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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

LSBTI*-Community und Geflüchtete: Gemeinsam gegen rechtspopulistische Instrumentalisierung

Ergebnisse des Fachforums auf dem ersten Regenbogenparlament „Akzeptanz für LSBTI“ am 17.02.2018 in Berlin

Zum Umgang mit Rassismus in der LSBTI-Community - rechtspopulistische Instrumentalisierung von Geflüchteten - Erfolgversprechende Ansätze zur Stärkung der LSBTI*-Community wie auch der Geflüchteten

Im Rahmen des bundesweit ersten Regenbogen-Parlaments diskutierten wir darüber, wie „Regenbogenkompetenz“ in der Sozialen Arbeit, im Sport, in Religionsgemeinschaften, bei der Versorgung und Integration von Geflüchteten, in den Medien und auch in der auswärtigen Kultur-und Sprachpolitik erhöht werden kann. Hier dokumentieren wir die Ergebnisse des Fachforums "LSBTI*-Community und Geflüchtete: Gemeinsam gegen rechtspopulistische Instrumentalisierung" mit Simone Rafael, Amadeo Antonio Stiftung), Alya Khabaz (Trans*Aktivistin), Ahmed Mohamed (LSBTI*-Aktivist), geleitet von Lilith Raza, LSVD-Projekt Queer Refugees Deutschland.

Die Broschüre zum 1. Regenbogen-Parlament "Akzeptanz von LSBTI* - Miteinander stärken" kann als pdf heruntergeladen werden. Sie kann auch so lange der Vorrat reicht per Mail an presse@lsvd.de kostenfrei bestellt werden.

Hauptaussagen des Fachforums "LSBTI*-Community und Geflüchtete"

  • rassistische Erfahrungen in der LSBTI*-Community und ihrer Infrastruktur (Clubs u.a.)
  • Ressourcen und Empowerment, um sich Diskriminierung entgegenzusetzen und für eigene Rechte einzusetzen
  • Rechtspopulismus spielt gezielt die LSBTI*-Community gegen Geflüchtete aus: Widerspruch zu konkreter Politik gegen Rechte von LSBTI*
  • Asylverfahren und Unterkünfte als Hürden für queere Geflüchtete

Im Fachforum diskutierten die Teilnehmenden über erlebte Erfahrungen, erfolgversprechende Ansätze und konkrete Maßnahmen. Die Leiterin Lilith Raza vom Projekt Queer Refugees Deutschland führte die Gruppe durch einen dynamischen Prozess der Ideenfindung.

Zunächst wurden rassistische Erfahrungen in der LSBTI*-Community analysiert. Diese reichten von negativen Erfahrungen (Aussage von Türsteher*innen „Ist voll!“, nach Begutachtung der Hautfarbe von Einlasswilligen, obwohl dies offensichtlich nicht so ist) bis hin zu positiv gemeinten Äußerungen („Du bist so exotisch. Das mag ich.“)

Die Gruppe identifizierte mehrere Aspekte zum Umgang mit rassistischen Erfahrungen in der Szene:

  • Diskriminierung bewusst machen (sich selbst und anderen)
  • Diskriminierung reflektieren (einzelne Menschen wahrnehmen, nicht Stereotype über Gruppen)
  • Persönliche Berichte und persönliches Eintreten sind notwendig
  • Mehr Austausch und gemeinsame Aktionen müssen verwirklicht werden, um die Einigkeit der Community zu fördern
  • Community als Spiegel der Gesellschaft begreifen
  • Einschaltung des AGG bei Diskriminierung (zum Beispiel im Beruf) über die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Abteilung für sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität
  • Diskriminierungen immer wieder auf allen möglichen Wegen öffentlich machen

Bei den berichteten Erfahrungen sollten folgende Rahmenbedingungen immer mitbedacht werden:

  • Ein Coming-out in einer Flüchtlingsunterkunft ist kaum möglich, da sonst häufig Mobbing durch andere Geflüchtete droht.
  • Empowerment: Es ist sehr viel Mut und Wissen notwendig, um für die eigenen Rechte einzutreten.
  • Als Hintergrund ist die immer noch allgemein große gesellschaftliche Herausforderung der Integration von Geflüchteten zu beachteten.

Die aktuelle Situation stellt sich wie folgt dar: Der Rechtspopulismus spielt gezielt die LSBTI*-Community gegen Geflüchtete aus. Dazu bedient er sich der Taktik auf der emotionalen Ebene zu argumentieren. Der LSBTI*-Community wird hierbei versprochen, sie vor „den Moslems“ zu schützen, die sie angeblich bedrohen. Demgegenüber steht das Eintreten des Rechtspopulismus für eine heterosexuell dominierte Gesellschaft. Dieser Widerspruch muss in der Argumentation deutlich gemacht werden. Dabei ist sachliches Argumentieren ebenso notwendig wie emotionales Erreichen der Zuhörer*innen.

