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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Taliban in Afghanistan verhaften, foltern und ermorden täglich LSBTI-Personen

Lesben- und Schwulenverband fordert Bundesregierung zur schnellen Rettung auf

Pressemitteilung vom 15.08.2022

Berlin. 15. August 2022. Seit der Machtübernahme der Taliban heute vor einem Jahr sind Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche (LSBTI) Personen in akuter Lebensgefahr. Verhaftung, Folter und Ermordung sind an der Tagesordnung. Nachdem die Bundesregierung bisher im sogenannten Brückenprogramm zu unserem Entsetzen ganz bewusst keine als LSBTI verfolgten Personen aufgenommen hat, fordert der LSVD die zuständigen Ministerinnen Baerbock und Faeser dazu auf, endlich auch gefährdete LSBTI zu retten. Noch vor dem Start des angekündigten Bundesaufnahmeprogramms muss die Bundesregierung zumindest den am unmittelbarsten bedrohten queeren Afghaninnen eine Aufnahmezusage erteilen und sie aufnehmen. Dazu erklärt Patrick Dörr aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes:

Die Berichte aus Afghanistan werden immer schlimmer. Bereits im Januar haben Human Rights Watch und Outright International die massive Gewalt der Taliban gegen LSBTI ausführlich dokumentiert. Seitdem wird die Verfolgung durch die Taliban immer systematischer. Unsere Partnerorganisationen in der Region berichtet inzwischen von speziellen Einrichtungen, in denen LSBTI Personen eingesperrt, gefoltert und vermutlich ermordet werden. Regelmäßig erreichen uns E-Mails von verzweifelten Personen, die bereits Schlimmstes erlebt haben oder Schlimmstes befürchten. Nachdem die Bundeswehr zusammen mit den anderen westlichen Bündnispartnern das Land fluchtartig verlassen hat, hat sich die Situation nicht nur aber gerade auch für LSBTI massiv zugespitzt. Die Bundesrepublik steht daher hier in der moralischen Verantwortung, gefährdete LSBTI-Personen aus Afghanistan aufzunehmen.     

Unter den bereits aus Afghanistan geretteten rund 21.000 Personen sind unseres Wissens nach nur 80 als LSBTI verfolgte Personen, wobei deren Aufnahmezusagen noch unter der schwarz-roten Bundesregierung erfolgten. Ihr Anteil bewegt sich also im Promille-Bereich. Innenministerin Faeser und Außenministerin Baerbock haben die Schaffung eines Bundesaufnahmeprogramms für gefährdete Afghaninnen angekündigt. Im bis dahin laufenden sogenannten „Brückenprogramm“, in dem bereits circa 1.800 Personen eine Aufnahmezusage erhalten haben, besteht die Bundesregierung auf einer sogenannten „tätigkeitsbezogenen Gefährdung“, also darauf, dass sich Personen durch ihre Tätigkeit vor der Machtübernahme der Taliban besonders exponiert haben. Da jedoch Homosexualität bereits vor der Machtübernahme der Taliban mit mehrjährigen Haftstrafen geahndet wurde und es somit auch keine offiziellen LSBTI-Organisationen gab, schließt dieses Kriterium LSBTI faktisch aus.

Dabei rufen wir seit Dezember – zusammen mit zahlreichen Partnerorganisationen – die Bundesregierung auf, auch bedrohte LSBTI aufzunehmen, stießen jedoch immer wieder auf taube Ohren. Zu viele LSBTI-Personen sind bereits inhaftiert, gefoltert und sexuell missbraucht worden, die von der Bundesregierung davor hätte bewahrt werden können. Viele sind verschwunden und mutmaßlich ermordet worden. Wir begrüßen, dass der Bundestag in dem Beschluss zur Einrichtung eines Untersuchungsausschusses bzgl. des Abzugs der Bundeswehr aus Afghanistan auch die Aufnahme von LSBTI zugesagt hat. Auch die FDP-nahen Liberalen Schwulen und Lesben (LiSL) haben die zuständigen Ministerinnen dazu aufgerufen, „für einen schnellen Schutz für besonders gefährdete LSBTI aus Afghanistan zu sorgen“. Von der Bundesregierung fordern wir daher konkret: die unbürokratische und schnelle Aufnahme für eine Gruppe von circa 50 Personen, deren Gefährdung aus unserer Sicht besonders akut ist. Grundsätzlich darf – weder im Brückenprogramm noch im angekündigten Bundesaufnahmeprogramm – bei LSBTI-Anträgen ein tätigkeitsbezogenes Merkmal vorausgesetzt werden. Das Bundesaufnahmeprogramm muss zügig vorangetrieben werden. Hier muss eine Aufnahmezusage auch möglich sein, wenn LSBTI bisher der Verfolgung entgehen konnten. Haben sie sich oder wurden sie bereits geoutet, ist ihre Gefährdung so massiv, dass eine Aufnahme erfolgen muss.

Wir bitten für die Arbeit unserer Partnerorganisation ILGA Asia um Spenden, um eine sichere Ausreise gefährdeter LSBTI aus Afghanistan zu ermöglichen.

 

Weiterführende Informationen:

Jetzt spenden, um gefährdeten LSBTI eine Ausreise aus Afghanistan zu ermöglichen
Spendenaufruf von All Out: A Safe Passage out of Afghanistan for LGBT+ people

LSVD-Pressemitteilung vom 31.05.2022
Humanitäres Aufnahmeprogramm: LSBTI aus Afghanistan berücksichtigen
Aufruf von 41 Organisationen an Ministerinnen Baerbock und Faeser

Bundestag sagt in Beschluss Aufnahme von LSBTI zu:
Beschluss des Bundestages zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

LSVD-Bundesverband

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Patrick Dörr