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Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD)

Wie geht eine LSBTI-inklusive Entwicklungs- und Außenpolitik?

Veranstaltungsbericht zur Kick-off-Veranstaltung der Yogyakarta-Allianz

Yogyakarta Allianz — unter dem Namen vernetzt sich seit Herbst 2012 ein zivilgesellschaftliches Bündnis, um mehr Engagement für die Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intermenschen (LSBTI) in der Entwicklungs- und Außenpolitik einzufordern. Durch Bündelung bestehenden Wissens und Aufzeigen von Handlungsmöglichkeiten sollen Entscheidungsträger, Politikerinnen und Organisationen unterstützt und beraten, aber auch in die Pflicht genommen werden. Mit dem Ziel die Yogyakarta-Allianz zu konsolidieren und zu erweitern fand im Deutschen Institut für Menschenrechte nun eine Kick-off-Veranstaltung statt.

In ihren einführenden Worten unterstrich Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, die Bedeutung der Zivilgesellschaft, um die uneingeschränkte Gültigkeit der Menschenrechte unabhängig von der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität voranzubringen. Im Fall der Entwicklungszusammenarbeit und Auswärtigen Politik sind dabei nicht nur die hiesigen Organisationen und Projekte gefragt, sondern auch die Akteure und Aktivistinnen in den jeweiligen Partnerländern. Es gilt, ihre Perspektiven und Erfahrungen zu kennen und in die Strategien und Programme aufzunehmen. Nicht nur weil sie oftmals in einem riskanten Umfeld leben und die Auswirkungen deutscher Außen- und Entwicklungspolitik tragen, sondern mit ihren Erfahrungen und durch ihre Arbeit auch die Wirksamkeit und Nachhaltigkeit dieser Politiken erst ermöglichen. Das betonte auch Renate Rampf von der Hirschfeld-Eddy-Stiftung in ihrer Präsentation des Selbstverständnisses der Yogyakarta-Allianz. Neben der Zusammenführung von Expertise sowie der Zusammenarbeit mit und kritischen Begleitung von entwicklungspolitischen Organisationen, Programmen und Entscheidungsträgerinnen und -trägern ist die Institutionalisierung eines konstanten Nord-Süd-Dialogs eine fundamentale Herausforderung und wichtiges Ziel.

In den folgenden Impulsreferaten wurde deutlich, an welchen Themen- und in welchen Arbeitsbereichen die Stärkung von Menschenrechten für LSBTI anknüpfen kann.

Elfriede Harth, von den Católicas por el Derecho a Decidir de España (Katholikinnen für das Recht auf Selbstbestimmung) zeigte in ihrem Beitrag, wie dieses lateinamerikanisch-spanische Netzwerk sexuelle und reproduktive Rechte auf die öffentlich-politische Agenda setzen konnten. Ein gemeinsamer Gegner kann zwar als gruppenbildende „negative Solidarität“ fungieren, stabilisiert und produktiv wird ein Bündnis aber über eine positive Solidarität, z.B. das gemeinsame Ziel einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft. Eine Schwierigkeit besteht darin, einerseits griffige Botschaften zu formulieren, die leicht in mediale und politische Diskurse aufgenommen werden können, und andererseits  darin, der Komplexität gesellschaftlicher Themen und Konflikte gerecht zu werden. Dabei verwies sie insbesondere auf progressive Kräfte innerhalb von religiösen Institutionen, die von innen heraus mit stärkerer Legitimität auf Veränderungen und Politikwechsel hinarbeiten können.

Rene Mertens vom Center for the Study of Discrimination based on Sexual Orientation (CSDSO) stellte in seinem Vortrag bestehende internationale Ansätze und Programme von Ländern wie Schweden, Norwegen, Großbritannien, den Niederlanden und den USA vor, an denen sich mögliche Richtlinien für eine LSBTI-inklusive deutsche Auswärtige Politik orientieren können. Möglichkeiten für das Auswärtige Amt wären zum Beispiel im Inland ein konsequentes Mainstreaming durch Schulungen, Sensibilisierung und standortspezifisches Briefing der Mitarbeitenden. Die Botschaftsangehörigen müssten sich als Ansprechpersonen um Bündnisse vor Ort bemühen und lokale NGOs etwa durch Einladungen fördern.

Pia Mann und Annika Schauer vom discover football veranschaulichten, wie Fußballturniere mit internationalen Teams die Begegnung und Kontakt zwischen verschiedenen Mädchen, Frauen und Transgender ermöglicht. Diese Turniere werden von Kampagnen gegen Sexismus und Homophobie, Diskussionen um die weiße, männliche und heteronormative Struktur des Fußballs sowie Workshops zum Thema (sexuelle) Selbstbestimmung begleitet. Da die Teilnehmenden durch ihren Sport meist gegen vorherrschende Weiblichkeitsnormen verstoßen, können LSBTI-Rechte und Frauenrechte miteinander verknüpft werden und sexuelle Selbstbestimmung als Teil feministischen Empowerments definiert werden.

Anschließend zeigte Andreas Wulff von medico international in seinem Kurzreferat, wie HIV/AIDS-Programme genutzt werden können, um LSBTI-Menschenrechte zu thematisieren und zu stärken. Dieser Anknüpfungspunkt ist dabei durchaus ambivalent. Zum einen bietet HIV-/AIDS-Präventionsarbeit Chancen und Ressourcen für eine Sichtbarkeitssteigerung und Selbstorganisierung gerade in Ländern, wo LSBTI strafrechtlich verfolgt werden. Zum anderen gehen gerade sexuell übertragbare Krankheiten mit einer zusätzlichen Stigmatisierung einher. Am Beispiel von Kooperationspartnern in Brasilien, Libanon und Simbabwe zeigte er unterschiedliche Stadien und Wege der Förderung auf.

Nach der Mittagspause gab Andrea Kämpf einen kurzen Einblick in die menschenrechtliche Politikberatung der Entwicklungspolitik durch das Deutsche Institut für Menschenrechte. Wie eine erfolgreiche Zusammenarbeit in einem zivilgesellschaftlichen Bündnis aussehen könnte, stellte Hans-Günter Heiden in seinem Vortrag über das Netzwerk Artikel 3 vor. Dieses ist ein bundesweit arbeitendes Netzwerk der Gleichstellungsinitiativen für die Menschenrechte und Gleichstellung behinderter Menschen vor dem Hintergrund der UN-Behindertenrechtskonvention. In den zwei folgenden Workshops wurden Möglichkeiten der Verfahrensordnung und die Stärkung und Erweiterung der Yogyakarta-Allianz erarbeitet und diskutiert.

Markus Ulrich
LSVD-Hauptstadtbüro