Erfolgversprechende Ansätze zur Stärkung der LSBTI*-Community wie auch der Geflüchteten

  • Sensibilisierungskurse für Entscheider*innen in Asylverfahren sind notwendig. Deren Inhalte müssen mit emotionalen Gesichtspunkten versehen werden. Die Kommunikation der Inhalte muss positiv formuliert werden („Deine Arbeit und das Leben anderer wird besser, wenn du dich an Vielfalt orientierst.“) 
  • Die Energie sollte auf LSBTI*-Gruppen konzentriert werden, die ähnliche Ziele haben.
  • Vernetzung von Community-Verbänden mit Aktionsgruppen der Geflüchteten-Hilfe
    Informationsweitergabe und virtuelle Gruppenangebote in Sozialen Medien, um realen Austausch anzuregen
  • Ehrenamtlich Engagierte mit gemeinschaftlichen Aktionen motivieren

Die dahinter stehenden Strategien sollten den Teilnehmenden zufolge vom LSVD im Projekt „Miteinander stärken“, im Projekt „Queer Refugees Deutschland“ sowie allgemein in der Verbandsarbeit beachtet werden. Zur Bündelung der Interessensvertretung regten die Teilnehmenden an, die Bündnisse in der Community und über die Community hinaus verstärkt voranzutreiben.

Mögliche Strategien aus Sicht der Teilnehmenden

  • auch nach Einführung der Ehe für alle muss die Gesellschaft aufgeklärt werden und für die Belange der LSBTI*-Community sensibilisiert werden
  • mit neuen Impulsen für die gesellschaftliche Vielfalt einen Beitrag zur Stärkung der Demokratie leisten („Gesellschaft verändert sich nicht von alleine“)
  • Top-down-Prinzip: Herangehen über Gesetze, damit sich die gesellschaftliche Realität verändert; gleichzeitig eine „Graswurzel-Bewegung“ über viele persönliche Begegnungen wie zum Beispiel in Workshops, damit Empowerment für die Community entstehen kann („einig in Unterschiedlichkeit“)
  • Aufklärung für die Mehrheitsgesellschaft („raus aus der Regenbogen-Blase“)
  • inklusiver Ansatz, um gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit breit entgegenwirken zu können
  • Selbstbewusstsein aller Einzelnen als Freiheits-Verteidiger*innen stärken
  • über das Regenbogen-Parlament hinaus den direkten Austausch mit der Politik suchen

Mögliche Maßnahmen für ein verstärktes Engagement gegen Diskriminierung

  • direkte Ansprache von Politiker*innen bei offiziellen Veranstaltungen im Hinblick auf Bedarfe der LSBTI*-Community und der Geflüchteten
  • Kampagnen mit Parteien anstoßen (insbesondere mit CDU und SPD als Regierungsverantwortliche), um Akzeptanz von Vielfalt der Gesellschaft zu befördern
  • Schaffung eines Bündnisses gegen Homophobie mit relevanten gesellschaftlichen Verbänden und Firmen
  • Anzeigenschaltung in Kooperation mit medienwirksamen Unternehmen
  • „Club 7“ als bundesweites Bündnis gegen Homophobie / Transphobie mit Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Kultur zur Einbeziehung der straight allies (= Verbündete der
    Mehrheitsgesellschaft)
  • Kooperation mit Asten an den Universitäten im Bereich Gender Studies und verwandten Gebieten zur Anregung von Studien über LSBTI* Geflüchtete und über die LSBTI*-Community allgemein Impulse für wissenschaftliche Forschung aussenden (z.B. zur Förderung von Vielfalt in der Pädagogik)
  • Start einer Mitgliederkampagne für den LSVD

Oberstes Ziel sollte nach der intensiven Diskussion in der Gruppe die Bündelung der Kräfte und der Initiativen sowohl für die LSBTI*-Community als auch für LSBTI*-Geflüchtete sein. Das Regenbogen-Parlament war dementsprechend ein Auftakt zum gegenseitigen Kennenlernen oder zur Intensivierung der Kontakte der handelnden Personen und zur Abstimmung von Aktionen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene. Ausgehend davon sollen zukünftig gemeinsame Anstrengungen unternommen werden.

 Das Regenbogenparlament in Berlin war eine Veranstaltung des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) in Kooperation mit dem Referent*innenrat der Humboldt-Universität zu Berlin. Moderiert wurde es von Dr. Julia Borggräfe. Die gesamte Dokumentation der Veranstaltung finden Sie hier.

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