, dann gibt mir das mehr Sicherheit.“
In Deutschland fühlt sich Donny sicher. Er kann ein vorübergehendes Leben ohne Angst führen, sei es in Hamburg, München oder Berlin. Er tankt auf. Mitte Januar will er zurück nach Honduras. Natürlich habe er Angst davor. Aber jetzt sei er ja hier und das wolle er noch genießen. Die Beklemmung und die Angstzustände kommen früh genug zurück. Von ganz allein.
Klaus Jetz
LSVD-Geschäftsführer