BAMF lenkt ein: Schwuler Aktivist erhält Asyl
Lesben- und Schwulenverband (LSVD) begrüßt Entscheidung des BAMF

Berlin. 13. Januar 2023. Abdelkarim Bendjeriou-Sedjerari versucht seit 2019, in Deutschland Schutz vor queerfeindlicher Verfolgung in Algerien zu finden. Dort stehen auf homosexuelle Handlungen mehrjährige Haftstrafen, die Mehrheit der Gesellschaft lehnt schwule, lesbische, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche bzw. queere (LSBTIQ*) Menschen ab. Trotz seiner HIV-Infektion und seines öffentlichen Einsatzes für die Rechte queerer Geflüchteter hatte das BAMF im Februar 2021 seinen Asylfolgeantrag abgelehnt. Nach einer erneuten Anhörung hat das BAMF den Asylantrag positiv beschieden. Dazu erklärt Patrick Dörr aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD):
Wir freuen uns sehr für Abdelkarim! Seit Langem begleiten wir zusammen mit den Kolleg*innen der AIDS-Hilfe in Hessen und seinem Anwalt intensiv diesen Fall. Die Ablehnungen durch das BAMF und das Verwaltungsgericht Frankfurt waren für uns nicht nachvollziehbar, weswegen wir den Fall auch dem BAMF zur Überprüfung vorgelegt hatten. Abdelkarim war in Deutschland mehr als out, hat auf CSD-Bühnen gesprochen, im Fernsehen von seinem Fall berichtet und die Lage im Verfolgerstaat Algerien öffentlich angeprangert. Trotzdem wurde Abdelkarims Antrag zunächst mit der Begründung abgelehnt, dass er sich nach seiner Rückkehr nach Algerien durch ein heimliches Doppelleben vor Verfolgung schützen könne. Wie in vielen anderen Asylentscheidungen wurde vollkommen ausgeblendet, dass ein offener Umgang mit der eigenen sexuellen Orientierung mehr ist als nur die Möglichkeit, Dates im Verborgenen zu haben. Die nunmehr positive Entscheidung ist unmittelbare Folge eines vom LSVD lange geforderten Paradigmenwechsels, die europarechtswidrigen sogenannten „Diskretionsprognosen“ endlich abzuschaffen.
Erst im September hatte das Bundesinnenministerium bekannt gegeben, dass Verhaltensprognosen (auch bekannt als „Diskretionsprognosen“) für LSBTIQ*-Asylsuchende nicht mehr angewendet werden und dass die entsprechende Dienstanweisung angepasst wird. In der Vergangenheit wurde durch die Anwendung dieser „Diskretionsprognosen“ unzähligen Asylsuchenden ihr Recht auf ein Leben in Freiheit und Selbstbestimmung abgesprochen. Auf ihrer Grundlage sollten Asylsuchende in die schlimmsten Verfolgerstaaten wie Pakistan, Iran und Irak abgeschoben werden, obwohl ihre sexuelle Orientierung bzw. geschlechtliche Identität durchaus glaubhaft war; teilweise erfolgten auch tatsächlich Abschiebungen. Wir sind Bundesinnenministerin Faeser dankbar, dass sie mit Änderung der Dienstanweisung Asyl vom 1. Oktober 2022 diesen menschenverachtenden Logiken endlich ein Ende bereitet hat. Dass das BAMF nun auch negative Asylentscheidungen, die vor Oktober 2022 getroffen wurden, anhand der neuen Vorgaben überprüft, ist für uns ein wichtiges positives Zeichen. Uns freut auch, dass das Bundesamt mit Schulungen für seine Entscheider*innen bereits dazu beiträgt, die neuen Vorgaben nun möglichst zügig und konsequent umzusetzen. Die nunmehr positive Entscheidung im Fall Abdelkarim reiht sich ein in zahlreiche korrigierte Asylentscheidungen, die diesen Paradigmenwechsel unterstreichen.
Weiterlesen
Innenministerium schafft menschenverachtende Diskretionsprognosen für LSBTI-Geflüchtete ab
LSVD begrüßt Anpassung der Entscheidungsvorgaben - https://www.lsvd.de/de/ct/7720-Innenministerium-schafft-menschenverachtende-Diskretionsprognosen-fuer-LSBTI-Gefluechtete-ab
Schwuler Aktivist soll in den Verfolgerstaat Algerien zurückkehren - BAMF hält vor Gerichtsverhandlung an negativem Asylbescheid fest - https://www.lsvd.de/de/ct/7479-Schwuler-Aktivist-soll-in-den-Verfolgerstaat-Algerien-zurueckkehren
Asylrecht: Bei homo- und bisexuellen Geflüchteten darf nicht von diskretem Leben ausgegangen werden - Für Einschätzung der Verfolgungsgefahr im Herkunftsland ist ein geoutetes Leben der Maßstab - https://www.lsvd.de/de/ct/6009-asylrecht-bei-homo-und-bisexuellen-gefluechteten-darf-nicht-von-diskretem-leben-ausgegangen-werden
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